Das „Monsterdach“kommt weg
Vor dreieinhalb Jahren wurde die Straßenbahn Linie 2 eröffnet. Hier ist jetzt eine Erweiterung der Kapazität ein Thema, außerdem nagt der Zahn der Zeit an Linie 1. Ängste vor einem „Verkehrsinfarkt“werden laut.
Ulm Eine Grunderneuerung samt Umbau der Straßenbahnlinie 1 schlägt mit 15,5 Millionen Euro zu Buche. Der auffälligste Part wird sicherlich am Ehinger Tor passieren. Das „Monsterdach“, wie es Stadtrat Martin Rivoir (SPD) im Bauausschuss nannte, kommt weg. Zudem werden die Straßenbahnen länger. Und auch am Donaustadion wird Geld in die Tram gesteckt.
Dass die Infrastruktur der Linie 1 im Bereich der Stammstrecke (Söflingen bis Donaustadion) auf weiten Teilen am Ende ihrer Lebensdauer angekommen ist, betonte der Abteilungsleiter Infrastruktur bei den Stadtwerken, Paul Schiele. Der SWU-Mann nannte in der Sitzung zahlreiche Defizite, die es zu beheben gibt. Von der Haltestelle „Blücherstraße, die mit über 3000 Fahrgästen pro Tag zu den wichtigsten Stopps im SWU-Netz gehört, über die unfallträchtige Kreuzung Elisabethenstraße/Wagnerstraße und die Gleisquerung des Bismarckrings bis hin zum Ehinger Tor.
Die Haltestelle Ehinger Tor ist mit knapp 30.000 Ein- und Aussteigern
täglich – allein im Stadtverkehr – nach dem Hauptbahnhof die zweitwichtigste Haltestelle im SWU-Netz. Schiele beklagte einen schlechten baulichen Zustand. Die wesentlichen Defizite sind beispielsweise:
• Keine Barrierefreiheit, da keine Niederflurhaltestellen und kein durchgehendes Blindenleitsystem. • Bahnsteige sind zu kurz für 43-Meter-Züge, bereits heute sind die Bahnsteige unzureichend.
• Trotz regelmäßiger Instandsetzungsmaßnahmen ist das Dach undicht und nahezu jeden Winter bilden sich größere Eiszapfen.
• Fehlendes Grün
Außerdem friste das Ehinger Tor als Teil der Bundesfestung ein Schattendasein „hinter einem Monsterdach“, wie es Rivoir ausdrückte. Jeder Tag, an dem das Dach früher wegkomme, sei ein guter Tag. Zumal, wie Schiele beklagte, die Aufenthaltsqualität, insbesondere bei Nacht, trotz guter Ausleuchtung, sehr gering sei – wofür das Dach einen nicht unwesentlichen Beitrag leiste.
Das historische Tor erhalte im jetzigen Zustand der Verkehrsachse nicht die Bedeutung, die es städtebaulich verdiene. Das soll sich ändern. Bis zum Jahresende soll per Gestaltungswettbewerb festgelegt werden, wie das Ehinger Tor in Zukunft aussehen soll. Schiele geht davon aus, dass sich die künftigen Überdachungen dem Prinzip des Hauptbahnhofs annähern. Also kleine Dächer, statt ein „Monsterdach“. Nach aktuellem Zeitplan könnte die Baustelle mit einem Rückbau des Daches im Frühjahr/Sommer 2026 starten und bis Ende 2027 abgeschlossen sein. Inwiefern der Teil der Bundesfestung künftig aufgewertet und genutzt wird, ist Teil des Wettbewerbs.
Klar ist nur, dass auch künftig keine Straßenbahnen durch das historische Gemäuer fahren. Diese Variante sei zwar geprüft worden, wurde jedoch schnell wieder verworfen. Ebenso verworfen wurden Varianten, die eine vollständige Verlegung der Haltestelle vor das Hans-und-Sophie-Scholl-Gymnasium oder Universum Center betrachtet haben. Doch es bleibt im Grunde, wie es ist: Das heißt die Steige verbleiben vom Prinzip in ihrer heutigen Lage. Eine möglicherweise später notwendige Leistungserweiterung durch zwei weitere Gleise könnte aber eingerichtet werden. Völlig unabhängig vom möglichen Aufstieg der Kicker des SSV Ulm in die Zweite Bundesliga, wird auch die Wendeanlage samt Haltestellen am Donaustadion auf den neusten Stand gebracht. Hier werden zusätzliche Baukosten in Höhe von etwa 12,5 Millionen Euro fällig. Und zwar neben Gleisarbeiten unter anderem für die Öffnung des Stadionvorplatzes zur Haltestelle, Umbau der Straßenbahnsteige für die längeren 43-MeterStraßenbahnen und den Rückbau der Friedrichsaustraße zur Fahrradstraße. Die SWU versucht die Maßnahme Ehinger Tor mit der Wendeschleife Donaustadion zu bündeln. Als auch für das Land relevante Verkehrsachsen könnte eine Zusammenlegung die Fördergelder erhöhen.
Eine Erneuerung des Stadionvorplatzes ist für die Stadtverwaltung „denkbar“, aber derzeit nicht konkret vorgesehen. Das könnte sich mit dem geplanten „Masterplan“für das Donaustadion im Zuge des Erfolgs des „SSV Ulm 1846 Fußball“ändern.
Die Fußballfans, die im Donaustadion in der kommenden Saison möglicherweise Zweitligafußball sehen, müssen sich, was die Linie 1 angeht, aber noch gedulden: Baubeginn wird vermutlich im Frühjahr 2026 sein.
Einen „hohen zweistelligen Millionenbetrag“wie es Ralf Gummersbach, Geschäftsführer der SWU-Verkehrstochter etwas wolkig ausdrückte, werden die SWU zudem in längere Straßenbahnen stecken. Um die zukünftige Nachfrage insbesondere in den Hauptverkehrszeiten bewältigen zu können, sei ab 2030 (oder auch früher) ein grundsätzlicher Systemwechsel auf 43 Meter lange Fahrzeuge in der gesamten Flotte erforderlich. Durch die Verlängerung steige die Fahrgastkapazität um 38,4 Prozent von derzeit 185 Personen auf 256 Personen je Fahrzeug. Für längere Fahrzeuge müssen aber auch zahlreiche Haltestellen verlängert werden.
Es gibt also mal wieder viel zu (umzu-) bauen in Ulm. Da wurde nicht nur dem FWG-Stadtrat Karl Faßnacht etwas mulmig zumute. „Da müssen wir sauber schaffa“, sagte er in Richtung des städtischen Baustellenmanagements. Denn, so Faßnacht, alles könnte zusammenbrechen. Einen „Verkehrsinfarkt“müsse Ulm tunlichst vermeiden.