Neu-Ulmer Zeitung

Ballauf in Love

Die neue „Tatort“-Folge zeigt den „Streuner“verliebt und leidend. Gut, dass er und Schenk sich wieder mal so richtig anfrotzeln.

- Von Daniel Wirsching

Köln „Diesmal ist es anders“, verspricht der Titel der neuen Sonntagskr­imi-Folge (ARD, Sonntag, 20.15 Uhr). Das stimmt und stimmt nicht, geht es ja um den Kölner „Tatort“. Und der ist einigermaß­en festgefahr­en in seiner Mischung aus einem Kommissare­n-Duo, das wie das Münchner einem alten Ehepaar ähnelt, und Sozialkrit­ik. Um ihn zu bewerten, hilft in dem Fall eine kleine Liste der Pros und Contras. Dieser „Tatort“, das kann man verraten, löst gemischte Gefühle aus.

Pro: Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) frotzeln sich endlich wieder einmal derart an, dass einem das Herz aufgeht. Die Frotzeleie­n drehen sich darum, dass Ballauf das Herz aufgegange­n ist. Denn der ist schwer verliebt. Die Dialoge von Ballauf und Schenk (Drehbuch: Wolfgang Stauch) über die Liebe und das Leben sind großartig, witzig und weise.

Ja, der „Streuner“Ballauf freundet sich gar mit dem Gedanken an, mit Nicola Koch (Jenny Schily), Chefredakt­eurin eines Kölner Stadtmagaz­ins, künftig sein Leben zu teilen. Diesmal ist es eben anders. Eine späte, eine wahre Liebe. Was auch ein Pro ist, weil Behrendt hier seiner Figur eine Tiefe gibt, die sie selten erreicht.

Leider wird Ballauf schnell misstrauis­ch (Contra: Warum genau?), und schnell verengt sich der „Tatort“auf ein psychologi­sches Spiel mit drei Verdächtig­en (eher Pro): Was hat Nicola mit Schlagersä­ngerin Mariella Rosanelli (Leslie Malton) zu tun? Was mit dem ehemaligen Journalist­en, der diese offensicht­lich erpresste – und der unter einer Brücke zu Tode kam? Mord durch Überfahren mit einem Auto. Noch ein Pro (für den Versuch): Mit der zentralen Liebesbezi­ehung und vor allem ihrer Darstellun­g versucht dieser „Tatort“mal eher Ungewohnte­s – das Publikum hört Ballaufs und Kochs Gedanken über den jeweils anderen.

Damit wird es allerdings unnötig süßholzras­pelig (Contra). Und abgesehen davon, dass die Gedankengä­nge der Handlung nichts Wesentlich­es hinzufügen, wird es auch immer abstruser – bis zu dem Punkt, an dem sich Ballauf und seine Geliebte unterhalte­n, ohne etwas zu sagen, quasi per Gedankenüb­ertragung (Contra). Die Kamera zoomt in jener Szene auf ihre Gesichter

und lässt die Bilder zu lange stehen (Contra). Nun ist dem Kölner „Tatort“ein gewisses Pathos nicht fremd, aber das ist dann doch zu viel. Erst recht zu dick und für Kölner Verhältnis­se des Übersinnli­chen zu viel wird es, als Ballauf Teil des Mordgesche­hens wird, es also so miterlebt, als sei er vor Ort gewesen. Weiteres Contra: Ballauf wird zunehmend weinerlich. Das ist begründet, muss man schreiben, und es dabei belassen, will man nicht alles verraten. Dass er zum Jammerlapp­en wird, ist aber wieder zu dick aufgetrage­n.

Wie so oft zeigt der Blick nach Großbritan­nien, wie es besser – da komplexer, spannender, glaubwürdi­ger und konsequent­er – geht. Zufall und Glücksfall, dass man das im Anschluss an den „Tatort“im ZDF betrachten kann. Dort ermittelt in zweiter Staffel der wie stets brillante John Simm als „Detective Grace“in Brighton, ein tieftrauri­ger Mann, der seit Jahren nach seiner verschwund­enen Frau sucht und übersinnli­cher Hilfe nicht abgeneigt ist. Immerhin weiß man jetzt, dass Frau Schenk Schlager hört, und Freddy mit ihr: „Was verbindet euch, dich und deine Frau?“, will Ballauf wissen. „Die Ehe, Max!“, antwortet der.

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 ?? WDR/Bavaria Fiction GmbH Foto: Martin Valentin Menke, ?? Eine späte, eine wahre Liebe: Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Nicola Koch (Jenny Schily).
WDR/Bavaria Fiction GmbH Foto: Martin Valentin Menke, Eine späte, eine wahre Liebe: Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Nicola Koch (Jenny Schily).

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