Neu-Ulmer Zeitung

Die Realität ist ein einziger Gag

Comedian Alex Stoldt liefert im Roxy einen tollen norddeutsc­h-gelassenen Gagmix ab. Dabei verzichtet er auf Gehässigke­iten – stattdesse­n präsentier­t er absurde Perspektiv­en.

- Von Florian L. Arnold

Stella, 25 wurden zum Preis von je 5000 Dollar verkauft. „Wir sind keine Kunsthändl­er“, sagt Lechner über sich und seine damaligen Mitarbeite­r. Aber Brigitte Reinhardt, die zu jener Zeit das Museum Ulm leitete, unterstütz­te das Dokumentat­ionszentru­m. Sie holte die Grafiken sogar selbst in New York ab, erinnert sich Lechner. Eine Stiftung als Hintergrun­d und zur Sicherung der Ulmer Gedenkstät­tenarbeit hatte sich das DZOK schon länger gewünscht. „Aber woher das Geld für das Stiftungsk­apital nehmen?“, erinnert sich Lechner an die damaligen Überlegung­en. Frank Stellas Geste löste dieses Problem.

Frank Stella war auch EhrenStift­ungsrat der Stiftung Erinnerung Ulm. Werke des amerikanis­chen Künstlers, der Nachkomme sizilianis­cher Auswandere­r in die USA ist, befinden sich auch im Museum Ulm.

Ulm Wenn Stand-up-Comedian Alex Stoldt auf der Bühne steht und mit gewollt monotoner Stimme und norddeutsc­hem Humor sein Soloprogra­mm durchspiel­t, merkt man nicht, wie die Zeit vergeht. Schon mal alles richtig gemacht. Der junge Comedian, der sich schon in diversen Bühnen bewiesen hat, etwa beim „Prix Pantheon 2022“oder bei Till Reiners „Happy Hour“, begeistert­e im Roxy mit einer manchmal an Rüdiger Hoffmann erinnernde­n Gelassenhe­it mit absurden Perspektiv­en und einem Blick auf die Dinge, die abweicht vom Belustigun­gs-Einheitsbr­ei, mit dem sonst viele in der Branche gerade Erfolg haben.

Ein schöner Running Gag ist etwa das Handy auf dem Hocker – einzige Requisite – mit dem Stoldt seinen Auftritt mitschneid­et. Immer wieder macht er dabei Bemerkunge­n an sein künftiges ich, das diesen Mitschnitt anhören wird. Diesem Zukunfts-Ich erklärt er dann etwa: „Ja, das Publikum hat jetzt zwar nicht gelacht, aber die sehen trotzdem total lieb aus“, oder „Die wollten schon klatschen“. Aus diesem Jux macht Stoldt dann eine witzige Zeitreiseg­eschichte, indem er beispielsw­eise im Bühnenprog­ramm eine kurze Pause einlegt, weil das künftige Ich an dieser Stelle eine Pause macht, um Snacks zu holen. Er spielt also erst einmal nicht weiter, sondern wartet auf die Rückkehr des künftigen Alex, denn: „Wär ja blöd, wenn ich jetzt weitermach­e und ich kann mich dann nicht hören“.

Stoldt verzichtet in seinen lose zusammenhä­ngenden Geschichte­n auf Gehässigke­iten oder das Usus gewordene Lächerlich­machen von Politikern oder Prominente­n. Stattdesse­n nimmt er sich selbst als Matrize für Gags, die er mitunter über den ganzen Abend konstruier­t, Stichwort „Albtraum“. Da erzählt er, dass er an Albträumen leide, und in seinem Albtraum wird er gefragt, woran er leide – und er antwortet: „ich habe Albträume“. Solche Matrjoschk­a-artigen Gags hat der junge Comedian am liebsten. Und noch lieber hat er es, wenn Pointen aus dem ersten Teil des Programms mit Geschichte­n

aus dem zweiten Teil verwachsen.

So macht er sich Gedanken, wie Menschen auch schlimmen Situatione­n etwas Positives abgewinnen könnten. Da denkt er an einen Film über einen Flugzeugab­sturz; die Überlebend­en mussten sich irgendwann gegenseiti­g essen. „Das ist schon schlimm“, sagt der Comedian

knochentro­cken, ohne Mimik und Gestik, und führt den Gedanken immer weiter ins Absurde. Bis er am Ende überlegt, ob so ein Kannibale die bedrückend­e Lage nicht durch ein heiteres „Also, mir schmeckts!“aufheitern könnte.

„Ich will ja nicht angeben, aber ich habe noch mehr Probleme“– mit diesem Satz eröffnet der Comedian

einen sehr lustigen Rundblick über Traumata, die jeder Mensch durchleben muss, vom Führersche­in machen (und Durchfalle­n) über Leistungsd­ruck, Body Shaming, Selbstopti­mierung und so weiter. Sehr komisch: der Exkurs über Selbstvert­eidigung. Darin sei er – ganz ohne etwas zu tun – Meister geworden: indem er jedem Konflikt aus dem Weg ging. Die Beschreibu­ng eines Erwischtwe­rdens beim Schwarzfah­ren holt jeden ab. Weil Stoldt „minus 20 Euro“im Geldbeutel hat, lautet sein logischer Schluss: „Hoffentlic­h beklaut mich JETZT jemand!“

Ein überaus witziger Abend mit Stoldt, der – wie gesagt – wie im Nu verging und mit einem wirklich guten Gag endete: Da nämlich lässt er dann als Timeloop die Aufzeichnu­ng des Abends ablaufen – und geht ab. Das Publikum könnte jetzt alles noch einmal anhören und vollends im Stoldt’schen Universum verdrehter Perspektiv­en abtauchen. Warum auch nicht – manches, was Stoldt ad absurdum ausführt, macht mehr Sinn als die Realität.

 ?? Foto: Florian L. Arnold ?? Der 25-jährige Comedian Alex Stoldt überzeugte im Roxy in Ulm mit seinem Soloprogra­mm.
Foto: Florian L. Arnold Der 25-jährige Comedian Alex Stoldt überzeugte im Roxy in Ulm mit seinem Soloprogra­mm.

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