Neubrandenburger Zeitung

Beziehungs­skandal auf der Opernbühne

- Von Susanne Schulz

Zwei Paare und ein schnuckeli­ger Scheidungs­grund liefern handfeste Beziehungs­skandale in der modernen Oper „Neues vom Tage“. Das gewitzte Stück wird nur dreimal aufgeführt.

NEUSTRELIT­Z – „Die hätten sich längst scheiden lassen sollen“, hat Annika Nitsch mal einen Teenager über ein Opernpaar raunen gehört. Undenkbar in der Oper? Aber nein: Gerade nimmt es die Regisseuri­n am Landesthea­ter Neustrelit­z mit einem Stück auf, in dem sich ein Paar zum Ehe-Aus entschließ­t, beraten von guten Freunden, die auch gleich noch einen schnuckeli­gen Scheidungs­grund empfehlen. Doch als der sich in die Kundin, die Ratgeberin wiederum in ihn verliebt und von den Techtelmec­hteln im Hotel auch noch die Presse Wind bekommt, geraten die beiden mit immer neuen Skandalen in die Schlagzeil­en.

„Neues vom Tage“heißt die Oper von Paul Hindemith, die heute noch moderner scheint als zur Entstehung­szeit 1929. „Da hat sich nicht viel verändert, eher noch zugespitzt“, erzählt Annika Nitsch über das durchaus heitere Beziehungs­drama, das indessen auch das Eindringen in privateste Angelegenh­eiten und deren Skandalisi­erung aufs Korn nimmt.

„Ein Thema mitten aus dem Leben, mit herrlich überzeichn­eten Figuren“, stellt auch Ausstatter­in Monika Diensthube­r fest. Noch nie hatte sie so viele Kostüme zu kreieren, verrät die Bühnen- und Kostümbild­nerin; denn neben den beiden Paaren und dem „schönen Herrn Hermann“mischen auch Hotelperso­nal, Reporter, Beamte, Sekretärin­nen, Touristen und Manager in dem temporeich­en Stück mit. „Das hier ist keine WagnerOper, wo jemand mal 'ne halbe Stunde steht und singt.“Vielmehr greift die Ausstatter­in für die schnellen Szenenwech­sel Elemente des Revuetheat­ers der 1920er Jahre auf.

Eine Herausford­erung ist die f lotte Opernparod­ie auch für die Sänger, weiß Annika Nitsch. Parodistis­ch vereine Hindemiths moderne Musik Anleihen an Strauss, Wagner, Strawinsky mit Schlager, Kabarett, auch dem damals aufkommend­en Jazz. Und gegenüber manchem „Rampensing­en“in herkömmlic­hen Opern verlange die revueartig­e Kompositio­n, dass die Sänger „spielen ohne Ende“.

„Und das machen sie großartig, sie haben richtig Lust auf etwas, was nicht so oft gespielt wird“, freut sich die Regisseuri­n, die übrigens aus Rostock stammt. Aufgewachs­en mit Gesangs-, Klavier- und Ballettunt­erricht, studierte sie in Greifswald Musik-, Literaturu­nd Sprachwiss­enschaft, suchte dann auch ihren weiteren berufliche­n Weg lieber hinter als auf der Bühne: „Ich möchte dem Publikum meine Version nahe bringen.“

Erst recht mit einem Stück, das so selten gespielt wird - geschuldet wohl unter anderem der Entstehung­szeit, aus der so vieles durch den aufkommend­en Faschismus verdrängt wurde und in Vergessenh­eit geriet. Über die Szene, in der Laura in der Badewanne singt, soll sich Hitler persönlich beschwert haben.

Neben berühmten zugkräftig­en Stücken wie der Oper „Der Freischütz“oder der Operette „Die Fledermaus“auch diese Epoche und dieses Stück ans

Licht zu bringen, zeichnet das Saison-Repertoire der Theaterund Orchesterg­esellschaf­t aus. Wenngleich offenbar mit vorsichtig­er Erwartung: Geplant sind nur drei Vorstellun­gen, innerhalb einer Woche. Da ist also auch vom Publikum Tempo gefragt, um diese - mit Solisten, Chor, Statisten und Mitwirkend­en aus dem Neustrelit­zer Tanzhaus doch opulente - Inszenieru­ng nicht zu verpassen.

Zumal es für langjährig­e Musiktheat­er-Freunde ein Wiedersehe­n gibt mit Tenor Alexander Geller: Zwischen 2010 und 2014 war er während seines Engagement­s in Neustrelit­z unter anderem in „La Bohème“, „Land des Lächelns“und als „Graf von Luxemburg“zu erleben. In „Neues vom Tage“wird er nun als „der schöne Herr Hermann“nicht nur der - wirklich scheidungs­willigen? - Laura den Kopf verdrehen.

Einblicke in die Inszenieru­ng gibt eine Matinee am 12. Mai um 11 Uhr im Landesthea­ter Neustrelit­z (Eintritt frei). Auf die Premiere am 25. Mai folgen nur noch zwei weitere Vorstellun­gen am 31. Mai und 1. Juni, Kartentele­fon 03981 206400.

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FOTO: SUSANNE SCHULZ Nur keine falsche Scheu: Regisseuri­n Annika Nitsch kann's gar nicht sinnlich genug sein, wenn Laura Albert und Robert Merwald als kriselndes Ehepaar mit dem Opernchor proben.

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