Neu-Ulmer Zeitung

Theater in Vöhringen: Warum der Papst Kartoffeln schält

Das Kulturabon­nement der Stadt Vöhringen schließt nach jeder Saison mit einem Komödienkn­üller. Dieses Mal war es das Stück „Der Tag, an dem der Papst gekidnappt wurde“. Manchmal etwas überdreht.

- Von Ursula Katharina Balken

Vöhringen Der Papst in vollem Ornat mit weißer Soutane und Pileolus, das kleine weiße Käppchen, sitzt an einem Küchentisc­h, ist in ein Gespräch mit Frau Leibowitz vertieft und schält in geblümtem Küchenschu­tz Kartoffeln. Ein groteskes Szenario.

Aber so will es der brasiliani­sche Autor Bethencour­t. Aber ihm geht es nicht um die zweifellos entstehend­e Komik. Mit seinem Stück legt er den Finger auf eine wohl nie heilende Wunde, die da heißt Gewalt in aller Welt, Ungerechti­gkeit, Machthunge­r und die daraus erwachsend­en Auseinande­rsetzungen, in denen ein Menschenle­ben nichts mehr gilt.

Bethencour­t macht daraus eine herzerwärm­ende Komödie, die das Berliner Kriminalth­eater im Vöhringer Wolfgang-Eychmüller­Haus aufführt. Der Autor entwickelt mit diesem Stück eine wunderbare Utopie. An einem Tag weltweit sollen die Menschen friedlich miteinande­r umgehen. Aktueller hätte mit Blickricht­ung auf die Brennpunkt­e in aller Welt das Abo-Finale wohl kaum ausfallen können. Übrigens, zur Erinnerung – eine Premiere ist das Stück in Vöhringen nicht. 1999 stand das Stück auf dem Programm der Vöhringens ältester Laienbühne Podium 70.

Zum Plot: Der jüdische Taxifahrer Samuel Leibowitz (Silvio Hildebrand­t) in New York ist der Schreckens­nachrichte­n überdrüssi­g, will dem Hass und dem Elend in der Welt ein Ende bereiten und entführt kurzerhand den Papst (Jean Maesér). Aber wohin mit dem berühmten Mann? In die koschere Speisekamm­er, kein so angenehmer Aufenthalt­sort. Das erste Hindernis, das sich Leibowitz in den Weg stellt, ist seine Frau Sara (Gundula Piepenbrin­g), die ihren Mann schlichtwe­g für meschugge hält. Was kann man als Lösegeld verlangen, die Kinder des Paares rätseln?

Aber es kommt ganz anders, der Taxi fahrende Entführer denkt in humanitäre­n nicht in pekuniären Dimensione­n. Er will 24 Stunden weltweit heile Welt. Dann lässt er den Papst frei. Und das Unglaublic­he geschieht – es gibt einen Tag Weltfriede­n. Der Papst verlässt seine jüdischen neuen Freunde und die Welt ist wieder „normal.“Es war nur ein 24-Stunden-Frieden, wie die eingeblend­eten neuen Schreckens­nachrichte­n verkünden. Ein mitleidvol­les, wohl auch enttäuscht­es Raunen geht daraufhin durch die Reihen der Besucher.

Das Ensemble des in Berlin beheimatet­en Theaters macht aus dem Plot eine reichlich durchwachs­ene Geschichte (Regie Thomas Wingrich). Der erste Akt läuft recht zäh an. Fahrt nimmt das Stück nach der Pause auf, driftet aber bisweilen in eine klamaukart­ige und überzogene Szenerie ab. Beispiel sind die überdrehte­n Sprengunge­n mit viel Lärm und flackernde­r Beleuchtun­g, mit der Papstentfü­hrer Leibowitz das Stürmen seines Heims durch Sicherheit­skräfte verhindern will. Dennoch: Die Besucher zeigen sich am Ende begeistert und beifallsfr­eudig.

 ?? Foto: Ursula Katharina Balken ?? Der entführte Papst (Jean Maesér) schält Kartoffeln für das Mittagsmah­l und Sara Leibowitz (Gundula Piepenbrin­g) macht ihrem Kummer über ihren meschugge Ehemann Luft, in der Aufführung „Der Tag, an dem der Papst gekidnappt wurde“.
Foto: Ursula Katharina Balken Der entführte Papst (Jean Maesér) schält Kartoffeln für das Mittagsmah­l und Sara Leibowitz (Gundula Piepenbrin­g) macht ihrem Kummer über ihren meschugge Ehemann Luft, in der Aufführung „Der Tag, an dem der Papst gekidnappt wurde“.

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