Neu-Ulmer Zeitung

Venedig kostet Eintritt

Die Stadt an der Lagune verlangt von Tagestouri­sten ab sofort an 29 Tagen eine Zugangsgeb­ühr. Das hat Gründe – und soll Folgen haben.

- Von Julius Müller-Meiningen

Venedig Jetzt ist es so weit. Mit Venedig verlangt erstmals eine große Stadt eine Eintrittsg­ebühr. Der 25. April war Feiertag in Italien, auch der 1. Mai ist frei, also nutzen viele Touristen und Touristinn­en diese Tage für einen Besuch in der Lagunensta­dt, die aus allen Nähten platzt. Die Gebühr samt Anmeldung soll einen Massenandr­ang verhindern. Ob das gelingt, ist freilich eine andere Frage.

Die Stadtverwa­ltung hat 29 Tage im Jahr 2024 bestimmt, an denen Besucher, die abends wieder ans Festland zurückkehr­en, ein Eintrittst­icket für die Altstadt Venedigs lösen müssen. Bis vor einigen Jahren war ein derartiger Plan, der Besuch einer Stadt gegen Eintrittsg­eld, noch undenkbar. Doch seit Jahrzehnte­n wird darüber diskutiert, wie Venedig den Besucheran­sturm in den Griff bekommen kann.

Offiziell 14 Millionen Gäste jährlich wurden zuletzt gezählt, an manchen Tagen drängeln sich Zehntausen­de durch die engen calli, die Gassen Venedigs. Polizisten regeln dann den Fußgänger-Verkehr. Dass es so nicht weitergehe­n kann, war nicht nur Venezianer­n und Venezianer­innen selbst, den gestresste­n Gästen, sondern auch der Weltkultur­organisati­on Unesco klar. Immer wieder drohte die Unesco der Stadt wegen des Massenanst­urms den Status als Weltkultur­erbe abzuerkenn­en. Der Versuch, den Andrang durch Gebühren und Anmeldunge­n zu steuern, ist auch eine Reaktion auf diese Kritik.

Michele Zuin, der für den Haushalt zuständige Referent, sagte es bei einer Pressekonf­erenz in vier Sprachen: „Es geht nicht ums Geldverdie­nen!“Der Vorwurf, die Stadt wolle ihre Bilanzen mit dem Ticket aufbessern, versucht die Stadtregie­rung zu entkräften. Der Preis von fünf Euro ist einigermaß­en niedrig, könnte nach einer für zwei Jahre geplanten Experiment­ierphase aber steigen oder variieren. Gemunkelt wird zum Beispiel, dass der Preis eines Tages, sobald eine bestimmte Besucherza­hl erreicht ist, auf zehn Euro steigen könnte.

In den ersten beiden Jahren würden die Kosten die Einnahmen übersteige­n, erklärte Bürgermeis­ter Brugnaro. Eines Tages aber könnte sich das Eintrittsg­eld für die Stadt lohnen. Möglicherw­eise haben auch deshalb zahlreiche vom Massentour­ismus betroffene Weltstädte in Venedig angefragt und um Anonymität gebeten. Die Stadt will nun mit genauen Messungen beginnen, um herauszufi­nden, wie viele Menschen sich an welchen Tagen und wo in Venedig tummeln. Wegen der Feiertage ist ab sofort bis zum 5. Mai jeden Tag eine Reservieru­ng notwendig. Bis Mitte Juli sind Venedig-Tagesbesuc­he auch an fast jedem Wochenende anzumelden und zu bezahlen. Die Tickets können auf der Internetse­ite www.cda.ve.it oder in jedem italienisc­hen Tabakladen gelöst werden. „Wir werden noch eine ganze Weile experiment­ieren müssen“, sagte zu Beginn der Woche Venedigs Bürgermeis­ter Luigi Brugnaro. „Es wird zwei Jahre dauern, bis wir die richtige Form gefunden haben.“

Nach Angaben der Stadtverwa­ltung haben sich bereits 200.000 Besucher auf dem Internetpo­rtal für die Tage registrier­t, an denen es besonders voll zu werden droht. Den Sinn der Zugangsgeb­ühr erklärte Bürgermeis­ter Brugnaro folgenderm­aßen: Venedig werde nicht abgesperrt, es gäbe weder Barrieren noch Zugangsbes­chränkunge­n. Das Ticket soll vielmehr die Tagesgäste dazu animieren, den Termin ihres Besuchs genau auszuwähle­n. „Lohnt er sich an jenem Tag oder ist ein anderer besser?“, erklärte Brugnaro. Die Zahl der bereits vorgenomme­nen Reservieru­ngen soll bei der Buchung angezeigt werden.

Wer in der Stadt ankommt, ohne sich zuvor registrier­t zu haben oder keinen Zugang zum Internet hat, der kann die Eintrittsg­ebühr an Ständen etwa auf dem Vorplatz des Bahnhofs Santa Lucia oder am Parkplatz an der Piazzale Roma begleichen und sich dabei von Stewards helfen lassen. Anschließe­nd muss ein ausgestell­ter QR-Code vorgewiese­n werden. Wer von den rund 60 Kontrolleu­ren dann in der Altstadt ohne QRCode erwischt wird, muss mit einem Bußgeld zwischen 60 und 300 Euro rechnen.

Etwas chaotisch nimmt sich die große Zahl der Ausnahmefä­lle und Sonderbedi­ngungen an. Denn alle Venedig-Besucher, ausgenomme­n Bewohner oder gebürtige Venezianer und Venezianer­innen, müssen den QR-Code bei sich tragen. Pendler, Studierend­e, Gemeldete der Region Veneto oder Verwandte von Venezianer­n müssen ihren Status nachweisen und bekommen den Pass kostenlos. Kinder unter 14 Jahren brauchen keinen Code. Hotelgäste hingegen schon.

Weil sie aber bereits für die Übernachtu­ng eine Tourismusg­ebühr entrichtet haben, müssen sie nicht erneut zahlen. Die Eintrittsg­ebühr ist außerdem nur zwischen 8.30 Uhr morgens und 16 Uhr nachmittag­s zu entrichten. Abendessen in Venedig soll künftig auch ohne Eintrittsk­arte problemlos möglich sein.

Wer ohne QR-Code erwischt wird, zahlt ein Bußgeld.

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Foto: Luca Bruno, dpa Voll, voller, Venedig: Ein Kreuzfahrt­schiff fährt am Markusplat­z mitsamt seinen Touristen vorbei.

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