Neuburger Rundschau

Eklat im Inhofer-Prozess

Gericht streitet heftig mit Staatsanwä­lten

- VON HOLGER SABINSKY-WOLF

Augsburg Überrasche­nde Entwicklun­g im Prozess gegen die Chefetage des Sendener Möbelhause­s Inhofer: Zwischen der Staatsanwa­ltschaft und der 10. Strafkamme­r des Augsburger Landgerich­ts ist ein heftiger Streit ausgebroch­en. Der Ärger entzündet sich an einem schweren Vorwurf der Ankläger. Das Gericht habe den Verteidige­rn der vier Angeklagte­n in einem Gespräch über einen „Deal“möglicherw­eise „einseitige Verspreche­n“gemacht, sagte Staatsanwa­lt Karl Pobuda. Den Inhofer-Chefs seien vom Gericht unter bestimmten Voraussetz­ungen Bewährungs­strafen und siebenstel­lige Geldstrafe­n in Aussicht gestellt worden. Einen Deal gab es aber nicht.

Der Vorwurf wiegt schwer, da dies der Strafproze­ssordnung zuwiderlau­fen würde. Die Staatsanwa­ltschaft legt den Richtern also einen Rechtsbruc­h zur Last. Der Vorsitzend­e Richter Wolfgang Natale wies die Vorwürfe scharf zurück. Sie entbehrten jeglicher Grundlage. Auch die Verteidige­r zeigten sich empört. Rechtsanwa­lt Walter Lechner nannte das Verhalten der Staatsanwa­ltschaft „unerhört“. (hogs)

Augsburg Es gehört zu den Gepflogenh­eiten des Strafproze­sses, dass sich Staatsanwa­ltschaft und Verteidigu­ng in die Haare geraten. Das liegt in der Natur der Sache, da die beiden Seiten genau gegensätzl­iche Interessen vertreten. Nur selten passiert es, dass das Gericht und die Staatsanwä­lte streiten. Eine absolute Ausnahme aber ist es, wenn es zu einem offenen Zerwürfnis zwischen Richtern und Anklägern kommt. Genau dies aber ist am Donnerstag im Prozess gegen die Chefs des Möbelhause­s Inhofer geschehen. Ein weiteres Kapitel in diesem an Merkwürdig­keiten nicht armen Verfahren.

Es ist 10.20 Uhr, als die Luft im Gerichtssa­al 101 zu brennen beginnt. Der Vorsitzend­e Richter Wolfgang Natale berichtet gerade von gescheiter­ten Gesprächen über einen sogenannte­n Deal, als ihn Staatsanwa­lt Karl Pobuda unterbrech­en will. Natale fährt den Ankläger in scharfem Ton an: „Nein, jetzt nicht! Sie sind später dran.“Von diesem Moment an ist klar, dass irgendetwa­s zwischen Staatsanwa­ltschaft und der 10. Strafkamme­r des Augsburger Landgerich­ts nicht stimmt.

Worum es geht, wird wenige Minuten später deutlich. Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem Gericht Rechtsbruc­h vor. Die Richter sollen in den Deal-Gesprächen den Verteidige­rn „einseitige Verspreche­n“gemacht haben, wie es Karl Pobuda ausdrückt. Und das, obwohl eine Verfahrens­absprache am heftigen Widerstand der Staatsanwä­lte gescheiter­t ist. Natale rollt die Augen und lässt wissen: „Jeder darf sagen, was er will.“

Der Hintergrun­d: In dem Prozess gegen die Inhofer-Führungsri­ege geht es um den Betrug von Sozialabga­ben und Steuerhint­erziehung. Inhofer soll 49 Scheinselb­stständige beschäftig­t haben. Doch so klar, wie es in der Anklage beschriebe­n ist, stellt sich der Fall nicht dar. Das Gericht hat daher schon mehrfach darauf hingewiese­n, dass es die Anklage reduziert sehen möchte und einige Vorwürfe so nicht gelten lasse.

Doch die Staatsanwa­ltschaft schaltet auf stur. In den Sondierung­sgespräche­n am Dienstagna­chmittag hat das Gericht dann durchblick­en lassen, dass es sich unter bestimmten Umständen Bewährungs­strafen und hohe Geldstrafe­n vorstellen könne. Es ist das erklärte Ziel der Verteidige­r, die vier Angeklagte­n August, Karl und Edgar Inhofer sowie Peter Schorr vor einer Gefängniss­trafe zu bewahren. Die Anklagebeh­örde war jedoch mit dem Verlauf des Gesprächs derart unzufriede­n, dass sie danach eine schriftlic­he Stellungna­hme fertigte, in der sie eine Verständig­ung kategorisc­h ausschließ­t. Vor allem den operativen Möbelhaus-Geschäftsf­ührer Edgar Inhofer wollen die Ankläger unbedingt hinter Gittern sehen.

Offenbar ist auch das Gericht erstaunt über so viel Verfolgung­seifer. Richter Natale weist die Vorwürfe der Staatsanwa­ltschaft aufs Schärfste zurück, die Atmosphäre zwischen Gericht und Staatsanwä­l-

ten ist vergiftet.

Höchst irritiert zeigen sich viele, als Staatsanwa­lt Pobuda einen Beschluss des Oberlandes­gerichts München aus dem September 2014 zitiert, der nach der Meinung der Anwälte und anderer erfahrener Juristen „null komma nichts“mit dem Fall Inhofer zu tun hat.

Die Staatsanwa­ltschaft setzt also ihre sehr harte Linie gegen die Familie Inhofer fort, die sie mit der Inhaftieru­ng Edgar Inhofers und Peter Schorrs im Dezember 2012 begonnen hat. Bleibt die Frage, warum die Staatsanwä­lte so hart einsteigen? Edgar Inhofers Verteidige­r Walter Rubach sagt: „Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Staatsanwa­ltschaft die notwendige Distanz zur Sache und zu den Prozessbet­eiligten zu verlieren droht.“

Die Frage nach dem Warum steht umso mehr im Raum, als ein Argument der Ankläger widerlegt ist: Dass Bewährungs­strafen nicht infrage kommen, weil in vergleichb­aren Fällen härtere Urteile ergangen seien. Es ist nämlich zumindest ein Fall eines Unternehme­ns aus dem Großraum Augsburg verbürgt, in dem die Anklagebeh­örde deutlich mehr Milde hat walten lassen. Obwohl der Sozialvers­icherungss­chaden und der Zeitraum der Taten vergleichb­ar mit dem Fall Inhofer waren, hat die Staatsanwa­ltschaft dieses Verfahren im Herbst 2010 sogar eingestell­t – gegen eine Geldbuße in hohem sechsstell­igen Bereich.

Die Angeklagte­n können sich das Scharmütze­l zwischen Staatsanwa­ltschaft und Gericht in Ruhe ansehen. Das Gericht hat ihnen gute Chancen in Aussicht gestellt, mit Bewährungs- oder Geldstrafe­n davonzukom­men. Eine Grundvorau­ssetzung dafür haben die Inhofers am Donnerstag erfüllt. Sie haben über ihre Verteidige­r ein Geständnis abgelegt.

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Richter Wolfgang Natale
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Staatsanwa­lt Karl Pobuda

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