So sah es wohl in der alten Ulmer Synagoge aus
Eine 103-Jährige hat das Innere der zerstörten Synagoge aus ihrem Gedächtnis rekonstruieren lassen. Das Bild gehört nun dem künftigen Museum „Die Einsteins“.
Ulm Das künftige Museum „Die Einsteins“, das am 4. Juli eröffnet wird, ist um ein wichtiges Exponat reicher – und um ein kostenloses dazu: Ann Dorzback, 1921 in Ulm als Anneliese Wallersteiner geboren, schenkte der Stadt Ulm die aus ihrer Erinnerung entstandene einzige Innendarstellung der in der Reichspogromnacht und den Folgetagen zerstörten Ulmer Synagoge des 19. Jahrhunderts.
Ann Dorzback, die in den USA lebt und zu ihrem 100. Geburtstag mit der Ulmer Bürgermedaille ausgezeichnet worden ist, engagiert sich auch mit fast 103 Jahren noch – an ihrem Wohnort Louisville in Kentucky, aber auch für die Stadt Ulm. Sabine Presuhn, Leiterin des künftigen Museums „Die Einsteins“,
teilte ihr mit, dass sich Ulmer Schülerinnen und Schüler 2006 anhand von Plänen der zerstörten Ulmer Synagoge Gedanken über deren Innenausstattung gemacht hatten.
Das nahm Ann Dorzback als Arbeitsauftrag für sich an. Weil es zwar eine ganze Menge Dokumente gibt, die diese am 12. September 1873 eröffnete Synagoge von außen zeigen, aber keines aus dem Inneren, gab sie dem Künstler Thomas Pfannerstill den Auftrag für ein Gemälde auf Birkenholz, das nun das Innere der Synagoge aus der Erinnerung Ann Dorzbacks zeigt. Sie war 17 Jahre alt, als sie letztmals dieses Gotteshaus besuchte.
Die Richtung des Blicks geht zum Thoraschrein. Die Orgel, welche die größtenteils liberale und im 19. Jahrhundert fast 700 Personen
umfassende jüdische Gemeinde Ulms in die Synagoge hatte einbauen lassen, ist nicht zu sehen. Sie befand sich wohl auf einer Empore
gegenüber der Wand mit der Heiligen Lade, welche die Thorarollen enthielt. Ann Dorzback lieferte auch genaue Beschreibungen ab, beispielsweise, wer wo in der Synagoge saß: Links waren die Bänke für unverheiratete Frauen über 17 Jahren, wobei Schülerinnen zwischen sieben und 17 Jahren in den ersten Bänken saßen. Auf der rechten Seite gab es die genau gleiche Sitzordnung für unverheiratete Männer ab 17 Jahren und für Schüler. Zwei Sitzreihen auf den Emporen waren für verheiratete Frauen reserviert, während die Männer auf den Bänken unten ihre festen Sitzplätze hatten.
Auf dem Gemälde ist zu sehen, dass die Sitze der Frauen auf den Emporen gepolstert waren und blaue Bezüge hatten. Auch die Buntglasfenster der Synagoge sind herausgearbeitet. Mit diesem Geschenk wird das Museum „Die Einsteins“die einzige Abbildung haben, die eine Vorstellung der alten Ulmer Synagoge gibt.