Dieser Bienenkasten ist ein Kunstwerk
Bei einer Verlosung gewinnen Mutter und Tochter einen Bienenkasten des Künstlers Jonathan Meese. Das ist am Ende auch ein Gewinn für das Ulmer Stadthaus.
Ulm Die Bienen auf der Terrasse des Ulmer Stadthauses haben ein neues Heim. Und das ist an Exklusivität kaum zu überbieten. Die Stadthausbienen residieren jetzt nämlich in einem von Jonathan Meese höchstpersönlich gestalteten Bienenkasten. Leuchtend gelb, mit schwarzen Buchstaben und Symbolen verziert, so thront der Meese-Bienenkasten jetzt über dem Münsterplatz und lockt vielleicht noch den ein oder anderen Besucher mehr ins Stadthaus.
Dass das gute Stück seinen Weg nach Ulm fand, ist dabei allein dem Zufall – oder einer den Ulmern geneigten Losfee – zu verdanken. Denn Nadja Wollinsky und ihre Tochter Wanda haben den Bienenkasten bei einem Gewinnspiel der Süddeutschen Zeitung ergattert. Das Blatt hatte in einer Aktion seines wöchentlich erscheinenden Magazins fünf Künstlerinnen und Künstler gebeten, Bienenkästen in ihrem Stil zu gestalten, um auf das Insektensterben aufmerksam zu machen. Anschließend wurden die Kästen für den guten Zweck verlost. Auch Jonathan Meese, der für seine teils sehr provokanten Werke und Aktionen bekannt ist, war dabei. Sein Kasten war auf dem Cover abgebildet und Wanda Wollinsky war sich sofort sicher: „Den möchte ich haben.“
Mutter und Tochter kauften eine Handvoll Lose und hatten Glück. Nun standen sie aber vor der Frage: Was tun mit dem Kasten? Einfach ins Wohnzimmer stellen und sich im Privaten daran freuen – das wollte Nadja Wollinsky nicht. Würde der Bienenkasten als reines Anschauungsstück enden, hätte die ganze Aktion ihren Sinn verfehlt. Das Werk sollte auf alle Fälle echten Bienen zugutekommen. „Mir ist dann schnell das Stadthaus mit seinen Bienen eingefallen“, berichtet die Ulmer Fotografin. Und da war das Interesse an dem Stück von Jonathan Meese sofort groß, sodass das MeeseWerk nun als Dauerleihgabe seinen Platz auf der Stadthaus-Terrasse gefunden hat.
Stadthausleiterin Karla Nieraad outete sich beim Pressetermin zum Umzug der Bienen als großer Meese-Fan. Sie habe ihn sogar schon einmal privat getroffen, in einem Hotelaufzug zusammen mit seiner Mutter. Die kurze Begegnung hinterließ Eindruck: „Es ist wirklich der netteste Mensch der Welt.“Mit einem „echten Meese“sei das Stadthaus nun um einen Publikumsmagneten reicher, findet Nieraad. Dass sich der MeeseBienenkasten dabei nicht perfekt in das Profil des Ausstellungshauses einfügt, sei nicht so tragisch. Das Ulmer Stadthaus ist auf Fotografie spezialisiert und zeigt in bis zu drei gleichzeitig stattfindenden Wechselausstellungen zeitgenössische Bilder – im Übrigen stets bei freiem Eintritt.
Bienen leben seit 2006 im Stadthaus. Weil während einer größeren Renovierungsmaßnahme Ausstellungen übergangsweise nicht möglich waren, kam die Idee auf, den Besucherinnen und Besuchern mit den Bienen wenigstens auf den Terrassen etwas zum Anschauen zu bieten. Franz Nägele, der Veranstaltungsmanager des Stadthauses, ist seither auch als offizieller Stadthaus-Imker tätig. Nägele kennt sich mit der Materie bestens aus. Das Imkern war schon ein Hobby seines Vaters. So weiß Nägele auch, dass sich die StadthausBienen im Umkreis von rund sechs Kilometern auf Nahrungssuche begeben. Im Sommer, wenn draußen auf dem Land vieles schon trocken oder verblüht ist, fänden die Bienen in der Stadt sogar mehr Futter als außerhalb. Begrünte Verkehrsinseln und gepflegt Blumenkästen bieten eine Menge Pollen.
Rund 30.000 Bienen hat Nägele nun in den neuen Meese-Bienenkasten
umgezogen. Vorsichtig, eine Wabenplatte nach der anderen, wanderte vom alten Bienenheim ins Neue. Wenn es in den kommenden Wochen wärmer wird, könnte das Volk noch anwachsen. Bis zu 70.000 Bienen hätten in dem neuen Kasten Platz, schätzt Nägele.
Ein extra angefertigtes kleines Dächlein schützt den besonderen Bienenkasten vor den schlimmsten Regenschauern. So soll er nicht nur den Bienen, sondern auch den Stadthausbesuchern noch viele Jahre lang eine Freude machen.