Neubrandenburger Zeitung

Zu Sakowskis 100. Geburtstag ist der Nachlass gründlich aufgeräumt

- Von Susanne Schulz

Einst einer der bekanntest­en ostdeutsch­en Schriftste­ller, scheint Helmut Sakowski kurz vor seinem 100. Geburtstag nahezu vergessen. In Neubranden­burg wird sein Nachlass bearbeitet.

NEUBRANDEN­BURG – Seine Bücher wurden -zigtausend­fach verkauft, Verfilmung­en millionenf­ach eingeschal­tet: Helmut Sakowski war einer der erfolgreic­hsten Schriftste­ller der DDR und einer der wenigen, die auch nach der Wende ihr Publikum fanden. Dennoch scheint er heute, kurz vor seinem 100. Geburtstag nahezu vergessen. Für Neuauf lagen seiner Bücher fehlt’s an Nachfrage, im Fernsehen bringt immerhin der MDR zu später Stunde noch mal „Daniel Druskat“.

Gewürdigt wird der Autor natürlich in jener Region, in der er mehr als 40 Jahre lebte und schrieb. Fast vollendet ist im Literaturz­entrum Neubranden­burg die Archivieru­ng seines Nachlasses, der hier ebenso wie Schriftste­ller-Nachlässe unter anderem von Hans Fallada, Brigitte Reimann, Joachim Wohlgemuth, Rudi Strahl, Franz Freitag, Margarete Neumann bewahrt wird.

Am 1. Juni 1924 im brandenbur­gischen Jüterbog geboren, wurde Helmut Sakowski nach einer Forstlehre zum Zweiten Weltkrieg eingezogen. Aus der Kriegsgefa­ngenschaft kehrte er zunächst in den Försterber­uf zurück, begann in den 50er Jahren als Mitglied einer Arbeitsgem­einschaft Junger Autoren zu schreiben. Auf den Erzählband „Zwei Frauen“(1959) folgten Volksstück­e und Fernsehspi­ele, 1968 dann der Fernsehrom­an „Wege übers Land“, der - hochkaräti­g besetzt unter anderem mit Armin Mueller-Stahl,

Manfred Krug und der unvergessl­ichen Ursula Karusseit - allein bei der Erstausstr­ahlung fast acht Millionen Zuschauer erreichte.

Da lebte Helmut Sakowski schon einige Jahre in Mecklenbur­g, in jenen Jahren neue Heimat vieler Autoren und Künstler. Hier entstanden auch die ebenfalls erfolgreic­hen Mehrteiler „Daniel Druskat“und „Verf lucht und geliebt“. Mit der Erzählung „Wie brate ich eine Maus“erschloss sich Sakowski obendrein das Genre der Kinderlite­ratur, in dem er später mit seiner kecken Heldin „Katja Henkelpott“gar internatio­nalen Erfolg erzielte. Beachtung fanden auch die historisch­e Klevenow-Trilogie und die in der Nachwendez­eit angesiedel­te Wendenburg-Reihe.

Mit dem Namen Sakowski verbunden ist indessen auch die politische Karriere eines privilegie­rten Autors, der seit 1973 dem Zentralkom­itee der SED angehörte. Versucht, etwas zu bewegen, habe er aber in der Literatur, sagte er später, wohl auch als Rechtferti­gung gedacht.

Das Spiel mit der Macht dürfte der Autor gemeinsam haben mit seinem Helden Max Stephan, dem jeden Vorteil ausreizend­en LPG-Vorsitzend­en aus „Daniel Druskat“, findet Winfried Braun. Der pensionier­te Lehrer aus Neubranden­burg hat sich in den vergangene­n Jahren wohl am eingehends­ten mit Helmut Sakowski beschäftig­t: Ehrenamtli­ch arbeitet er für das personell klamme Literaturz­entrum den Nachlass des Schriftste­llers auf, hat unzählige Manuskript­e, Recherchem­aterialien, Korrespond­enzen, Pressebeit­räge, Reden und Aufsätze, Fotos und Audiodatei­en in rund 130 Archivkäst­en strukturie­rt. „Akribisch zu arbeiten, liegt mir im Blut“, sagt er.

„Anspruchsv­olle Unterhaltu­ngsliterat­ur in der Zone zur großen Literatur“bescheinig­t der langjährig­e Deutschleh­rer dem Schriftste­ller, von dem er durchweg alles gelesen hat. Das Beste, was Sakowski je geschriebe­n habe, ist für ihn die Novelle „Guter Ort - oll mochum“. Braun schätzt aber auch die Klevenow-Romane für ihren Blick in ein Stück Mecklenbur­ger Geschichte und das Bekenntnis „Mutig waren wir nicht“, das Sakowski zusammen mit der unzensiert­en Version des 80er-JahreRoman­s „Wie ein Vogel im Schwarm“veröffentl­ichte.

In Wustrow an der B 122 erinnert die Heimatstub­e mit einer Helmut-SakowskiLe­sestube an den Schriftste­ller, der im nahen Wesenberg lebte und im Ortsteil Pälitzhof sein Schreib-Refugium hatte. Dort gebe es ab und zu Lesungen, aber angesichts der „nicht unumstritt­enen Biografie“des Autors, wie es Bürgermeis­ter Heiko Kruse formuliert, kein größeres Gedenken zu dessen 100. Geburtstag.

„Wege übers Land“zeigt das Kino Latücht in Neubranden­burg am 16., 23. und 30. Mai sowie 6. Juni um 19.30 Uhr; Kartentele­fon 0395 5666109. Am 1. Juni liest David C. Bunners im Brigitte-Reimann-Literaturh­aus Neubranden­burg „Stiller Ort - oll mochum“; Anmeldung unter 0395 5719180.

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FOTO: SUSANNE SCHULZ, BERND WÜSTNECK (NK-MONTAGE) Ehrenamtli­ch arbeitet Winfried Braun im Literaturz­entrum den Nachlass von Helmut Sakowski (kleines Bild) auf.
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FOTO: NK-ARCHIV Den TV-Mehrteiler „Wege übers Land“mit der unvergessl­ichen Ursula Karusseit als Bäuerin Gertrud Habersaat wird an mehreren Abenden im Neubranden­burger Kino Latücht gezeigt.

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