Ist die 26-Minuten-Vorgabe noch sinnvoll?
Österreich veröffentlicht ein Konzept für ein Zielnetz 2040, dadurch würden sich Züge in Salzburg und München verschieben. Was das für die neue ICE-Strecke bedeuten könnte.
Günzburg/Ulm/Augsburg Von 41 auf 26 Minuten muss die Fahrzeit der ICEs zwischen Ulm und Augsburg reduziert werden – diese Zeitvorgabe bestimmt die Planung eines bis zu 300 Stundenkilometer schnellen ICEs auf einer Neubaustrecke durch die Region. Schon seit Beginn des Projekts kritisieren Anwohnerinnen und Anwohner und Bürgerinitiativen die 26-Minuten-Vorgabe. Unter anderem gehen diese davon aus, dass die Trasse, die frühestens Mitte der 2040er-Jahre fertig wäre, nur einen minimalen Fahrgastzuwachs erzielen würde und keinen Nutzen für den Klimaschutz hätte. Jetzt gibt es eine Entwicklung in Österreich, die den Bürgerinitiativen einen weiteren Grund gegen die vorgegebene Fahrzeit liefert. Dafür hat Herbert König, Verkehrsexperte und früherer Chef des Augsburger Verkehrsverbunds, eine Berechnung aufgestellt.
Ursprünglich gab es zwei Argumente für die 26 Minuten: Zum einen sollten im Deutschlandtakt „integrale Taktknoten“ermöglicht werden. Das bedeutet: Fernzüge sollten jeweils kurz vor der Knotenzeit, nämlich den Minuten 00 und 30 oder auch 15 und 45 im Bahnhof eintreffen und kurz nach der Knotenzeit abfahren, sodass optimale Übergänge entstehen. Zum anderen sollten in München Hbf. jeweils optimale Anschlussverbindungen von und nach Österreich/Italien und Südosteuropa ermöglicht werden.
Die Argumente für die 26-Minuten-Vorgabe „zerplatzen nun wie Seifenblasen“, wie die Bürgerinitiative Schwabentrasse (Bischt) in einer Pressemitteilung schreibt. „Schon mit dem finalen Fahrplanentwurf des Deutschlandtakts wurde klar, dass es mit den 26 Minuten gerade keinen integralen Taktknoten in Augsburg geben wird.“Vor wenigen Tagen sei dann „der zweite Hammer“gekommen, wie es Bischt nennt: Österreich hat sein neues Konzept für den landesweiten Taktverkehr 2040 veröffentlicht. Die Alpenrepublik wird mit Ausbaumaßnahmen die Strecke Linz-Salzburg so beschleunigen, dass sich der Taktknoten Salzburg um 15 Minuten verschiebt. In der Folge verschieben sich auch Ankunftsund Abfahrtszeiten in München Hbf. „Das erfordert Änderungen im Deutschlandtakt“, so die Initiativen: Unter der Annahme von 26 Minuten Fahrzeit zwischen Ulm und Augsburg habe sich für die
ICEs des schnellen Halbstundentakts (Mannheim-)Stuttgart-München bisher eine Abfahrt in München zu den Minuten 25 und 55 und eine Ankunft zu den Minuten 05 und 35 ergeben. Diese Zeiten seien nicht mehr kompatibel zu den neuen Knotenzeiten für den ÖsterreichVerkehr. Kurz gesagt: „Die ICEs würden immer kurz vor Eintreffen der Fernzüge aus Österreich abfahren und kurz nach deren Abfahrt eintreffen.“
Verkehrsexperte König will berechnet haben, bei welcher Fahrzeit zwischen Ulm und Augsburg sowohl ein Taktknoten in Augsburg als auch beste Anschlüsse in München zum Österreich-Takt möglich wären. Sein Ergebnis: Mit einem ICE, der etwa 38 Minuten braucht, (zwei bis drei Minuten schneller als heute) wäre beides möglich: In Augsburg ergäben sich „jeweils optimale Abfahrts- und Ankunftszeiten“für einen integralen Taktknoten
um die Minuten 15 und 45, mit Abfahrten der ICEs Richtung Stuttgart zu den Minuten 16 und 46, Ankünften von Stuttgart zu den Minuten 14 und 44. Und: In München würden die ICEs Richtung Stuttgart dann jeweils zu den Minuten 13 und 43 abfahren und zu den Minuten 17 und 47 ankommen. Damit wären „optimale Übergänge zu und von den Österreich-Zügen mit jeweils etwa 15 Minuten Umsteigezeit erreichbar“. Auch der zweistündige TGV von/nach Paris würde bei circa 38 Minuten Ulm-Augsburg mit Ankunft in München dann zu Minute 20 und Abfahrt zu Minute 40 gute Anschlüsse nach/von Österreich erhalten, mit Umsteigezeiten von jeweils etwa 12 Minuten.
Der Bischt-Vorsitzende Jürgen Zimmermann meint: „Das Bundesverkehrsministerium hat zu Recht immer wieder betont: Der Fahrplan bestimmt den Infrastrukturausbau: Nicht so schnell wie möglich ist das
Ziel, sondern eine optimale Verknüpfung in den Knoten.“Das sei richtig und müsse konsequenterweise zu Korrekturen führen. Verkehrswirtschaftler König sagt: „Eine optimale Fahrzeit von circa 38 Minuten zwischen Augsburg und Ulm braucht keine durchgehende Direttissima mit teuren Brücken und auch nicht 300 km/h Höchstgeschwindigkeit.“Eine dafür nötige Fahrzeitverkürzung von rund drei Minuten lasse sich mit einfachen, wesentlich kostengünstigeren und schonenderen Maßnahmen erreichen. „Davon hätte dann auch der Nahverkehr, der mir als Gründungsgeschäftsführer des AVV besonders am Herzen liegt, einen wichtigen Vorteil, nämlich viel schneller erste Verbesserungen“, so König. Die Deutsche Bahn widerspricht der Annahme, der österreichische Zielfahrplan könnte den Deutschlandtakt und somit das Bahnprojekt ins Wanken bringen.
Die DB verweist darauf, dass der Deutschlandtakt auf ein Taktgefüge für die Bundesrepublik zielt. „Der Grund liegt darin, dass die allermeisten Reisenden innerhalb Deutschlands unterwegs sind und dabei künftig von guten Anschlüssen und insgesamt kurzen Fahrzeiten profitieren sollen. Dies hat der Bund so beschlossen“, teilt eine Sprecherin mit. Nach Kenntnisstand der DB hat Österreich „eine Vision“für die Entwicklung des nationalstaatlichen Bahnverkehrs im Nachbarland vorgestellt. Inwieweit diese Vision eines Tages Wirklichkeit werden kann, könne die DB nicht beurteilen. „Der Versuch der Bürgerinitiative, diese Vision als Tatsache darzustellen, ist unseres Erachtens nicht hilfreich. Eine Schlussfolgerung daraus zu ziehen, dass der gesamte Deutschlandtakt deswegen infrage gestellt werden müsste, ist völlig abwegig“, so die Sprecherin des Konzerns. (mit AZ)