Neu-Ulmer Zeitung

Bleibt alles anders

Eine Ausstellun­g im Haus der Bayerische­n Geschichte in Regensburg dokumentie­rt den Wandel im Freistaat seit Ende des Zweiten Weltkriegs an umstritten­en Großprojek­ten.

- Von Uli Bachmeier

Regensburg Heute undenkbar, in den 60er-Jahren aber offenbar noch möglich: Ein kerniger Bursch aus Aying in Lederhose und Haferlschu­hen protestier­t mitten in München mit einer doppelläuf­igen Schrotflin­te auf der Schulter gegen einen Großflugha­fen im Hofoldinge­r Forst. Ein Foto, aufgenomme­n am 15. Juli 1967, beweist es. Nicht allein der „Girgl“aus Aying, aber der resolute Protest der selbstbewu­ssten Oberlandle­r war erfolgreic­h. Der Großflugha­fen wurde nicht südlich, sondern nördlich von München im Erdinger Moos gebaut. Er gilt als Erfolgspro­jekt und entscheide­nder Motor für die wirtschaft­liche Entwicklun­g des Freistaats.

Damals Luxus, heute Standard: Grad mal 9600 Kühlschrän­ke mussten 1959 im Gebiet der Lechwerke mit Strom versorgt werden, zehn Jahre später waren es bereits 105.900 – das entsprach damals 81 Prozent aller Haushalte. Wegen des rasant wachsenden Hungers nach elektrisch­er Energie in der Nachkriegs­zeit wurde der Lech vom wilden Fluss zur Kraftwerks­treppe umfunktion­iert. Heute versucht man das zumindest zum Teil zu renaturier­en, um der Ökologie des Flusses wieder zu ihrem Recht zu verhelfen.

Von der Prognose zur Realität: „Der Rhein-Main-Donau-Kanal“, das rasante Wachstum der Städte am Beispiel Regensburg.

Für Richard Loibl, den Direktor des Hauses der Bayerische­n Geschichte, kam es dabei vor allem auf eine Sache an. „Wir nehmen selber nicht Stellung. Die Besucherin­nen und Besucher“, so betonte er beim Eröffnungs­akt, „sollen sich ein eigenes Urteil bilden können.“

Die Experten aus dem Haus der Bayerische­n Geschichte unter Leitung des Augsburger­s Andreas Kuhn hätten sich bei dem Projekt um strikte Neutralitä­t bemüht. Die Meinungen über die Großprojek­te seien schließlic­h schon damals hart aufeinande­rgeprallt. Daran habe sich bis heute nicht viel geändert, sagt Loibl.

Präsentier­t wird in Regensburg nicht nur das Für und Wider der Großprojek­te; die Ausstellun­g ist selbst als Baustelle inszeniert. Wer will, kann sich für den Rundgang einen gelben Helm aufsetzen. Eine 50 Meter umspannend­e Projektion­sfläche bietet in drei kurzen Episoden einen Crashkurs in bayerische­r

Der Rhein-MainDonau-Kanal wurde zum teuren Reinfall.

Die Schau ist selbst als Baustelle inszeniert.

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Foto: Archiv der Gemeinde Aying, Haus der Bayerische­n Geschichte Georg Demmel mit einer Doppelläuf­igen während einer Protestkun­dgebung am 15. Juli 1967.

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