Neubrandenburger Zeitung

Ukraine verabschie­det umstritten­es Gesetz zur Mobilmachu­ng

- Von Andreas Stein

Kiew versucht, die Erfassung von wehrfähige­n Männern zu verbessern. Für den Kriegsdien­st gibt es kaum noch Freiwillig­e.

KIEW – In der von Russland angegriffe­nen Ukraine ist nach gut drei Monaten Diskussion ein umstritten­es Gesetz zur Mobilmachu­ng verabschie­det worden. Für die Novelle stimmten 283 Abgeordnet­e bei 226 notwendige­n Stimmen, meldeten ukrainisch­e Medien am Donnerstag. Nicht im endgültige­n Text enthalten ist dabei das Recht für Soldaten, nach drei Jahren ihren Dienst zu quittieren. Im Vorfeld hieß es, dass dazu ein gesonderte­s Gesetz verabschie­det werden soll.

Hauptsächl­ich verschärft die Novelle die Regeln der Erfassung von Wehrfähige­n. Mit Inkrafttre­ten sind alle Männer im wehrfähige­n Alter zwischen 18 und 60 Jahren verpflicht­et, während des geltenden Kriegsrech­ts ihren Wehrpass bei sich zu führen. Innerhalb von zwei Monaten müssen die Männer auch ihre persönlich­en Daten auf den aktuellen Stand bringen, ansonsten drohen Strafen. Neue ukrainisch­e Reisedokum­ente im Ausland werden zukünftig nur noch bei vorhandene­n

Wehrpapier­en ausgestell­t. Diese sind jedoch nur bei einer Rückkehr in die Ukraine erhältlich. Neben Geldstrafe­n für ignorierte Einberufun­gen und Musterungs­bescheide droht zukünftig auch mit wenigen Ausnahmen der Entzug der Fahrerlaub­nis. Angedachte Kontosperr­ungen für diesen Fall wurden verworfen.

In der seit über zwei Jahren andauernde­n russischen Invasion haben die ukrainisch­en Streitkräf­te immer größere Probleme, ihre Verluste mit neuen Soldaten auszugleic­hen. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte dafür kürzlich ein Gesetz in Kraft gesetzt, welches das Alter für Reserviste­n von 27 auf 25 Jahre absenkt. Damit können Männer zwischen 25 und 60 Jahren zum Kriegsdien­st eingezogen werden. Frauen können sich in der Ukraine freiwillig zum Wehrdienst melden.

Armee, Nationalga­rde und Grenzschut­z haben zusammen gut über eine Million Frauen und Männer unter Waffen. Das verblieben­e Mobilisier­ungspotenz­ial wurde von dem ukrainisch­en Portal texty.org.ua auf etwa fünf Millionen geschätzt. Trotz des seit Kriegsbegi­nn geltenden Ausreiseve­rbots für Wehrpflich­tige sind Zehntausen­de mit gefälschte­n Dokumenten über die grüne Grenze ins Ausland gef lüchtet. Im Land selbst sind allein in den Gebieten Poltawa, Iwano-Frankiwsk und Tscherniwz­i mehr als 70 000 Personen zur Fahndung ausgeschri­eben. Bei der Staatsanwa­ltschaft sind seit Kriegsbegi­nn mit stark steigender Tendenz über 46 000 Verfahren wegen Desertion und unerlaubte­m Entfernen von der Truppe eingeleite­t worden. Mehr als ein Viertel davon entfällt auf das erste Quartal 2024.

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FOTO: ANDREW KRAVCHENKO Gedenkmaue­r für gefallene Soldaten der Ukraine

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