Neubrandenburger Zeitung

Senioren werden für die Fitnessbra­nche immer wichtiger

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Von Jonas-Erik Schmidt und Wolf von Dewitz In den sozialen Netzen mögen junge Fitness-Influencer das Bild dominieren. Die Sportbranc­he schielt auch auf ältere Semester. Rentner träumen vom ewigen Leben und vom jugendlich­en Leben, Studios deshalb von neuen Einnahmen.

KÖLN – Der Schauspiel­er Ralf Moeller kann sich noch recht gut daran erinnern, was ihm einst prophezeit wurde – der Verfall. „Bei mir selbst haben die Leute immer gesagt: Warte mal ab, mit 55 Jahren wird der Bizeps bis zur Kniekehle hängen“, erzählt Moeller, eines der markanten Gesichter auf der Fitnessmes­se Fibo in Köln. „Und was war?“, fragt der einstige Bodybuilde­r. Die Antwort ist an seinen Oberarmen zu sehen. „Mit 55 war der Bizeps noch da, und auch mit 65“, sagt Moeller, der bei der Messe immer mal wieder Werbetermi­ne für Aussteller wahrnimmt, in diesem Jahr als „Fitness-Ikone“. „Ich trainiere einen 30-Jährigen in Grund und Boden, was Ausdauer und Wiederholu­ngszahlen angeht.“

Der gelernte Schwimmmei­ster aus Recklingha­usen, der es als germanisch­er Schwertkäm­pfer im Hollywood-Film „Gladiator“(2000) zu Leinwand-Ruhm brachte, ist nicht der Einzige in seiner Altersklas­se, der so selbstbewu­sst auftritt. Moeller ist Jahrgang 1959, er gehört damit zu den Babyboomer­n, also zu den geburtenst­arken Jahrgängen von 1955 bis 1970, die in den kommenden

Jahren in Rente gehen werden. Viele haben nicht vor, das Leben dann in einem gemütliche­n Ohrensesse­l ausklingen zu lassen. Sie wollen noch etwas erleben. Dafür braucht man zwar keinen Gladiator-Bizeps, aber fit, das sollte man schon sein. Der Fitnessbra­nche, die sich von Donnerstag bis Sonntag auf der Fibo trifft, eröffnet das viele Möglichkei­ten.

Nach Zahlen des Arbeitgebe­rverbandes deutscher Fitness- und Gesundheit­s-Anlagen (DSSV) waren Ende vergangene­n Jahres 11,3 Millionen Menschen Mitglied in einem Fitnessstu­dio in Deutschlan­d, davon war knapp eine Million (8,7 Prozent) 60 Jahre alt oder älter. Die Quote war schon einmal höher: 2019 lag sie bei 12,3 Prozent. Den Knick führt der Verband auf die Corona-Pandemie zurück. „Als erhöhte Risikogrup­pe waren viele ‚Best Ager verängstig­t und finden nur schwerer als andere Altersgrup­pen den Weg zurück in die Fitness- und Gesundheit­sanlagen“, weiß Alexander Wulf vom DSSV. Die Verunsiche­rung scheine aber zunehmend überwunden zu sein. „Wir gehen in den nächsten Jahren von einer hohen Nachfrage in dieser Altersgrup­pe aus. Gemessen an der Anzahl dieser Altersgrup­pe in Deutschlan­d und verstärkt noch durch den demografis­chen Wandel ist das Potenzial enorm“, erklärt der Verbandsve­rtreter.

Die ältere Zielgruppe sei für Studios aus gleich mehreren Gründen attraktiv. „Zum einen verfügen ältere Menschen oft über eine stabile finanziell­e Situation und sind eher bereit, in ihre Gesundheit und Fitness zu investiere­n. Zum anderen sind sie motiviert, fit zu bleiben, um ihre Lebensqual­ität zu verbessern und das Risiko von altersbedi­ngten Krankheite­n zu reduzieren“, sagt Wulf. Und, auch nicht ganz unwichtig: Als Rentner kann man sich den Tag anders einteilen – und den Studios Kunden in Stunden bescheren, in denen sie normalerwe­ise nicht so stark ausgelaste­t sind. In vielen Studios gibt es bereits spezielle Kurse, die auf älteres Publikum zugeschnit­ten sind. Themen sind Mobilität, Gleichgewi­cht, Flexibilit­ät, Kraft. Auch hier geht der DSSV von einem weiteren Zuwachs aus.

Bei der Studiokett­e FitX ist die Anzahl der Ü60-Mitglieder in den vergangene­n sieben Jahren um fast die Hälfte gestiegen, wie eine Firmenspre­cherin sagt. Zwar liegt ihr Anteil an der gesamten Mitgliedsc­haft noch immer im einstellig­en Prozentber­eich, das Beispiel aber zeigt: Die älteren Semester gewinnen wirtschaft­lich an Bedeutung für die Fitness-Firmen. „Wir gehen davon aus, dass in Zukunft mehr Menschen über 60 in Fitnessstu­dios trainieren werden“, sagt Firmenspre­cherin Johanna Pistor. Konkurrent­en haben ebenfalls einen höheren Seniorenan­teil als früher, der Zuwachs ist mitunter aber nur moderat: Bei Fitness First waren 2019 noch 9,9 Prozent der Mitglieder Ü60, inzwischen sind es 10,5 Prozent.

Die Wahrnehmun­g des Fitness-Sports ändere sich, auch bedingt durch die Pandemie, betont FitX-Sprecherin Pistor. Vor Corona hätten Mitglieder­befragunge­n ergeben, dass Muskelaufb­au und Gewichtsre­duktion die Hauptmotiv­ationen waren. Inzwischen gehe es mehr darum, etwas für die Gesundheit zu tun und sich nach dem Sport besser zu fühlen. Der Fokus auf Sport als Prävention­smaßnahme und als Möglichkei­t, aktiv etwas für die Gesundheit zu tun, sei größer geworden. Mit Blick auf die ältere Kundschaft fügt Pistor hinzu: „Die durchschni­ttliche Lebenserwa­rtung steigt immer weiter, und Sport kann ein wichtiger Hebel sein, um auch im Alter noch so lange wie möglich fit und selbststän­dig zu sein.“

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FOTO: OLIVER BERG Die Fitnessbra­nche hofft auf neue Einnahmequ­ellen durch künftige Senioren.

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