Von Offenhausen nach ganz Deutschland
Zwei Unternehmer aus Dornstadt wollen das Einkaufen rund um die Uhr ermöglichen. Ihr Konzept dahinter sei derzeit womöglich in Deutschland einmalig. Der erste Laden eröffnet bald in Neu-Ulm.
Neu-Ulm Es geht sicherlich auch irgendwie anders. Doch wenn es in der Nähe zum eigenen Zuhause einen Supermarkt gibt, geht vieles einfacher oder zumindest schneller. In so mancher Wohngegend im Kreis Neu-Ulm ist der nächstgelegene Discounter allerdings ein gutes Stück entfernt. So zum Beispiel in Offenhausen. Hier gibt es den Wunsch nach einem Nahversorger im Ort schon lange. Zwar gibt es Pläne für einen in der Ortsstraße, wann der aber kommt, ist unklar. Zwei Unternehmer aus Dornstadt wollen jetzt sehr bald Abhilfe schaffen. Sie kündigen einen größeren 24/7-Supermarkt im NeuUlmer Stadtteil mit insgesamt 20 Automaten an. Es könnte sogar der Anfang einer bundesweiten Erfolgsgeschichte werden: Ihr Konzept sei derzeit womöglich in ganz Deutschland einmalig, meinen sie und sprechen von einer „ganz großen Nummer“.
Julien Bien und Heiko Schmidt stecken hinter dem Projekt und der Firma namens „Shopvee“. Beide waren einst Nachbarn in Dornstadt, haben sich so kennengelernt und arbeiten seit gut anderthalb Jahren geschäftlich zusammen. Bien ist gebürtiger Schweizer und gelernter Detailhandelsfachmann – so wird der Einzelhandelskaufmann in der Alpenrepublik genannt. Zu größeren Handelsmarken habe er „eine gewisse Nähe“und daher „ein Verständnis dafür“, wie sich das Kaufverhalten in den vergangenen Jahren entwickelt hat und in welche Richtung sich das bewegen könnte. Mit seiner Frau betreibt er derzeit das Café Mogli in Dornstadt. Der 40-Jährige sei mehr fürs Marketing zuständig, der 37-jährige Schmidt fürs Technische. Der stammt aus Ulm und kommt beruflich ursprünglich aus der Unternehmensberaterbranche in der Industrie. Mehrere Firmengründungen hätten sie beide schon hinter sich. Doch das jetzt sei am öffentlichkeitswirksamsten.
Offenhausen soll der erste, weil auch „beste Standort“ihrer Geschäftsidee werden: rund um die Uhr einkaufen ohne Personal. Weil in Bayern Supermärkte nur bis 20 Uhr geöffnet haben dürfen, rechnen sie mit starkem Zulauf. Eröffnet wird im Erdgeschoss einer Hoch- beziehungsweise Mehrfamilienhaussiedlung in der Pfuhler
Straße. Bis vor zwei Jahren gab es dort schon einmal einen MiniMarkt. Der aber musste aufgeben. Aktuell gebe es sogar Fahrgemeinschaften zum Einkaufen, erzählen sie. Eine aktuelle Analyse gehe von 120 bis 250 Kundenkontakten pro Tag aus. Für größere Ketten wie Rewe sei das zu wenig, für sie sei es „in Ordnung“.
Circa 100 Quadratmeter betrage die Fläche des Verkaufsraumes, fast gleich groß sei das Lager für die Waren, die sie anbieten wollen. Bezahlt werden kann an den „modernsten Automaten“mit Bargeld oder bargeldlos. Die Shops sollen kein ungemütlicher Verhau werden, sondern sehr hell, sehr offen und mit Holz sowie Olivenbäumen. Das Motto lautet: „Kaufe das, was Du jetzt brauchst“. Für einen Wocheneinkauf seien sie nicht gedacht. Auch wenn es alles gebe, was für den täglichen Bedarf benötigt wird. „Nahezu ein Vollsortiment“, so Bien. Nur eben nicht mit der Produkttiefe wie beim Discounter. Heißt, pro Produkt eine Marke. Aber von Butter über den Schwangerschaftstest bis zur Windel. Dazu einen Postautomaten. Was sie allerdings womöglich einmalig mache und von anderen personallosen Läden oder einer Tankstelle unterscheide: Die Produkte sollen nicht teurer sein als bei Aldi, Lidl und Co. „Das ist unser Alleinstellungsmerkmal“, sagt Schmidt. Ausgenommen nachts. Da seien es vereinzelt wenige Prozent mehr, weil das Personal zum Befüllen mehr koste. „Aber wo bekommt man schon nachts um 1 Uhr Parmesan?“Ihre Waren beziehen die beiden Unternehmer von Partnern mit großen Namen, darunter Coca-Cola und der Großhändler Lekkerland. Der „Spezialist für Unterwegskonsum“ist Teil der Rewe Group. Doch auch regional bekannte Marken gehören dazu, wie die Brauerei Gold Ochsen und die Bäckerei Staib.
Mit ihrer Marke „Shopvee“wollen Bien und Schmidt „rasant wachsen“. Dass vergleichbare Konzepte wie Tante M in Illertissen-Au oder Ulms erster digitaler Supermarkt im Donautal nahezu gescheitert sind, beunruhigt sie nicht. Im Fall Donautal hätten die angebotenen Produkte nicht gepasst, meint Schmidt. Und bei Tante M seien die zu hohen Preise das Problem sowie der Diebstahl. Letzteres gehe bei ihren Automaten nicht.
Sie planen bereits, weitere Geschäfte in Dornstadt, in der Ulmer Weststadt, im Dichterviertel und in der Ulmer Bahnhofstraße zu eröffnen. Mit ihren aktuellen Partnern könnten sie im Umkreis von 100 Kilometern rund um Ulm durchstarten: Augsburg, Heidenheim, Kempten. Ihre Ausrichtung sei aber deutschlandweit. Wenngleich dann mit anderen regionalen Partnern für frisches Brot oder Bier.
Ihre Standorte aber sollen dorthin, wo die Menschen sind. Nicht direkt in die Innenstädte zu den „Hotspots“, sondern in die „Speckgürtel“, die Wohngegenden. Und dorthin, wo es noch keine Supermärkte gibt. Ein Manko, das das schnelle Wachstum aktuell etwas verzögere: Nicht überall gebe es Räumlichkeiten, deren Nutzung sofort einen Nahversorger zulässt.
Etwaige Absprachen für Änderungen mit Behörden benötigen Zeit, sagt Bien. Anders in Offenhausen. Hier habe alles schon vorgelegen.
Der Start für den 24/7-Verkauf war eigentlich Ende Mai vorgesehen, nun ist Mitte Juni anvisiert. Es soll zuvor einen „Stresstest“geben.