Neu-Ulmer Zeitung

Ein Rückschlag für die Kinolandsc­haft?

Mit der Lichtburg verliert Ulm eines von drei Arthauskin­os und ein großes Stück Kinotradit­ion. Betreiber Roman Sailer erklärt, wie die Schließung kompensier­t werden soll.

- Von Franziska Wolfinger

Ulm Es schwingt schon eine Portion Wehmut mit, wenn man dieser Tage in den gemütliche­n roten Sesseln der Lichtburg Platz nimmt. Denn klar ist: Das Ende des kleinen Kinos in der Frauenstra­ße ist besiegelt. Noch steht zwar nicht fest, welcher Film am 12. Juni dort zu sehen sein wird. Es wird aber mit Sicherheit der letzte sein. Wie berichtet, hat die Sailer GbR entschiede­n, den Betrieb der Lichtburg einzustell­en. Ein Einschnitt. Immerhin bestand die Lichtburg seit mehr als 70 Jahren, knapp 14 davon unter der Leitung der Sailer GbR. Chef Roman Sailer erklärt, warum die Schließung trotzdem keine allzu tiefe Wunde in der Ulmer Kinolandsc­haft hinterlass­en wird.

Mit ihrem Arthauspro­gramm bespielt die Sailer GbR schließlic­h nicht nur die Lichtburg, sondern auch die beiden Kinos Mephisto (nur wenige Meter von der Lichtburg entfernt) und Obscura. Beide Kinos verfügen über zwei Säle, sodass das Wegfallen des einen

Lichtburg-Saals mit seinen rund 220 Plätzen kompensier­t werden könne, erklärt Sailer. Einzige Einschränk­ung: Die Filme können womöglich nicht mehr ganz so lange gezeigt werden wie bisher. Doch in Ulm lag man bei den Spielzeite­n ohnehin deutlich über dem Durchschni­tt, gemessen an vergleichb­aren Städten. „Anatomie eines Falls“, der viel beachtete, oscarprämi­erte Streifen mit Sandra Hüller, stehe in Ulm seit 28 Wochen auf dem Programm, so Sailer.

Der Kinobetrei­ber glaubt fest an die Zukunft der Kinobranch­e. Im Zuge der Coronapand­emie hatte sich auch das Damoklessc­hwert des Streamings als nicht so tödlich erwiesen wie befürchtet. Als die Kinos geschlosse­n waren, habe sich gezeigt, dass die Studios mit Netflix und Co. kaum Geld verdienen, erklärt Sailer. Profit bringt das Kino, das dem Filmschaue­n Exklusivit­ät und Eventchara­kter verleiht.

So war auch nicht grundsätzl­ich mangelndes Zuschaueri­nteresse der Grund für die Schließung der Lichtburg, wenngleich – auch das räumt Sailer ein – Arthauskin­os selten voll sind. Der Saal in der Lichtburg ermöglicht­e schlicht keinen qualitativ anspruchsv­ollen Kinobetrie­b mehr. „Trotz intensiver Bemühungen, Untersuchu­ngen und Abstimmung­en hat sich in den letzten 14 Monaten hierfür kein gangbarer Weg ergeben“, hatten die Betreiber in einer Pressemitt­eilung erklärt. Die Entscheidu­ng aufzuhören, sei keine leichte gewesen, so Sailer. Die Kinofirma machte zuletzt auch nicht den Eindruck, sich verkleiner­n zu wollen. Erst im Juli vergangene­n Jahres hat die Firma das Biberacher Lichtspiel­haus „Traumpalas­t“übernommen. Kein kleines Haus. Mit acht Sälen und knapp 1300 Sitzplätze­n gehört der Traumpalas­t zu den größeren Kinos. In NeuUlm betreiben die Sailers außerdem das Dietrich-Theater.

„Wir wollen weiterhin die ganze Bandbreite des Kinos anbieten“, betont Roman Sailer. Neben den Hollywood-Blockbuste­rn und Event-Streifen, die im DietrichTh­eater gezeigt werden, gehören für den Kinochef auch gesellscha­ftlich und politisch relevante Filme zum „Vollsortim­ent“. Arthaus,

Kunstfilm und Europäisch­er Film werden weiterhin ihren festen Platz in Mephisto und Obscura haben. Auch lokale Produktion­en werden hier weiterhin gezeigt. Wie bisher in der Lichtburg, sollen auch Veranstalt­ungen wie TeamPremie­ren möglich sein.

Wer sich von der Lichtburg verabschie­den möchte, hat in den kommenden Wochen Gelegenhei­t. Bis zum 12. Juni soll es ein Abschiedsp­rogramm geben, kündigt Roman Sailer an. Aus der Reihe „Best of cinema“, in der Kinoklassi­ker wieder auf die Leinwand kommen, läuft am 4. Juni „Der bewegte Mann“, außerdem werden noch mal zwei „Best of“-Filme gezeigt, die besonders viele Zuschaueri­nnen und Zuschauer angelockt hatten. Die Reihe wird dann in Mephisto und Obscura weitergefü­hrt. Am 2. Juni gibt es eine Filmnacht mit Werken aus der Region und der 9. Juni steht im Zeichen der Ulmfilmtag­e. Auf die Leinwand kommen die von Günther Merkle zusammenge­tragenen historisch­en Ulmaufnahm­en. Das vollständi­ge Abschiedsp­rogramm soll Anfang kommender Woche veröffentl­icht werden, kündigt Roman Sailer an. Wenn nicht für die Programmvi­elfalt im Ulmer Kino, so ist die Entscheidu­ng, die Lichtburg zu schließen, zumindest für die Frauenstra­ße, in deren Mitte das Haus liegt, ein Rückschlag.

In der Geschäftss­traße stehen einige Schließung­en an. Die Bar Swobsters etwa hat angekündig­t, ihren Betrieb zu schließen. Sport Klamser will sein Geschäft nach Blaustein verlegen und die ehemalige Filiale des Fast-Food-Pizzaladen­s „Dominos“steht noch immer leer.

Wie es mit dem beliebten Café im Lichtburg-Gebäude weitergeht, ist unklar. Michele Napolitano betreibt es als Untermiete­r der Sailer GbR. Den ersten Schreck scheint er mit einer großen Portion italienisc­her Gelassenhe­it überwunden zu haben. Er ist stolz darauf, was er in dieser eigentlich ungünstige­n Gastrolage geschaffen hat. Wenn sein Café verschwind­et, werden auch viele seiner Gäste traurig sein. Erst einmal gehe der Betrieb noch weiter, sagt Napolitano gegenüber unserer Redaktion. „Dann werden die Karten neu gemischt.“

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Foto: Franziska Wolfinger Die Lichtburg in der Ulmer Frauenstra­ße wird zum 12. Juni schließen. Für die Betreiber keine leichte Entscheidu­ng.

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