Windhager-Pleite wird zum Wirtschaftskrimi
Bis Ende Mai muss der Insolvenzverwalter eine Lösung für das von der Abwicklung bedrohte Heizungsunternehmen finden. Hinter den Kulissen läuft ein hartes Ringen.
Gersthofen Die Verwunderung war groß, als Anfang des Jahres erst Windhager Zentralheizungen in Österreich und im März auch die Tochter in Deutschland Insolvenz anmelden musste: ein Heizungsbauer pleite, mitten in der Energiewende? Windhager ist ein traditionsreicher Hersteller von Heizkesseln für erneuerbare Energien. In den vergangenen Jahren hatte sich das Unternehmen auf Pelletheizungen spezialisiert – und dabei wohl verkalkuliert.
Als ein Grund für das Scheitern Windhagers gelten die Turbulenzen auf den Energiemärkten nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine. Damals stieg aufgrund der Unsicherheit in der Bevölkerung der Preis für Pellets so rasant, dass das Interesse an Pelletöfen einbrach. Mit dem Chaos rund um das Heizungsgesetz flachte dann auch noch das Interesse an Wärmepumpen ab. Parallel dazu hatte der österreichische Konzern massiv in ein neues Wärmepumpenwerk in Pinsdorf (Salzkammergut) investiert. Kurz bevor die fast 100-Millionen-Euro teure Fabrik fertig war, meldete Windhager Insolvenz an.
Zwei Monate später folgte die deutsche Tochter. Kaum hatte diese Insolvenz angemeldet, verlor sie binnen zehn Tagen auch den digitalen Kontakt zur Außenwelt: Mails, Telefone, Applikationen, nichts ging mehr. „Bis heute arbeiten wir mit einem instabilen Netz, nutzen Zettel und Stift. Sämtliche Daten sind weg“, berichtete ein Mitarbeiter unserer Redaktion in der vergangenen Woche.
Für Windhager in Österreich ist mittlerweile eine Lösung gefunden. Eine Gesellschaft des österreichischen Wasseraufbereitungsunternehmens Best Water Technology (BWT) hat das Unternehmen übernommen. Nach der Rettung der österreichischen Mutter wuchs auch am deutschen Hauptstandort in Gersthofen die Hoffnung auf eine rasche Lösung. Was der Insolvenzverwalter Georg Jakob Stemshorn von der Kanzlei Pluta und die Mitarbeitenden seit März erleben, erinnert jedoch eher an einen Wirtschaftskrimi, an dessen Ende kein Happy End steht.
Die deutsche Windhager Zentralheizung GmbH war für den Vertrieb und das Servicegeschäft in Deutschland verantwortlich – und damit für rund 150.000 Anlagen. Diese werden vom Sitz in Gersthofen und den weiteren Standorten in Niedersachsen sowie in Sachsen betreut. Stemshorns Ziel ist, eine Investorenlösung für dieses Geschäft zu finden. Doch das gestaltet sich schwierig. Denn die Ersatzteilversorgung und die IT der deutschen Firma lagen in den Händen des Mutterkonzerns.
Das sorgte zuletzt für große Probleme und Dutzende Beschwerden aus ganz Deutschland. Denn Windhager war weder erreichbar – noch konnten etwa per Fernwartung Fehler analysiert oder behoben werden. So seien bei einem Kindergarten tagelang die Heizungen ausgefallen, sagt der Insider unserer Redaktion. Ein Betrieb,
der auf Heißwasser angewiesen war, musste die Produktion einstellen. „Wir können seitdem fast nichts mehr tun“, erklärt ein Windhager-Techniker voller Frust. Dann verschwand die Homepage. Wer jetzt die Firma Windhager sucht, wird zu „BHT Deutschland GmbH – einem Unternehmen der Windhager Gruppe“weitergeleitet. Die BWT, der Käufer des Mutterkonzerns in Österreich, hat eine neue Vertriebsgesellschaft für Deutschland gegründet, die BHT Deutschland. Und diese Firma hat nun kein Interesse an Konkurrenz beim Vertrieb der Windhager-Heizungen in Deutschland.
BHT steht für Best Heating Technology. Sitz ist in Schriesheim, Deutschland. Aus Österreich erklärt eine Sprecherin der neuen Eigentümer auf Anfrage: „Sämtliche Markenrechte und auch die ITRechte (inklusive der Domain) standen im Eigentum der österreichischen Windhager-Gesellschaften und wurden von der BHT (Best Heating Technology) Holding GmbH aus den österreichischen Insolvenzverfahren erworben.“Mit anderen Worten: Die frühere deutsche Windhager-Vertriebsgesellschaft steht nun ziemlich nackt da.
Dies alles macht es für Insolvenzverwalter Stemshorn nicht leicht. „Seit der Anordnung des Verfahrens Mitte März läuft der Geschäftsbetrieb unter schwierigen Rahmenbedingungen weiter. Wir führen Gespräche mit potenziellen Investoren, aber die Voraussetzungen im Investorenprozess sind sehr schwierig. Wir haben noch kein Kaufangebot erhalten. Die
Zeit drängt, da wir bis Ende Mai eine Lösung brauchen.“
Unter der neuen Homepage windhager-deutschland.com ist die bisherige Zentrale in Gersthofen inzwischen wieder erreichbar. Das allein hilft nicht: Eine Fortführung des Betriebs sei aus wirtschaftlichen Gründen ohne Investor nicht möglich, betont Stemshorn. Ein Insolvenzverwalter dürfe keine Verluste machen. Die Sprecherin der neuen Eigentümer aus Österreich sagt, man habe auch über die Übernahme der deutschen Windhager Zentralheizung GmbH gesprochen. Es sei jedoch keine nachhaltige Lösung gefunden worden – beziehungsweise sei eine „vernünftige Zusammenarbeit seitens des Insolvenzverwalters der deutschen Windhager Zentralheizung GmbH nicht gewünscht“. Dem widerspricht Stemshorn entschieden.
Derweil ist das bislang 80-köpfige Team von Windhager Gersthofen um zwei Drittel geschrumpft. „Die meisten haben einen neuen Arbeitgeber: BHT“, sagt eine Mitarbeitende. Die Betroffenen pendeln jedoch nicht nach Schriesheim, sondern bleiben im Homeoffice. Auch das nährt den Verdacht, dass Weissenbacher nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach den Räumen in Gersthofen greift. Für die Kundschaft wäre eine Übernahme durch BHT vermutlich das Beste.
Für den Rest des Teams, der bis zum Schluss durchhalten will, sind die vergangenen Wochen ein Albtraum. „Es fühlt sich an, als würde uns alle jemand an die Wand fahren und dann unser Geschäft ohne uns von vorn anfangen. Das versteht niemand“, sagt einer. „Am 31. Mai ist alles vorbei“, sagt eine Mitarbeiterin mit Tränen in den Augen. „Dann sperr’ ich ab und das war’s.“
Das Mutterunternehmen ist bereits verkauft.