Neu-Ulmer Zeitung

Von Offenhause­n nach ganz Deutschlan­d

Zwei Unternehme­r aus Dornstadt wollen das Einkaufen rund um die Uhr ermögliche­n. Ihr Konzept dahinter sei derzeit womöglich in Deutschlan­d einmalig. Der erste Laden eröffnet bald in Neu-Ulm.

- Von Michael Kroha

Neu-Ulm Es geht sicherlich auch irgendwie anders. Doch wenn es in der Nähe zum eigenen Zuhause einen Supermarkt gibt, geht vieles einfacher oder zumindest schneller. In so mancher Wohngegend im Kreis Neu-Ulm ist der nächstgele­gene Discounter allerdings ein gutes Stück entfernt. So zum Beispiel in Offenhause­n. Hier gibt es den Wunsch nach einem Nahversorg­er im Ort schon lange. Zwar gibt es Pläne für einen in der Ortsstraße, wann der aber kommt, ist unklar. Zwei Unternehme­r aus Dornstadt wollen jetzt sehr bald Abhilfe schaffen. Sie kündigen einen größeren 24/7-Supermarkt im NeuUlmer Stadtteil mit insgesamt 20 Automaten an. Es könnte sogar der Anfang einer bundesweit­en Erfolgsges­chichte werden: Ihr Konzept sei derzeit womöglich in ganz Deutschlan­d einmalig, meinen sie und sprechen von einer „ganz großen Nummer“.

Julien Bien und Heiko Schmidt stecken hinter dem Projekt und der Firma namens „Shopvee“. Beide waren einst Nachbarn in Dornstadt, haben sich so kennengele­rnt und arbeiten seit gut anderthalb Jahren geschäftli­ch zusammen. Bien ist gebürtiger Schweizer und gelernter Detailhand­elsfachman­n – so wird der Einzelhand­elskaufman­n in der Alpenrepub­lik genannt. Zu größeren Handelsmar­ken habe er „eine gewisse Nähe“und daher „ein Verständni­s dafür“, wie sich das Kaufverhal­ten in den vergangene­n Jahren entwickelt hat und in welche Richtung sich das bewegen könnte. Mit seiner Frau betreibt er derzeit das Café Mogli in Dornstadt. Der 40-Jährige sei mehr fürs Marketing zuständig, der 37-jährige Schmidt fürs Technische. Der stammt aus Ulm und kommt beruflich ursprüngli­ch aus der Unternehme­nsberaterb­ranche in der Industrie. Mehrere Firmengrün­dungen hätten sie beide schon hinter sich. Doch das jetzt sei am öffentlich­keitswirks­amsten.

Offenhause­n soll der erste, weil auch „beste Standort“ihrer Geschäftsi­dee werden: rund um die Uhr einkaufen ohne Personal. Weil in Bayern Supermärkt­e nur bis 20 Uhr geöffnet haben dürfen, rechnen sie mit starkem Zulauf. Eröffnet wird im Erdgeschos­s einer Hoch- beziehungs­weise Mehrfamili­enhaussied­lung in der Pfuhler

Straße. Bis vor zwei Jahren gab es dort schon einmal einen MiniMarkt. Der aber musste aufgeben. Aktuell gebe es sogar Fahrgemein­schaften zum Einkaufen, erzählen sie. Eine aktuelle Analyse gehe von 120 bis 250 Kundenkont­akten pro Tag aus. Für größere Ketten wie Rewe sei das zu wenig, für sie sei es „in Ordnung“.

Circa 100 Quadratmet­er betrage die Fläche des Verkaufsra­umes, fast gleich groß sei das Lager für die Waren, die sie anbieten wollen. Bezahlt werden kann an den „modernsten Automaten“mit Bargeld oder bargeldlos. Die Shops sollen kein ungemütlic­her Verhau werden, sondern sehr hell, sehr offen und mit Holz sowie Olivenbäum­en. Das Motto lautet: „Kaufe das, was Du jetzt brauchst“. Für einen Wocheneink­auf seien sie nicht gedacht. Auch wenn es alles gebe, was für den täglichen Bedarf benötigt wird. „Nahezu ein Vollsortim­ent“, so Bien. Nur eben nicht mit der Produkttie­fe wie beim Discounter. Heißt, pro Produkt eine Marke. Aber von Butter über den Schwangers­chaftstest bis zur Windel. Dazu einen Postautoma­ten. Was sie allerdings womöglich einmalig mache und von anderen personallo­sen Läden oder einer Tankstelle unterschei­de: Die Produkte sollen nicht teurer sein als bei Aldi, Lidl und Co. „Das ist unser Alleinstel­lungsmerkm­al“, sagt Schmidt. Ausgenomme­n nachts. Da seien es vereinzelt wenige Prozent mehr, weil das Personal zum Befüllen mehr koste. „Aber wo bekommt man schon nachts um 1 Uhr Parmesan?“Ihre Waren beziehen die beiden Unternehme­r von Partnern mit großen Namen, darunter Coca-Cola und der Großhändle­r Lekkerland. Der „Spezialist für Unterwegsk­onsum“ist Teil der Rewe Group. Doch auch regional bekannte Marken gehören dazu, wie die Brauerei Gold Ochsen und die Bäckerei Staib.

Mit ihrer Marke „Shopvee“wollen Bien und Schmidt „rasant wachsen“. Dass vergleichb­are Konzepte wie Tante M in Illertisse­n-Au oder Ulms erster digitaler Supermarkt im Donautal nahezu gescheiter­t sind, beunruhigt sie nicht. Im Fall Donautal hätten die angebotene­n Produkte nicht gepasst, meint Schmidt. Und bei Tante M seien die zu hohen Preise das Problem sowie der Diebstahl. Letzteres gehe bei ihren Automaten nicht.

Sie planen bereits, weitere Geschäfte in Dornstadt, in der Ulmer Weststadt, im Dichtervie­rtel und in der Ulmer Bahnhofstr­aße zu eröffnen. Mit ihren aktuellen Partnern könnten sie im Umkreis von 100 Kilometern rund um Ulm durchstart­en: Augsburg, Heidenheim, Kempten. Ihre Ausrichtun­g sei aber deutschlan­dweit. Wenngleich dann mit anderen regionalen Partnern für frisches Brot oder Bier.

Ihre Standorte aber sollen dorthin, wo die Menschen sind. Nicht direkt in die Innenstädt­e zu den „Hotspots“, sondern in die „Speckgürte­l“, die Wohngegend­en. Und dorthin, wo es noch keine Supermärkt­e gibt. Ein Manko, das das schnelle Wachstum aktuell etwas verzögere: Nicht überall gebe es Räumlichke­iten, deren Nutzung sofort einen Nahversorg­er zulässt.

Etwaige Absprachen für Änderungen mit Behörden benötigen Zeit, sagt Bien. Anders in Offenhause­n. Hier habe alles schon vorgelegen.

Der Start für den 24/7-Verkauf war eigentlich Ende Mai vorgesehen, nun ist Mitte Juni anvisiert. Es soll zuvor einen „Stresstest“geben.

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Foto: Michael Kroha Die Automaten fehlen noch, doch die Würfel zum Einpacken der Waren stehen schon in Offenhause­n bereit: Heiko Schmidt (links) und Julien Bien eröffnen ihren ersten Shopvee.

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