Zu Sakowskis 100. Geburtstag ist der Nachlass gründlich aufgeräumt
Einst einer der bekanntesten ostdeutschen Schriftsteller, scheint Helmut Sakowski kurz vor seinem 100. Geburtstag nahezu vergessen. In Neubrandenburg wird sein Nachlass bearbeitet.
NEUBRANDENBURG – Seine Bücher wurden -zigtausendfach verkauft, Verfilmungen millionenfach eingeschaltet: Helmut Sakowski war einer der erfolgreichsten Schriftsteller der DDR und einer der wenigen, die auch nach der Wende ihr Publikum fanden. Dennoch scheint er heute, kurz vor seinem 100. Geburtstag nahezu vergessen. Für Neuauf lagen seiner Bücher fehlt’s an Nachfrage, im Fernsehen bringt immerhin der MDR zu später Stunde noch mal „Daniel Druskat“.
Gewürdigt wird der Autor natürlich in jener Region, in der er mehr als 40 Jahre lebte und schrieb. Fast vollendet ist im Literaturzentrum Neubrandenburg die Archivierung seines Nachlasses, der hier ebenso wie Schriftsteller-Nachlässe unter anderem von Hans Fallada, Brigitte Reimann, Joachim Wohlgemuth, Rudi Strahl, Franz Freitag, Margarete Neumann bewahrt wird.
Am 1. Juni 1924 im brandenburgischen Jüterbog geboren, wurde Helmut Sakowski nach einer Forstlehre zum Zweiten Weltkrieg eingezogen. Aus der Kriegsgefangenschaft kehrte er zunächst in den Försterberuf zurück, begann in den 50er Jahren als Mitglied einer Arbeitsgemeinschaft Junger Autoren zu schreiben. Auf den Erzählband „Zwei Frauen“(1959) folgten Volksstücke und Fernsehspiele, 1968 dann der Fernsehroman „Wege übers Land“, der - hochkarätig besetzt unter anderem mit Armin Mueller-Stahl,
Manfred Krug und der unvergesslichen Ursula Karusseit - allein bei der Erstausstrahlung fast acht Millionen Zuschauer erreichte.
Da lebte Helmut Sakowski schon einige Jahre in Mecklenburg, in jenen Jahren neue Heimat vieler Autoren und Künstler. Hier entstanden auch die ebenfalls erfolgreichen Mehrteiler „Daniel Druskat“und „Verf lucht und geliebt“. Mit der Erzählung „Wie brate ich eine Maus“erschloss sich Sakowski obendrein das Genre der Kinderliteratur, in dem er später mit seiner kecken Heldin „Katja Henkelpott“gar internationalen Erfolg erzielte. Beachtung fanden auch die historische Klevenow-Trilogie und die in der Nachwendezeit angesiedelte Wendenburg-Reihe.
Mit dem Namen Sakowski verbunden ist indessen auch die politische Karriere eines privilegierten Autors, der seit 1973 dem Zentralkomitee der SED angehörte. Versucht, etwas zu bewegen, habe er aber in der Literatur, sagte er später, wohl auch als Rechtfertigung gedacht.
Das Spiel mit der Macht dürfte der Autor gemeinsam haben mit seinem Helden Max Stephan, dem jeden Vorteil ausreizenden LPG-Vorsitzenden aus „Daniel Druskat“, findet Winfried Braun. Der pensionierte Lehrer aus Neubrandenburg hat sich in den vergangenen Jahren wohl am eingehendsten mit Helmut Sakowski beschäftigt: Ehrenamtlich arbeitet er für das personell klamme Literaturzentrum den Nachlass des Schriftstellers auf, hat unzählige Manuskripte, Recherchematerialien, Korrespondenzen, Pressebeiträge, Reden und Aufsätze, Fotos und Audiodateien in rund 130 Archivkästen strukturiert. „Akribisch zu arbeiten, liegt mir im Blut“, sagt er.
„Anspruchsvolle Unterhaltungsliteratur in der Zone zur großen Literatur“bescheinigt der langjährige Deutschlehrer dem Schriftsteller, von dem er durchweg alles gelesen hat. Das Beste, was Sakowski je geschrieben habe, ist für ihn die Novelle „Guter Ort - oll mochum“. Braun schätzt aber auch die Klevenow-Romane für ihren Blick in ein Stück Mecklenburger Geschichte und das Bekenntnis „Mutig waren wir nicht“, das Sakowski zusammen mit der unzensierten Version des 80er-JahreRomans „Wie ein Vogel im Schwarm“veröffentlichte.
In Wustrow an der B 122 erinnert die Heimatstube mit einer Helmut-SakowskiLesestube an den Schriftsteller, der im nahen Wesenberg lebte und im Ortsteil Pälitzhof sein Schreib-Refugium hatte. Dort gebe es ab und zu Lesungen, aber angesichts der „nicht unumstrittenen Biografie“des Autors, wie es Bürgermeister Heiko Kruse formuliert, kein größeres Gedenken zu dessen 100. Geburtstag.
„Wege übers Land“zeigt das Kino Latücht in Neubrandenburg am 16., 23. und 30. Mai sowie 6. Juni um 19.30 Uhr; Kartentelefon 0395 5666109. Am 1. Juni liest David C. Bunners im Brigitte-Reimann-Literaturhaus Neubrandenburg „Stiller Ort - oll mochum“; Anmeldung unter 0395 5719180.