Beziehungsskandal auf der Opernbühne
Zwei Paare und ein schnuckeliger Scheidungsgrund liefern handfeste Beziehungsskandale in der modernen Oper „Neues vom Tage“. Das gewitzte Stück wird nur dreimal aufgeführt.
NEUSTRELITZ – „Die hätten sich längst scheiden lassen sollen“, hat Annika Nitsch mal einen Teenager über ein Opernpaar raunen gehört. Undenkbar in der Oper? Aber nein: Gerade nimmt es die Regisseurin am Landestheater Neustrelitz mit einem Stück auf, in dem sich ein Paar zum Ehe-Aus entschließt, beraten von guten Freunden, die auch gleich noch einen schnuckeligen Scheidungsgrund empfehlen. Doch als der sich in die Kundin, die Ratgeberin wiederum in ihn verliebt und von den Techtelmechteln im Hotel auch noch die Presse Wind bekommt, geraten die beiden mit immer neuen Skandalen in die Schlagzeilen.
„Neues vom Tage“heißt die Oper von Paul Hindemith, die heute noch moderner scheint als zur Entstehungszeit 1929. „Da hat sich nicht viel verändert, eher noch zugespitzt“, erzählt Annika Nitsch über das durchaus heitere Beziehungsdrama, das indessen auch das Eindringen in privateste Angelegenheiten und deren Skandalisierung aufs Korn nimmt.
„Ein Thema mitten aus dem Leben, mit herrlich überzeichneten Figuren“, stellt auch Ausstatterin Monika Diensthuber fest. Noch nie hatte sie so viele Kostüme zu kreieren, verrät die Bühnen- und Kostümbildnerin; denn neben den beiden Paaren und dem „schönen Herrn Hermann“mischen auch Hotelpersonal, Reporter, Beamte, Sekretärinnen, Touristen und Manager in dem temporeichen Stück mit. „Das hier ist keine WagnerOper, wo jemand mal 'ne halbe Stunde steht und singt.“Vielmehr greift die Ausstatterin für die schnellen Szenenwechsel Elemente des Revuetheaters der 1920er Jahre auf.
Eine Herausforderung ist die f lotte Opernparodie auch für die Sänger, weiß Annika Nitsch. Parodistisch vereine Hindemiths moderne Musik Anleihen an Strauss, Wagner, Strawinsky mit Schlager, Kabarett, auch dem damals aufkommenden Jazz. Und gegenüber manchem „Rampensingen“in herkömmlichen Opern verlange die revueartige Komposition, dass die Sänger „spielen ohne Ende“.
„Und das machen sie großartig, sie haben richtig Lust auf etwas, was nicht so oft gespielt wird“, freut sich die Regisseurin, die übrigens aus Rostock stammt. Aufgewachsen mit Gesangs-, Klavier- und Ballettunterricht, studierte sie in Greifswald Musik-, Literaturund Sprachwissenschaft, suchte dann auch ihren weiteren beruflichen Weg lieber hinter als auf der Bühne: „Ich möchte dem Publikum meine Version nahe bringen.“
Erst recht mit einem Stück, das so selten gespielt wird - geschuldet wohl unter anderem der Entstehungszeit, aus der so vieles durch den aufkommenden Faschismus verdrängt wurde und in Vergessenheit geriet. Über die Szene, in der Laura in der Badewanne singt, soll sich Hitler persönlich beschwert haben.
Neben berühmten zugkräftigen Stücken wie der Oper „Der Freischütz“oder der Operette „Die Fledermaus“auch diese Epoche und dieses Stück ans
Licht zu bringen, zeichnet das Saison-Repertoire der Theaterund Orchestergesellschaft aus. Wenngleich offenbar mit vorsichtiger Erwartung: Geplant sind nur drei Vorstellungen, innerhalb einer Woche. Da ist also auch vom Publikum Tempo gefragt, um diese - mit Solisten, Chor, Statisten und Mitwirkenden aus dem Neustrelitzer Tanzhaus doch opulente - Inszenierung nicht zu verpassen.
Zumal es für langjährige Musiktheater-Freunde ein Wiedersehen gibt mit Tenor Alexander Geller: Zwischen 2010 und 2014 war er während seines Engagements in Neustrelitz unter anderem in „La Bohème“, „Land des Lächelns“und als „Graf von Luxemburg“zu erleben. In „Neues vom Tage“wird er nun als „der schöne Herr Hermann“nicht nur der - wirklich scheidungswilligen? - Laura den Kopf verdrehen.
Einblicke in die Inszenierung gibt eine Matinee am 12. Mai um 11 Uhr im Landestheater Neustrelitz (Eintritt frei). Auf die Premiere am 25. Mai folgen nur noch zwei weitere Vorstellungen am 31. Mai und 1. Juni, Kartentelefon 03981 206400.