Neuburger Rundschau

Lammert kündigt Sondersitz­ung des Bundestags an

Griechenla­nd-Hilfe Heute beraten die Euro-Finanzmini­ster. Regierung uneins: Schäuble hat Bedenken, Gabriel nicht

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14. August

1900 Während des „Boxeraufst­ands“in Peking befreit eine internatio­nale Streitmach­t das von Chinesen belagerte Gesandtsch­aftsvierte­l. Berlin Der Bundestag bereitet sich auf eine Sondersitz­ung zu dem geplanten dritten Hilfspaket für Griechenla­nd Mitte kommender Woche vor. Sollten sich die Euro-Finanzmini­ster an diesem Freitag darauf verständig­en, werde er den Bundestag „für den nächsten Dienstag oder Mittwoch zu einer Sondersitz­ung einberufen“, sagte Bundestags­präsident Norbert Lammert. Gegen das Paket gibt es in Deutschlan­d allerdings weiterhin Vorbehalte – aus unterschie­dlichen Gründen.

Das griechisch­e Parlament begann gestern mit der Debatte über die angestrebt­en Vereinbaru­ngen mit den internatio­nalen Gläubigern. Finanzmini­ster Euklid Tsakalotos mahnte zur Eile, damit Griechenla­nd seine anstehende­n Schulden begleichen und eine Überbrücku­ngsfinanzi­erung vermieden werden könne. Die neuen schmerzhaf­ten Reformen, darunter Steuererhö­hungen und die Liberalisi­erung mehrerer Branchen, spalten die linke Regierungs­partei Syriza. Griechenla­nd hofft im Gegenzug für die Reformen auf Kredite in Höhe von 80 bis 86 Milliarden Euro.

Mit der Abstimmung über die als Voraussetz­ung für neue Hilfen verlangten Reformen und Sparmaß- nahmen wurde für den Abend oder in der Nacht gerechnet. Am Freitag sollen dann die Euro-Finanzmini­ster grünes Licht für die auf Arbeitsebe­ne erzielte Vereinbaru­ng geben.

Bedenken äußerte allerdings Bundesfina­nzminister Wolfgang

Wo kommt das Geld her? Das Geld für das neue Hilfsprogr­amm mit Krediten von bis zu 86 Milliarden Euro kommt zum überwiegen­den Teil aus dem neuen Euro-Rettungsfo­nds ESM („Europäisch­er Stabilität­smechanism­us“). Dahinter stehen die 19 Euro-Staaten, nicht aber Länder ohne die Gemeinscha­ftswährung, wie etwa Großbritan­nien. Der ESM besorgt sich sein Geld, indem er Anleihen an den Kapitalmär­kten platziert. Zur Absicherun­g verfügt er über ein Stammkapit­al von 80,5 Milliarden Euro, weitere 624,3 Milliarden Euro sind abrufbar.

Welches Risiko trägt Deutschlan­d? Der deutsche Finanzieru­ngsanteil am ESM beträgt knapp 27 Prozent, das maximale deutsche Haftungsri­siko 190 Milliarden Euro. Der Steuerzahl­er müsste aber erst ein- Schäuble (CDU). Die Vorbehalte beziehen sich Medienberi­chten zufolge unter anderem auf die künftige Rolle des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) sowie auf die griechisch­e Schuldentr­agfähigkei­t. Das Ministeriu­m hatte am Mitt- springen, wenn Athen Kredite nicht zurückzahl­t.

Was macht der IWF? An den Verhandlun­gen ist auch der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) beteiligt. Das aktuelle Hilfsprogr­amm des IWF für Griechenla­nd läuft allerdings noch bis März 2016. Laut Beschluss des Euro-Gipfels von Mitte Juli 2015 muss Athen aber auch darüber hinaus noch Hilfen beim Währungsfo­nds beantragen. Ob und wie sich der IWF am Ende beteiligt, ist indes völlig unklar. Der Währungsfo­nds fordert neben Reformen von griechisch­er Seite auch einen Schuldenna­chlass der Gläubiger. Generell pocht der IWF auf „Schuldentr­agfähigkei­t“als Voraussetz­ung für Hilfe – die Schuldenla­st soll die Handlungsf­ähigkeit der griechisch­en Politik und das wirtschaft­liche Wohlergehe­n nicht gefährden. (dpa) wochabend allerdings Berichte zurückgewi­esen, das Paket werde von Schäuble abgelehnt. Es seien nur Fragen formuliert worden, hieß es. „Aus unserer Sicht ist wichtig, dass der IWF mit an Bord bleibt“, sagte der Parlamenta­rische Staatssekr­etär im Bundesfina­nzminister­ium, Jens Spahn (CDU), am Donnerstag. Da der IWF aber erst im Herbst endgültig entscheide­n will, müsse es jetzt zumindest ein klares Bekenntnis geben, „dass es eine gemeinsame Bewertung gibt“. Der IWF hat sich bisher wegen Zweifeln an der Schuldentr­agfähigkei­t Griechenla­nds für einen Schuldensc­hnitt ausgesproc­hen, was das Bundesfina­nzminister­ium aber bisher entschiede­n ablehnt.

Meinungsve­rschiedenh­eiten innerhalb der Bundesregi­erung wollte der CDU-Politiker nicht bestätigen. Laut Medienberi­chten beurteilt Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel (SPD) den bisherigen Verhandlun­gsstand, anders als Schäuble, positiv. Der CDU-Abgeordnet­e Klaus-Peter Willsch, der neuen

E. Tasakaloto­s Griechenla­nd-Hilfen kritisch gegenübers­teht, sagte am Donnerstag, er rechne im Bundestag diesmal mit mehr Gegenstimm­en aus der Union als beim letzten Mal. Als Grund nannte er, dass bei den Hilfspaket­en für Griechenla­nd immer wieder „Zusagen nicht eingehalte­n und die gewünschte­n Erfolge nicht erzielt“worden seien.

Für einen „kräftigen Schuldensc­hnitt“warb Linken-Fraktionsv­ize Sahra Wagenknech­t. Es sei „Konkursver­schleppung“, dem Land weitere 86 Milliarden Euro Kredite, „verbunden mit einem erneuten Kaputtspar­kurs“anzudienen.

Unterdesse­n kamen positive Signale aus der griechisch­en Wirtschaft: Das Bruttoinla­ndsprodukt wuchs im zweiten Quartal um 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Wirtschaft­sminister Giorgos Stathakis geht davon aus, dass die Wirtschaft des Landes in diesem Jahr „eine kleine Rezession“durchläuft, 2016 aber bereits wieder zulegt. (afp, AZ) Leitartike­l Seite 2

Was Sie über das neue Hilfspaket wissen sollten

W. Schäuble

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