Der EU fehlt der Kompass im Umgang mit dem Iran
Kondolieren, ohne dabei ein Wort zur Unterdrückung der Iraner zu verlieren: Brüssel und Berlin scheuen offenbar den endgültigen Bruch mit Teheran.
Zum Kommentar „Netanjahu ist kein Kriegsverbrecher“(Politik) von Rudi Wais vom 21. Mai:
Ich verstehe diese Welt nicht mehr! Da werden die Verteidiger eines vom Genozid bedrohten und von Massenmördern angegriffenen demokratischen Rechtsstaats den mordenden Angreifern gleichgestellt – für mich nur noch unfassbar und unerträglich! Dem Kommentar von Rudi Wais stimme ich uneingeschränkt zu! Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit für die Bundesrepublik Deutschland, die Stunde der Wahrheit für die „deutsche Staatsräson“.
Matthias Eckhard, Kissing
Rente ohne Gerechtigkeit
Zu „Rentenreform wäre ein Gebot der Stunde“(Politik) vom 21. Mai: Solange Politiker und Beamte über die Rente entscheiden, wird es keine Gerechtigkeit geben. Sie zahlen selbst nicht in die Rente ein, bedienen sich aber großzügig aus der Staatskasse. Diese Doppelmoral stinkt zum Himmel.
Joachim Franz, Westendorf
Österreich macht es vor
Zu „Asylbewerber müssen jetzt arbeiten“(Bayern) vom 18. Mai:
Vor circa 10 Jahren gab es die Möglichkeit, dass Asylbewerber für 80 Cent in der Stunde gemeinnützig arbeiten können, aber nicht müssen. Dann wurde ihnen auch diese Möglichkeit verboten. Kein Asylbewerber hat dadurch einen festen Arbeitsplatz bekommen, hat seine Deutschkenntnisse verbessert oder ist integriert worden. Ihre Lage wurde ausgenutzt und jetzt werden sie auch noch bestraft, wenn sie die Halbtagsarbeit nicht annehmen, bei der sie in der Woche 16 Euro verdienen. Auch die Kommunen leiden unter dem Arbeitskräftemangel und die meisten müssen sparen. Wirtschaftlich gesehen ist es interessant, Menschen für 80 Cent in der Stunde arbeiten zu lassen. Das hat aber nichts mit Wertschätzung, Menschlichkeit oder sozialem Gewissen zu tun. Inge Herz, Fleinhausen
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Tiefe Bestürzung, Schweigen, distanzierte Anteilnahme oder der zornige Verweis auf die Verbrechen, die Ebrahim Raisi angelastet werden. So groß ist die Bandbreite der weltweiten Reaktionen auf den Tod des iranischen Präsidenten, der letztlich nur Erfüllungsgehilfe des mächtigen geistlichen Führers Ali Chamenei war. Dass leidenschaftliche Kondolenzbotschaften aus Moskau, Peking und vielen arabischen Ländern zum Tod des fanatischen Dogmatikers in Teheran eintrafen, war erwartbar.
Viel interessanter sind die Botschaften, die aus Staaten kamen, die dem iranischen Regime kritisch oder gar feindlich gegenüberstehen. Beispiel Washington: USAußenminister Antony Blinken bekundete zwar sein Beileid, beteuerte aber im gleichen Atemzug, dass die USA an der Seite des iranischen Volkes in seinem Kampf um „Menschenrechte und Grundfreiheiten“stünden.
Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, hätte gut daran getan, sich an der Tonlage Blinkens zu orientieren, bevor er am Montag im Namen der EU in etwas gewundenen Worten sein „aufrichtiges Beileid zum Tod von Präsident Raisi“formulierte, ohne zumindest in einem Nebensatz in diplomatischer Sprache daran zu erinnern, welch fatale Rolle Raisi über viele Jahre hinweg gespielt hat. Ein Mann, der zu Lebzeiten die Menschenrechte der Iranerinnen und Iraner mit Füßen getreten hat, der in seiner Heimat von seinen Gegnern den Beinamen „Schlächter von Teheran“erhielt.
Der Aufschrei aus mehreren, aber längst nicht allen EU-Mitgliedsländern auf Michels Worte war laut. So schrieb die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann: „Was für ein erbärmlicher Hashtag, was für eine Verhöhnung der mutigen Kämpfer für Menschenrechte im Iran.“Allerdings darf man bei allem Furor nicht unterschlagen, dass Michel auf dem offiziellen EU-Account der Plattform X für die Union in ihrer Gesamtheit gesprochen hat.
Und da ist es nun mal so, dass die Beileidskundgebungen aus Paris, aber auch die erst am Dienstag nachgeschobene dürre Note von
Kanzler Olaf Scholz ganz ähnlich klingen wie die Zeilen aus Brüssel. Kurz gesagt: Einflussreiche Kräfte in Europa scheuen sich weiter, den endgültigen Bruch mit Teheran zu riskieren. Auch die Bundesregierung war in der Vergangenheit spürbar zurückhaltend, wenn es um eine harte Verurteilung des Irans ging. Das kann man mit guten Gründen auch dann einen Fehler nennen, wenn man nicht dafür plädiert, alle Gesprächskanäle mit Teheran zu kappen.
Und im Iran? Dort versucht die gleichgeschaltete Presse, mit Bildern von trauernden Anhängern Raisis die Deutungshoheit zu erlangen. Auf den Kanälen der sozialen Medien dominierten schnell die Videosequenzen iranischer Regimegegner, die das Ende ihres Peinigers ausgelassen feierten.
Chamenei, seine Entourage und die brutale Revolutionsgarde dürften bei aller Verblendung wissen, dass sie nur noch mit einer permanenten Gewaltandrohung den Status quo erhalten können. Doch diesen „Status quo“definiert eine wachsende Mehrheit im Land auf ihre Weise: Unfreiheit, Staatswillkür, Hinrichtungen, systematische Unterdrückung von Frauen und wirtschaftlicher Niedergang. Auch auf die Religion als Kitt für die Islamische Republik können sich die Mullahs nicht mehr verlassen.
Die Kluft zwischen der Bevölkerung und dem Regime wächst weiter, die Erosion der Islamischen Republik ist in vollem Gange.
Die Erosion des Mullah-Regimes ist in vollem Gange.