Zur Person: Karin Geister (geb. Asmus)
Frau Geister, wie erfuhren Sie davon, dass die „Kaule“Filmkinder von damals gesucht werden?
Meine Schwester, Freunde, Verwandten hatten den Beitrag im Nordkurier gelesen und noch am selben Tag an mich geschickt. Natürlich haben wir dann gleich miteinander telefoniert. Sie machten mir Mut, mich zu melden.
Was ging in Ihnen vor, als Sie den Aufruf lasen?
Ich war überrascht. Niemals hätte ich gedacht, dass dieses Erlebnis nach fast 40 Jahren noch einmal aktuell werden könnte und sich jemand dafür interessiert.
Woran haben Sie sich zuerst erinnert?
Irgendwie dachte ich gleich an Kaule, und was er wohl heute macht. Wir waren ja damals noch Kinder. Komischerweise verloren wir uns nach den Dreharbeiten aus den Augen. Im Nachhinein finde ich es schon schade, dass wir keinen Kontakt gehalten haben.
Wie wurden Sie seinerzeit als „Kaules Freundin“entdeckt?
Ein Filmteam aus Babelsberg hatte in Neubrandenburger und Neustrelitzer Schulen nach Darstellern für den Film gesucht, darunter ein elfjähriges Mädchen für die Rolle der Karola. Ich war unter den Ausgewählten, die ein Märchen nacherzählen sollten. Zusammen mit noch einem Mädchen wurde ich nach Babelsberg zu Probeaufnahmen eingeladen. Mit großer Spannung erwarteten wir zwei das Ergebnis. Klar, dass jede von uns die Rolle wollte.
Und als die Entscheidung auf Sie fiel ...
... war die Freude natürlich groß. Wobei ich anfangs nicht so recht wusste, was auf mich zukommt. Denn eigentlich war ich ein eher ängstlicher Typ und wollte nicht von zu Hause weg.
Wie haben Sie dann die Dreharbeiten erlebt?
Alles war neu, ungewohnt. Aber auch aufregend und spannend. Es hat mir schließlich viel Spaß gemacht, selbst wenn Regisseur Rainer Bär etwas Mühe hatte, mich zum Weinen oder Kaule zum Lachen zu bringen. An zwei Filmszenen erinnere ich mich besonders: Als sich die Ziege von Tante Sophie erhängt hatte, und wir beide
„auf Bestellung“weinen sollten. Und in einer anderen Szene musste ich vor dem Bullen „Napoleon“weglaufen und mich hinwerfen. Diese Szene wurde an die 15-mal geprobt, bevor sie im „Kasten“war.
Wo fanden die Dreharbeiten statt?
Die Innenaufnahmen in den Filmstudios Babelsberg. Was die Außenaufnahmen betrifft, half mir meine Schwester auf die Sprünge. Auf dem Dachboden stöberte sie Kalender mit über 50 Jahre alten Eintragungen meiner Eltern auf. Darin lasen wir dann: „Karin abgeholt nach Triepkendorf.“Oder „Die DEFA hat geschrieben ...“Das nach so vielen Jahren zu lesen, war berührend. Ich erinnere mich auch noch gut an das alte Gutshaus, wo unter anderem gedreht wurde.
Kannten Sie seinerzeit die gleichnamige literarische Vorlage von Alfred Wellm?
Damals noch nicht, aber ein Jahr nach den Dreharbeiten wurde das Buch Lesestoff der sechsten Klasse.
Hatten Sie nach Ihrem Filmdebüt Lust auf mehr?
Eigentlich nicht. Ich fand es zwar schön und interessant, in eine Rolle zu schlüpfen, hatte aber weiter keine Ambitionen. Allerdings kam während meiner Studienzeit in Berlin Rainer Bär noch einmal auf mich zu und lud mich zu Probeaufnahmen für eine Rolle im „Polizeiruf 110“ein. Diese bekam dann aber doch eine andere Bewerberin.
„Kaule“-Premiere war im Mai 1967 in Berlin. Wie war das für Sie?
Gemeinsam mit meinen Eltern den Film zu sehen, war für uns alle ein tolles Erlebnis. Mich selbst auf der Leinwand zu erleben, war zunächst allerdings komisch. Ich fand mich nicht natürlich und dachte, das sieht aber gekünstelt aus. Familie und Freunde dagegen empfanden das gar nicht so. Selbst viele Jahre später meinten sie, Mimik und Gestik seien noch genauso; „sogar die Haare machst du dir immer noch so hinters Ohr ...“.
Sie sind eingeladen zum Filmkunstfestival nach Schwerin. Worauf freuen Sie sich am meisten?
Den frisch restaurierten Film nach so langer Zeit auf großer Leinwand zu erleben. Zusammen mit ehemaligen „Schauspielerkollegen“, auf die ich sehr gespannt bin. Vor allem auf Kaule. Als ich neulich alte Fotos, Prospekte, Zeitungsartikel nochmal hervorgeholt habe, entdeckte ich einen Brief von ihm aus dem Jahr 1967! Den hatte ich ganz vergessen. Beim Lesen musste ich schmunzeln: Ein richtig schöner Kinderbrief, mit Fotos von der Premiere.
Da Hartmut Schwerdtfeger auch nach Schwerin kommt, werden sie sich sicher auch begegnen. Sie leben seit 30 Jahren in Nordrhein-Westfalen. Welche Bezüge haben Sie noch zu Ihrer „alten“Heimat?
Mein Mann und ich haben regelmäßig Kontakt zu Verwandten und Freunden. So oft es geht, sind wir in Neubrandenburg oder machen Urlaub auf Usedom. Früher gab es immer mal den Gedanken, als Rentnerin zurückzukommen. Doch wenn man fünf Enkelkinder um sich herum hat, zieht man nicht mehr weg. Aber wenn wir nach Mecklenburg fahren, sage ich immer: „Ich fahre nach Hause.“
Wenn Sie „Zuhause“sind, in welche „Ecken“zieht es Sie dann?
Ach, da gibt es so viele. Natürlich zieht es mich jedes Mal zum Tollensesee und ins Zentrum. Ich bin schon so lange weg, aber in der Innenstadt kenne ich heute noch jede Ecke. Ach, ich mag diese Stadt einfach und komme immer wieder gern nach Neubrandenburg.
NEUBRANDENBURG – - 1955 in Neubrandenburg geboren und aufgewachsen - nach dem Abitur Fachhochschulstudium in Berlin (Ingenieur-Ökonom) - nach dem Studium u. a. Bekleidungswerk Altentreptow, Nagema Neubrandenburg - wohnt seit 1990 in NordrheinWestfalen - bis 2018 Agentur für Arbeit - zwei erwachsene Söhne, fünf Enkelkinder