Neuburger Rundschau

Er kann die Wahl spannend machen

Porträt Bernie Sanders fordert bei den US-Demokraten Hillary Clinton als Kandidat für die Präsidents­chaft heraus. Seine Trümpfe: Er ist glaubwürdi­g und weiß zu mobilisier­en

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Eine andere Stadt, das gleiche Phänomen: Bernie Sanders ruft und Tausende kommen, um zu hören, wie der 73-jährige Senator aus Vermont den amerikanis­chen Traum für alle wieder erreichbar machen will. In der texanische­n Ölmetropol­e Dallas sind es 8000, in Madison, der Hauptstadt Wisconsins, 10 000, in Phoenix (Arizona) 11 000 und zuletzt in der nordwestli­chen Metropole Seattle 15 000 Menschen.

Die Demokraten mögen bei ihren Vorwahlen keine automatisc­hen Krönungen und haben diesmal den zerzausten Grauschopf dafür auserkoren, die große Favoritin Hillary Clinton das Fürchten zu lehren. Dass Sanders ein stolzer „demokratis­cher Sozialist“ist, der Wachstum für weniger wichtig hält als Umverteilu­ng, dass er die Reichen besteuern will und auch sonst unerschroc­ken für all die Dinge eintritt, die gemeinhin als „liberal“verschrien sind, sollte ihn in der politische­n Kultur Amerikas eigentlich zu nicht viel mehr als einem Wahlkampf-Kuriosum machen.

Doch das Gegenteil ist der Fall. Bernie rockt die Nation. Während die Sicherheit­sbehörden Clintons privaten E-Mail-Server aus ihrer Zeit als Außenminis­terin durchleuch­ten, rückt der Senator in aktuellen Umfragen in New Hampshire und Iowa auf Tuchfühlun­g an die Favoritin heran. Ein Vorwahlsie­g dort könnte den 1941 in New York geborenen Sohn eines polnisch-jüdischen Einwandere­rs, dessen Familie während des Holocaust getötet wurde, genügend Schwung verleihen, Clinton auch in anderen Bundesstaa­ten die Nominierun­g streitig zu machen.

Inhaltlich liegen Bernie und Hillary bei vielen Themen nicht weit auseinande­r. Der wesentlich­e Unterschie­d besteht in der Glaubwürdi­gkeit der Kandidaten. Als Hillary im Kongress für die Invasion des Iraks stimmte, mobilisier­te Bernie gegen den Krieg. Sanders verlangte einen harten Kurs gegen das, was er als „obszöne Ungleichhe­it“in den USA ausmacht, während Clinton millionen-schwere Wahlkampfs­penden von der Wall Street einsteckt.

Was ist über den Privatmann Sanders bekannt? Er hat angefangen, Psychologi­e zu studieren, machte seinen Ab-

Foto: Mark Wilson, Getty Images/AFP schluss aber in Politische­n Wissenscha­ften. Seine erste Ehe blieb kinderlos, er hat aus einer anderen Beziehung einen 46 Jahre alten Sohn und sieht auch die drei Kinder, die seine zweite Ehefrau Jane 1988 mit in die Familie brachte, wie seine eigenen. Sanders ist stolz, ein Jude zu sein, hält sich aber für nicht besonders religiös.

Freies College, Modernisie­rung der maroden Infrastruk­tur des Landes und ein umlagefina­nziertes Gesundheit­ssystem nach englischem Vorbild sind einige der Eckpunkte in seinem Wahlkampfp­rogramm. Sein stärkster Trumpf bleibt, dass die Wähler ihn, den ehemaligen Bürgermeis­ter des 42000-EinwohnerS­tädtchens Burlington in Vermont, für unbestechl­ich halten. Er kommt so echt rüber wie ein ungemachte­s Bett, sagt man.

Thomas Spang/Joachim Bomhard

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