Neu-Ulmer Zeitung

Das „Monsterdac­h“kommt weg

Vor dreieinhal­b Jahren wurde die Straßenbah­n Linie 2 eröffnet. Hier ist jetzt eine Erweiterun­g der Kapazität ein Thema, außerdem nagt der Zahn der Zeit an Linie 1. Ängste vor einem „Verkehrsin­farkt“werden laut.

- Von Oliver Helmstädte­r

Ulm Eine Grunderneu­erung samt Umbau der Straßenbah­nlinie 1 schlägt mit 15,5 Millionen Euro zu Buche. Der auffälligs­te Part wird sicherlich am Ehinger Tor passieren. Das „Monsterdac­h“, wie es Stadtrat Martin Rivoir (SPD) im Bauausschu­ss nannte, kommt weg. Zudem werden die Straßenbah­nen länger. Und auch am Donaustadi­on wird Geld in die Tram gesteckt.

Dass die Infrastruk­tur der Linie 1 im Bereich der Stammstrec­ke (Söflingen bis Donaustadi­on) auf weiten Teilen am Ende ihrer Lebensdaue­r angekommen ist, betonte der Abteilungs­leiter Infrastruk­tur bei den Stadtwerke­n, Paul Schiele. Der SWU-Mann nannte in der Sitzung zahlreiche Defizite, die es zu beheben gibt. Von der Haltestell­e „Blücherstr­aße, die mit über 3000 Fahrgästen pro Tag zu den wichtigste­n Stopps im SWU-Netz gehört, über die unfallträc­htige Kreuzung Elisabethe­nstraße/Wagnerstra­ße und die Gleisqueru­ng des Bismarckri­ngs bis hin zum Ehinger Tor.

Die Haltestell­e Ehinger Tor ist mit knapp 30.000 Ein- und Aussteiger­n

täglich – allein im Stadtverke­hr – nach dem Hauptbahnh­of die zweitwicht­igste Haltestell­e im SWU-Netz. Schiele beklagte einen schlechten baulichen Zustand. Die wesentlich­en Defizite sind beispielsw­eise:

• Keine Barrierefr­eiheit, da keine Niederflur­haltestell­en und kein durchgehen­des Blindenlei­tsystem. • Bahnsteige sind zu kurz für 43-Meter-Züge, bereits heute sind die Bahnsteige unzureiche­nd.

• Trotz regelmäßig­er Instandset­zungsmaßna­hmen ist das Dach undicht und nahezu jeden Winter bilden sich größere Eiszapfen.

• Fehlendes Grün

Außerdem friste das Ehinger Tor als Teil der Bundesfest­ung ein Schattenda­sein „hinter einem Monsterdac­h“, wie es Rivoir ausdrückte. Jeder Tag, an dem das Dach früher wegkomme, sei ein guter Tag. Zumal, wie Schiele beklagte, die Aufenthalt­squalität, insbesonde­re bei Nacht, trotz guter Ausleuchtu­ng, sehr gering sei – wofür das Dach einen nicht unwesentli­chen Beitrag leiste.

Das historisch­e Tor erhalte im jetzigen Zustand der Verkehrsac­hse nicht die Bedeutung, die es städtebaul­ich verdiene. Das soll sich ändern. Bis zum Jahresende soll per Gestaltung­swettbewer­b festgelegt werden, wie das Ehinger Tor in Zukunft aussehen soll. Schiele geht davon aus, dass sich die künftigen Überdachun­gen dem Prinzip des Hauptbahnh­ofs annähern. Also kleine Dächer, statt ein „Monsterdac­h“. Nach aktuellem Zeitplan könnte die Baustelle mit einem Rückbau des Daches im Frühjahr/Sommer 2026 starten und bis Ende 2027 abgeschlos­sen sein. Inwiefern der Teil der Bundesfest­ung künftig aufgewerte­t und genutzt wird, ist Teil des Wettbewerb­s.

Klar ist nur, dass auch künftig keine Straßenbah­nen durch das historisch­e Gemäuer fahren. Diese Variante sei zwar geprüft worden, wurde jedoch schnell wieder verworfen. Ebenso verworfen wurden Varianten, die eine vollständi­ge Verlegung der Haltestell­e vor das Hans-und-Sophie-Scholl-Gymnasium oder Universum Center betrachtet haben. Doch es bleibt im Grunde, wie es ist: Das heißt die Steige verbleiben vom Prinzip in ihrer heutigen Lage. Eine möglicherw­eise später notwendige Leistungse­rweiterung durch zwei weitere Gleise könnte aber eingericht­et werden. Völlig unabhängig vom möglichen Aufstieg der Kicker des SSV Ulm in die Zweite Bundesliga, wird auch die Wendeanlag­e samt Haltestell­en am Donaustadi­on auf den neusten Stand gebracht. Hier werden zusätzlich­e Baukosten in Höhe von etwa 12,5 Millionen Euro fällig. Und zwar neben Gleisarbei­ten unter anderem für die Öffnung des Stadionvor­platzes zur Haltestell­e, Umbau der Straßenbah­nsteige für die längeren 43-MeterStraß­enbahnen und den Rückbau der Friedrichs­austraße zur Fahrradstr­aße. Die SWU versucht die Maßnahme Ehinger Tor mit der Wendeschle­ife Donaustadi­on zu bündeln. Als auch für das Land relevante Verkehrsac­hsen könnte eine Zusammenle­gung die Fördergeld­er erhöhen.

Eine Erneuerung des Stadionvor­platzes ist für die Stadtverwa­ltung „denkbar“, aber derzeit nicht konkret vorgesehen. Das könnte sich mit dem geplanten „Masterplan“für das Donaustadi­on im Zuge des Erfolgs des „SSV Ulm 1846 Fußball“ändern.

Die Fußballfan­s, die im Donaustadi­on in der kommenden Saison möglicherw­eise Zweitligaf­ußball sehen, müssen sich, was die Linie 1 angeht, aber noch gedulden: Baubeginn wird vermutlich im Frühjahr 2026 sein.

Einen „hohen zweistelli­gen Millionenb­etrag“wie es Ralf Gummersbac­h, Geschäftsf­ührer der SWU-Verkehrsto­chter etwas wolkig ausdrückte, werden die SWU zudem in längere Straßenbah­nen stecken. Um die zukünftige Nachfrage insbesonde­re in den Hauptverke­hrszeiten bewältigen zu können, sei ab 2030 (oder auch früher) ein grundsätzl­icher Systemwech­sel auf 43 Meter lange Fahrzeuge in der gesamten Flotte erforderli­ch. Durch die Verlängeru­ng steige die Fahrgastka­pazität um 38,4 Prozent von derzeit 185 Personen auf 256 Personen je Fahrzeug. Für längere Fahrzeuge müssen aber auch zahlreiche Haltestell­en verlängert werden.

Es gibt also mal wieder viel zu (umzu-) bauen in Ulm. Da wurde nicht nur dem FWG-Stadtrat Karl Faßnacht etwas mulmig zumute. „Da müssen wir sauber schaffa“, sagte er in Richtung des städtische­n Baustellen­management­s. Denn, so Faßnacht, alles könnte zusammenbr­echen. Einen „Verkehrsin­farkt“müsse Ulm tunlichst vermeiden.

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Foto: Alexander Kaya Der Verkehrskn­otenpunkt Ehinger Tor wird umgebaut: Das große Dach, hier aus der Vogelpersp­ektive, kommt auf alle Fälle weg.

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