Zwei Künstlerpaare und ihre bedeutenden Freunde
Die neue Ausstellung im Edwin-Scharff-Museum widmet sich den Arbeiten zweier Künstlerehepaare, welche die Avantgarde entscheidend mitgeprägt haben. Auch die Werke sehr bedeutender Maler sind in der Schau zu sehen.
Neu-Ulm Welch eine qualitätvolle Ausstellung! Unter dem Titel „Gemischtes Doppel – die Molls und die Purrmanns“zeigt das EdwinScharff-Museum Werke zweier Berliner Künstlerehepaare vom Anfang des 20. Jahrhunderts, die das Entstehen der europäischen Avantgarde entscheidend mitgeprägt haben, sowie Werke aus dem Umfeld der eng befreundeten Paare, zu dem so große Namen wie Lovis Corinth, Max Liebermann und Henri Matisse gehörten.
Das Leben der beiden Paare Margarete (geborene Haeffner) und Oskar Moll, die großbürgerlichem Milieu entstammten, und das von Mathilde VollmoellerPurrmann und Hans Purrmann – großbürgerlich sie, er in eine Malerfamilie hineingeboren – scheint wie ein Kinofilm über das beginnende 20. Jahrhundert: Vier Künstlerpersönlichkeiten, gut situiert, verkehren in namhaftesten Künstlerkreisen, können sich mit diesen durchaus messen und spielen sich gegenseitig die Bälle zu. Daher der an den Tennissport angelehnte Name der von Roman Zieglgänsberger kuratierten Ausstellung.
Spannend sind nicht nur herausragende Exponate und ihre Hintergründe von den vier Künstlern selbst, sondern auch, dass die Ausstellung sie in Beziehung stellt zu Werken von Lovis Corinth und Henri Matisse. So macht sie Einflüsse, Entwicklungen und Zusammenhänge deutlich.
Bei einer gemeinsamen Reise nach Korsika malten die Vier Staffelei an Staffelei. Aber ohne Konkurrenz unter Mann und Frau und unter den Paaren geht eine derart enge Künstlerbeziehung nicht ab, sodass Margarete Moll – einzige Bildhauer-Schülerin von Henri Matisse – sich auf die Bildhauerei konzentrierte und dabei ihrer Zeit weit voraus griff. Mit den Geschlechterrollen ihrer Zeit gingen beide Künstlerinnen verschieden um: Während die selbstbewusste Margarete Moll trotz zweier Töchter ihre Karriere weiterverfolgte, malte Mathilde Purrmann, die ursprünglich wahrscheinlich progressivste unter den Vieren, zwar auch nach der Geburt ihrer drei Kinder, zog sich aber aus dem Ausstellungsbetrieb zurück. Beide Paare, die 1908 in Paris gemeinsam die Académie Matisse gründeten, waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts Teil einer Bewegung, die dem
Impressionismus in Deutschland zu mehr Expressivität verhalt. Die enge Freundschaft mit Matisse veränderte den Stil der vier Künstlerpersönlichkeiten – hin zu einem „Farbengewitter“, wie Museumschefin Helga Gutbrod sagt, hin auch zu anderen Perspektiven und Bildausschnitten. Ein Raum des Edwin-Scharff-Museums ist komplett der Aktmalerei gewidmet. Dort ist auch Hans Purrmanns Bronzeskulptur eines selbstbewusst daher schreitenden nackten Mannes zu sehen, die der Künstler angelehnt an Henri Matisses „Der Sklave“und doch in ganz anderem Duktus schuf. Nahezu vergleichend hängen nebeneinander der intime Moment der morgendlichen Wäsche, bei der Lovis Corinth seine eigene Frau malte, und Hans Purrmanns „Morgentoilette“eines Bergarbeiters.
Unter den gezeigten Werken sind etwa Porträts, die Lovis Corinth
von Oskar und Margarete Moll schuf, und da ist auch jene Skulptur, die beim Berliner Trümmerschutt-Skulpturenfund des Jahres 2010 das wohl außergewöhnlichste der ausgegrabenen Werke der klassischen Moderne war: „Die Tänzerin“, von Margarete Moll 1930 geschaffen und von den Nationalsozialisten in dem Film „Venus vor Gericht“zur Propaganda gegen „entartete Kunst“missbraucht, ist bereits kubistisch. Die Werke galten als verschollen. Die Nationalsozialisten hatten sie als „entartete Kunst“aus Museen beschlagnahmt und im Reichspropagandaministerium gelagert, das bei der Bombardierung Berlins unterging. Die Berliner Wohnsitze wurden bei den Bombardements ebenfalls zerstört. Zu diesem Zeitpunkt lebte Mathilde VollmoellerPurrmann bereits nicht mehr, Oskar Moll starb bald nach Kriegsende. Hans Purrmann lebte bis zu seinem Tod am Luganer See, Margarete Moll starb 92-jährig 1977 in München.
> Info: Zur Ausstellung, die bis zum 18. August läuft, gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm, das unter www.edwinscharffmuseum.de einzusehen ist.