Weinstein kommt trotz Urteilsaufhebung nicht frei
Das Urteil gegen den ehemaligen Filmmogul war 2020 ein Meilenstein der Rechtsgeschichte und befeuerte die #MeToo-Bewegung. Nun gab ein Gericht überraschend seiner Berufung statt.
New York In einer überraschenden Entscheidung hat ein Gericht in New York die Verurteilung von Harvey Weinstein wegen Sexualverbrechen aufgehoben. Die Richter gaben am Donnerstag der Berufung des 72-jährigen ehemaligen Filmmoguls statt, wie aus einem Gerichtsdokument hervorging.
„Wir kommen zu dem Schluss, dass das erstinstanzliche Gericht fälschlicherweise Zeugenaussagen über nicht angeklagte, mutmaßliche frühere sexuelle Handlungen gegen andere Personen als die Kläger der zugrunde liegenden Straftaten zugelassen hat“, schrieb der
Richter. In dem aufsehenerregenden Prozess ging es vor allem um zwei Vorwürfe: Weinstein soll 2006 die Produktionsassistentin Mimi Haleyi zum Oralsex gezwungen und die Friseurin Jessica Mann 2013 vergewaltigt haben.
Tatsächlich stützte sich die Anklage bei dem weltweit beachteten Fall auf eine Reihe von Zeuginnen, die Weinstein sexuelle Übergriffe vorwarfen, die allerdings nicht Teil der Anklage waren. Die Staatsanwaltschaft wollte mit ihrer Hilfe zeigen, dass die Taten Weinsteins einem wiederkehrenden Muster folgten. Weinstein wurde daraufhin im Jahr 2020 zu 23 Jahren Haft wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung verurteilt. In einem weiteren Strafprozess in Los Angeles kamen 16 Jahre Gefängnis dazu. Nach Angaben der Zeitung New York Times muss nun Manhattans Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg entscheiden, ob er ein neues Verfahren gegen Weinstein einleitet.
Der erste Weinstein- Prozess markierte einen Meilenstein der Rechtsgeschichte – auch deshalb, weil die ehemalige Hollywood-Größe vor allem auf
Basis der Aussagen von Zeuginnen für schuldig befunden wurde, obwohl er stets seine Unschuld beteuerte. Mehr als 80 Frauen werfen Weinstein sexuelle Übergriffe vor. Die Anschuldigungen gegen den Produzenten, im Herbst 2017 von der New York Times und dem Magazin New Yorker veröffentlicht, waren der Anfang der #MeToo-Bewegung. Überall auf der Welt erkannten Frauen und auch Männer ihre eigenen Geschichten in denen der mutmaßlichen Weinstein-Opfer wieder – sie begannen, diese Geschichten unter dem Schlagwort „#MeToo“(„Ich auch“) zu sammeln.
Die #MeToo-Bewegung hatte das Urteil gegen Weinstein gefeiert – aber auch kritisiert, dass er nicht in allen Anklagepunkten für schuldig befunden wurde. Es blieb am Donnerstag zunächst unklar, welche Auswirkungen die Aufhebung des Urteils haben wird, der in einem Gefängnis im Bundesstaat New York sitzt. Wegen der Verurteilung in Kalifornien wird er nicht auf freien Fuß kommen. (dpa; Foto: Mark Lennihan, dpa)