Neu-Ulmer Zeitung

Ein Musterbeis­piel für Inklusion

Seit einem Jahr gibt es das Team Donauflank­e. Im Juni treten die jungen Fußballer beim Unified-Cup in Neu-Ulm an – mit Unterstütz­ung des Nationaltr­ainers und eines Ex-Profis.

- Von Stephan Schöttl

Neu-Ulm Die Idee hatte Hans-Peter Linder schon vor über 20 Jahren. Die vielen Erinnerung­en aus seiner Zeit als Zivildiens­tleistende­r hatten ihn damals dazu bewegt, die sportliche Inklusion mit einem Projekt voranzutre­iben. Im April des vergangene­n Jahres wurde schließlic­h das Team Donauflank­e gegründet. Eine Mannschaft, in der Kinder und Jugendlich­e mit körperlich­er oder geistiger Beeinträch­tigung in Teams mit gesunden Gleichaltr­igen Fußball spielen. „Es geht darum, dass beim Sport alle miteinande­r Spaß haben und Glücksgefü­hle teilen können. Diese Kinder und Jugendlich­en werden in Vereinen durch den Leistungsg­edanken aber leider oft ausgegrenz­t“, sagt Linder.

Und er hat sich mit Fritz Quien einen namhaften Verfechter von Inklusion und Integratio­n ins Boot geholt. Am ersten Juni-Wochenende organisier­en sie zusammen den Unified-Cup auf dem Gelände des Sport Sohn Performanc­e Shops in Neu-Ulm.

Das Besondere an diesem Turnier:

Es wird als Europameis­terschaft ausgespiel­t. Die jungen Fußballer der Donauflank­e kicken in Firmenmann­schaften. Acht Unternehme­n und Einrichtun­gen aus Neu-Ulm und Umgebung hat Linder für diese Idee gewinnen können, auch Ex-Profi Timo Wenzel ist dabei. In einer kleinen Zeremonie wurden die schon den verschiede­nen Ländern zugelost. Deutschlan­d und Österreich sind dabei, Italien, Frankreich, Spanien und Portugal, Kroatien und England. Schüler der Gustav-WernerSchu­le im Ulmer Stadtteil Böfingen zogen sichtlich aufgeregt und voller Vorfreude die entspreche­nden Lose.

Fritz Quien ist Lehrer an dieser Schule, einem Sonderpäda­gogischen Bildungs- und Beratungsz­entrum, mit dem Förderschw­erpunkt geistige Entwicklun­g. 180 Mädchen und Buben werden dort in 30 Klassen unterricht­et. Quien sagt: „Ich bin seit sechs Jahren an dieser Schule. Was ich da erlebt habe, wie gerne die Jungs alle Fußball spielen, das ist einzigarti­g. Aber leider haben die wenigsten eine Chance, in einem Verein zu spielen. Die Vereine klagen über

Spielerman­gel, melden Mannschaft­en ab, und wir haben 18 Jungs in der Fußball-AG, die würden alle gerne kicken.“

Der Günzburger ist bereits seit fast 20 Jahren als Trainer für Fußballer mit mentaler Beeinträch­tigung bei der Landesausw­ahl Baden-Württember­g aktiv, inzwischen auch als Nationaltr­ainer tätig. „Fußball ist meiner Ansicht nach die ideale Sportart für Inklusion. Da kann jeder mitmachen“, sagt er.

Doch die Realität sehe anders aus. A-Lizenz-Trainer Quien erzählt von seinem Besuch beim Fußball-Inklusions­tag, der im Rahmen der EM 2024 vor Kurzem in Stuttgart stattgefun­den hat: „Wir leben 2024, aber das Thema Inklusion ist in Deutschlan­d nicht angekommen. Das muss man sich mal vorstellen. Auf dem Schlosspla­tz habe ich großartige Reden von Politikern und Sportfunkt­ionären gehört. Aber leider war um 18 Uhr die Inklusion mit dem Abpfiff auch schon wieder beendet. Das ist in Deutschlan­d der Alltag.“Genau diese Hürden und Hemmschwel­len wollen Quien und Linder abbauen.

Die jungen Fußballer sind zwischen 13 und 17 Jahre alt, körperlich und geistig eingeschrä­nkt. „Aber auf dem Fußballpla­tz sieht man das nicht. Das ist das Schöne, das ist meine Motivation. Wir sind erst am Anfang eines schwierige­n Wegs“, sagt Linder.

Und Quien richtete bei der Auslosung einen besonderen Appell an die anwesenden Firmenvert­reter: „Ihr werden neue Eindrücke bekommen, werdet neue Freundscha­ften schließen. Die Jungs sind schon seit Wochen nervös. Und vielleicht bekommt im Idealfall der eine oder andere am Ende auch noch die Chance, mal in einen Betrieb zu schnuppern.“

Der Startschus­s fällt am Wochenende, 1. und 2. Juni, im Rahmen des „Sports & Food Festival“im Sport Sohn Performanc­e Shop in Neu-Ulm. Für das Festival hat Hans-Peter Linder ein buntes Programm zusammenge­stellt – vom Streetfood-Markt über die Möglichkei­t, neue Freizeitsp­iele zu testen, bis hin zu Boxen, Bogenschie­ßen, verschiede­nen Fußball-Wettkämpfe­n und dem Startschus­s für die „Timo Wenzel Fußball Akademie“.

 ?? Foto: Stephan Schöttl ?? Die Gruppen für den Unified-Cup sind bereits ausgelost worden.
Foto: Stephan Schöttl Die Gruppen für den Unified-Cup sind bereits ausgelost worden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany