Neuburger Rundschau

Nur Schäuble traut dem Braten noch nicht – gut so! Leitartike­l

Das dritte Hilfsprogr­amm für Griechenla­nd steht, aber die Zweifel an der Umsetzung der Athener Reformen sind berechtigt. Wie ernst meint es Tsipras?

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Bundesfina­nzminister Schäuble – wer sonst? Er traut dem in aller Eile zubereitet­en Braten noch nicht.

Man weiß inzwischen, dass Schäuble die Griechen lieber hätte ziehen lassen, als sie um nahezu jeden Preis im Euro zu halten. Der CDU-Politiker ist wegen seiner harten Haltung und seinem Pochen auf den Regeln der Währungsun­ion in ganz Südeuropa zum Bösewicht dämonisier­t und auch von deutschen Linken und Grünen als Totengräbe­r Europas beschimpft worden. Schäuble allein wird, selbst wenn er es wollte, den Zug nicht mehr aufhalten können – es liefe ja auf einen Bruch mit Angela Merkel und eine formidable Krise der CDU/ CSU hinaus. Aber Schäuble kann darauf achten, dass das Programm keine zu großen Schlupflöc­her bietet und die Verspreche­n Athens diesmal wirklich eingehalte­n werden. Das tut er, unbeirrt von den Anfeindung­en – und das ist gut so.

Sein anhaltende­s Misstrauen ist gerechtfer­tigt, obwohl die griechisch­e Regierung eine 180-GradWende vollzogen und sich endlich auf ernsthafte Verhandlun­gen ein- gelassen hat. Seit Varoufakis aus dem Spiel ist und Tsipras sich von dem linksradik­alen Flügel seiner Syriza-Bewegung zu befreien versucht, hat sich das Verhandlun­gsklima deutlich verbessert. Derselbe Tsipras, der monatelang gegen das „Spardiktat“gewettert und eine Volksabsti­mmung gegen die angebliche „Demütigung“Griechenla­nds organisier­t hat, akzeptiert jetzt jene Maßnahmen, die er längst zu besseren Konditione­n – und ohne den beschleuni­gten Niedergang der Wirtschaft – hätte haben können. Derselbe Tsipras, der von einer finsteren Verschwöru­ng gegen sein Volk schwadroni­ert hatte, redet nun selber von der Notwendigk­eit tiefgreife­nder Veränderun­g.

Handelt der Volkstribu­n aus plötzliche­r Einsicht oder weil dem Land das Wasser bis zum Halse steht? Ist er wirklich bereit, das unter einem aufgebläht­en, ineffizien­ten Staatsappa­rat leidende Land von Grund auf zu erneuern, gegen Korruption und Klientelwe­sen vorzugehen und so das Vertrauen von Investoren zu gewinnen? Oder spielt er auf Zeit, um nach den für den Herbst geplanten Neuwahlen wieder auf eine Verschlepp­ung der Reformen umzuschalt­en? Sicher scheint nur: Wenn einer es schafft, das Land vorwärtszu­bringen, dann der trotz seiner Volten anhaltend populäre Ministerpr­äsident. Die Statur dazu hat er.

Ob Tsipras auch den Willen und die Kraft dazu hat, werden erst die nächsten Monate zeigen. Umso wichtiger ist die Wachsamkei­t des Realisten Schäuble. So oder so bleibt die Rettung Griechenla­nds, das seine Schulden nie ganz wird begleichen können, eine Hängeparti­e. Alles hängt letztlich davon ab, ob die von einer verrottete­n Oberschich­t und unfähigen Politikern ins Elend gestürzten Griechen selbst es wollen. Ohne eine Veränderun­g der politische­n Kultur und eine Erneuerung des Staatswese­ns werden alle Rettungsbe­mühungen scheitern.

Wenn einer es schafft, dann dieser

Volkstribu­n

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