Ein Rückschlag für die Kinolandschaft?
Mit der Lichtburg verliert Ulm eines von drei Arthauskinos und ein großes Stück Kinotradition. Betreiber Roman Sailer erklärt, wie die Schließung kompensiert werden soll.
Ulm Es schwingt schon eine Portion Wehmut mit, wenn man dieser Tage in den gemütlichen roten Sesseln der Lichtburg Platz nimmt. Denn klar ist: Das Ende des kleinen Kinos in der Frauenstraße ist besiegelt. Noch steht zwar nicht fest, welcher Film am 12. Juni dort zu sehen sein wird. Es wird aber mit Sicherheit der letzte sein. Wie berichtet, hat die Sailer GbR entschieden, den Betrieb der Lichtburg einzustellen. Ein Einschnitt. Immerhin bestand die Lichtburg seit mehr als 70 Jahren, knapp 14 davon unter der Leitung der Sailer GbR. Chef Roman Sailer erklärt, warum die Schließung trotzdem keine allzu tiefe Wunde in der Ulmer Kinolandschaft hinterlassen wird.
Mit ihrem Arthausprogramm bespielt die Sailer GbR schließlich nicht nur die Lichtburg, sondern auch die beiden Kinos Mephisto (nur wenige Meter von der Lichtburg entfernt) und Obscura. Beide Kinos verfügen über zwei Säle, sodass das Wegfallen des einen
Lichtburg-Saals mit seinen rund 220 Plätzen kompensiert werden könne, erklärt Sailer. Einzige Einschränkung: Die Filme können womöglich nicht mehr ganz so lange gezeigt werden wie bisher. Doch in Ulm lag man bei den Spielzeiten ohnehin deutlich über dem Durchschnitt, gemessen an vergleichbaren Städten. „Anatomie eines Falls“, der viel beachtete, oscarprämierte Streifen mit Sandra Hüller, stehe in Ulm seit 28 Wochen auf dem Programm, so Sailer.
Der Kinobetreiber glaubt fest an die Zukunft der Kinobranche. Im Zuge der Coronapandemie hatte sich auch das Damoklesschwert des Streamings als nicht so tödlich erwiesen wie befürchtet. Als die Kinos geschlossen waren, habe sich gezeigt, dass die Studios mit Netflix und Co. kaum Geld verdienen, erklärt Sailer. Profit bringt das Kino, das dem Filmschauen Exklusivität und Eventcharakter verleiht.
So war auch nicht grundsätzlich mangelndes Zuschauerinteresse der Grund für die Schließung der Lichtburg, wenngleich – auch das räumt Sailer ein – Arthauskinos selten voll sind. Der Saal in der Lichtburg ermöglichte schlicht keinen qualitativ anspruchsvollen Kinobetrieb mehr. „Trotz intensiver Bemühungen, Untersuchungen und Abstimmungen hat sich in den letzten 14 Monaten hierfür kein gangbarer Weg ergeben“, hatten die Betreiber in einer Pressemitteilung erklärt. Die Entscheidung aufzuhören, sei keine leichte gewesen, so Sailer. Die Kinofirma machte zuletzt auch nicht den Eindruck, sich verkleinern zu wollen. Erst im Juli vergangenen Jahres hat die Firma das Biberacher Lichtspielhaus „Traumpalast“übernommen. Kein kleines Haus. Mit acht Sälen und knapp 1300 Sitzplätzen gehört der Traumpalast zu den größeren Kinos. In NeuUlm betreiben die Sailers außerdem das Dietrich-Theater.
„Wir wollen weiterhin die ganze Bandbreite des Kinos anbieten“, betont Roman Sailer. Neben den Hollywood-Blockbustern und Event-Streifen, die im DietrichTheater gezeigt werden, gehören für den Kinochef auch gesellschaftlich und politisch relevante Filme zum „Vollsortiment“. Arthaus,
Kunstfilm und Europäischer Film werden weiterhin ihren festen Platz in Mephisto und Obscura haben. Auch lokale Produktionen werden hier weiterhin gezeigt. Wie bisher in der Lichtburg, sollen auch Veranstaltungen wie TeamPremieren möglich sein.
Wer sich von der Lichtburg verabschieden möchte, hat in den kommenden Wochen Gelegenheit. Bis zum 12. Juni soll es ein Abschiedsprogramm geben, kündigt Roman Sailer an. Aus der Reihe „Best of cinema“, in der Kinoklassiker wieder auf die Leinwand kommen, läuft am 4. Juni „Der bewegte Mann“, außerdem werden noch mal zwei „Best of“-Filme gezeigt, die besonders viele Zuschauerinnen und Zuschauer angelockt hatten. Die Reihe wird dann in Mephisto und Obscura weitergeführt. Am 2. Juni gibt es eine Filmnacht mit Werken aus der Region und der 9. Juni steht im Zeichen der Ulmfilmtage. Auf die Leinwand kommen die von Günther Merkle zusammengetragenen historischen Ulmaufnahmen. Das vollständige Abschiedsprogramm soll Anfang kommender Woche veröffentlicht werden, kündigt Roman Sailer an. Wenn nicht für die Programmvielfalt im Ulmer Kino, so ist die Entscheidung, die Lichtburg zu schließen, zumindest für die Frauenstraße, in deren Mitte das Haus liegt, ein Rückschlag.
In der Geschäftsstraße stehen einige Schließungen an. Die Bar Swobsters etwa hat angekündigt, ihren Betrieb zu schließen. Sport Klamser will sein Geschäft nach Blaustein verlegen und die ehemalige Filiale des Fast-Food-Pizzaladens „Dominos“steht noch immer leer.
Wie es mit dem beliebten Café im Lichtburg-Gebäude weitergeht, ist unklar. Michele Napolitano betreibt es als Untermieter der Sailer GbR. Den ersten Schreck scheint er mit einer großen Portion italienischer Gelassenheit überwunden zu haben. Er ist stolz darauf, was er in dieser eigentlich ungünstigen Gastrolage geschaffen hat. Wenn sein Café verschwindet, werden auch viele seiner Gäste traurig sein. Erst einmal gehe der Betrieb noch weiter, sagt Napolitano gegenüber unserer Redaktion. „Dann werden die Karten neu gemischt.“