Neu-Ulmer Zeitung

Herrscher über die deutschen Hitparaden

Seiten auf null, Pferdeschw­anz, Sonnenbril­le: So begeistert Apache 207 bei zwei Shows in der Münchner Olympiahal­le. Sogar ein Fußballsta­r sitzt im Publikum. Aber ist das noch Hip-Hop?

- Von Rosaria Kilian

München Apache 207 sprengt alle Rekorde, dominiert seit Jahren alle Chart- und Streamingl­isten. Was er anfasst, wird zum Erfolg. Auf seine gekonnte Mischung aus Machismo und Exzentrik können sich so viele Menschen einigen wie bei kaum einem Künstler vor ihm. Was die Münchner Arena-Show von Apache 207 für den Deutschrap bedeutet?

Krasse Stimme, tanzbare Songs, unverwechs­elbarer Style. Die Formel hinter Apaches Erfolg scheint auf den ersten Blick simpel. Das dritte Album des 26-jährigen Sängers heißt „Gartenstad­t“und ist nach dem Ludwigshaf­ener Bezirk benannt, in dem er aufgewachs­en ist. Diese Loyalität zum Heimatort ist bekannte Praxis unter Deutschrap­pern. Einst Stuttgart, dann Berlin, zuletzt Offenbach. Apache bringt nun also Ludwigshaf­en auf die Karte.

In der Münchner Olympiahal­le gibt ein roter Samtvorhan­g ein überrasche­nd profan anmutendes Bühnenbild frei. Kiosk, Tankstelle,

Waschstraß­e, ein paar Leuchtrekl­amen. Eine Häuserzeil­e duckt sich unter einem riesigen Bildschirm, der die gesamte Breite der Bühne einnimmt. Hier laufen kurze Videos, wann immer der Sänger während der zweistündi­gen Show das Outfit wechselt. Für seine ausgefalle­nen Musikvideo­s ist der Künstler bekannt. Hier zeigt Apache Witz, eine den Umständen angemessen­e Selbstiron­ie – immer noch unüblich im Deutschrap­Business.

Der Humor bleibt auf der Stadiontou­r ziemlich harm- und belanglos. Diese Show will nicht schocken, will keine Grenzen austesten, sie will unterhalte­n. Und zwar, wenn möglich, alle: Pärchen, Frauengrup­pen, Familien, Influencer, Jugendlich­e auf ihrem ersten Stadionkon­zert. Von der Haupttribü­ne jubelt Fußballsta­r Thomas Müller dem Künstler zu.

Apache 207 jagt durch seine Setlist, spielt selten mehr als eine Strophe und Refrain. Böse Zungen mögen behaupten, mehr geben seine Songs auch nicht her. Die wenigen Sekunden, die die Hits erklingen, legt sich der Sänger voll ins

Zeug. Da ist nichts mehr von der kühlen Distanzier­theit, die Generation­en von Rappern vor Apache 207 zu ihrer Persönlich­keit gemacht haben. Der Zwei-MeterMann schwitzt und stampft, er presst die Songzeilen aus sich heraus, schmeißt sich in Lederkluft auf den Stadionbüh­nenboden. Dabei zündet eine imposante Pyrotechni­k. Dem gegenüber stehen kindlich-spielerisc­he Momente. Der Megastar lässt sich in einem roten Cabrio (Mittelklas­sewagen eines Münchner Automobilh­erstellers) durch die Menge schieben.

Dann verwandelt sich die Olympiahal­le in ein riesiges Volleyball­feld. So spaßig war Rap noch nie. Mit den Worten „An einer Tankstelle chillt man nicht allein“holt Apache Fans auf die Bühne, die einen Song lang in der sonst wenig genutzten Kulisse sitzen und unbeholfen winken, wenn der Star in ihre Richtung schaut. Für „Komet“, Deutschlan­ds erfolgreic­hster Song 2023, 275 Millionen Streams, 21 Wochen Nummer eins in den Charts, kommt die 21-jährige Annatina Schlegel auf die Bühne, um den Kultsänger Udo Lindenberg zu vertreten. Den Auftritt gewann sie bei einem Fanwettbew­erb und reiste extra aus der Schweiz an.

Apache macht Deutschrap ohne Wut und Gehässigke­it. Was dann noch übrigbleib­t, reichert er mit Schlager, 80er-Jahre-Synthiepop, Eurodance und Latin Beats an. Das klingt wild – ist es auch. Die LivePerfor­mance lebt von Apaches (Durch-)lässigkeit und Selbstvers­tändlichke­it auf der ganz großen Bühne. Der Typ ist unkonventi­onell. Er scheut sich nicht vor großen Gesten, raucht während Balladen, scheint trotz aufwendigs­ter

Mega-Bühnenshow wirklich ausgelasse­n. Apache 207 wird 1997 als Volkan Yaman in Mannheim geboren. Die alleinerzi­ehende Mutter zieht mit Volkan und seinen Geschwiste­rn in die Nachbarsta­dt Ludwigshaf­en am Rhein, ins Viertel „Gartenstad­t“. „Wenn es so etwas wie ein Ghetto gibt, dann ist es das hier“, sagt er in der AmazonDoku „Apache bleibt gleich“. Seine Mutter habe ihm als Kind den Spitznamen „Apache“gegeben. Nach dem Abitur studierte er laut seinem Label zwei Semester Jura, bevor er 2018 alles auf die Karte „Hip-Hop-Star“setzte. Der Erfolg kam rasant.

Mit Hip-Hop, einst Subkultur, hat diese Show nichts zu tun. Apache macht Popwellen-Radiomusik für Deutschrap­fans und Ballermann-Touristen gleicherma­ßen. Das ist aus musikalisc­her Sicht natürlich Murks. Beliebige Musik, inhaltslee­re oder moralisch zweifelhaf­te Texte. Aber wenn dieser Zwei-Meter-Mann die Bühne betritt und zwischen Feuersäule­n durchtänze­lt, dann sieht man zweifelsoh­ne einen Star, wie es in jeder Generation nur wenige gibt.

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Foto: Martin Hangen 24 Termine in neun Städten: Rapper Apache 207 tourt durch Deutschlan­ds Stadien. Am Dienstag spielte er in der Olympiahal­le.

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