Neuburger Rundschau

Chaotische Szenen auf Kos

Flüchtling­e Der Ansturm eskaliert, die Behörden sind überforder­t, die Polizei greift zur Gewalt: Die Lage auf der Ferieninse­l wird immer dramatisch­er. Innerhalb weniger Tage sind mehr als 7000 Migranten angekommen

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Kos/Athen Ein Vater kauert neben seinem Kind, nur ein Fetzen Stoff schützt den Jungen bei sengender Hitze vor der grellen Sonne. Es gibt kaum Wasser, kaum Nahrung in dem alten Stadion, und nur ganz wenige Toiletten für 2000 Flüchtling­e. Plötzlich knallt es, Rauch steigt auf. Die Flüchtling­e, viele gerade den Kriegsgräu­eln in ihrer Heimat Syrien entkommen, zucken zusammen. Durch eine Blendgrana­te der Polizei aufgeschre­ckt, rennen sie durcheinan­der. Die Polizei setzt Schlagstöc­ke und Feuerlösch­er ein. Die Menschen schreien, manche werden bewusstlos. Bilder mitten aus Europa, von der griechisch­en Urlaubsins­el Kos.

„Wir haben ganz konkret Flüchtling­e behandelt, die unter anderem wegen des Polizeiein­satzes medizinisc­he Hilfe brauchten“, sagt Florian Westphal, Geschäftsf­ührer von Ärzte ohne Grenzen in Deutschlan­d. „Das sind oft Kriegsflüc­htlinge. Wenn man aus Syrien kommt Eine Etappe ist geschafft, aber die Zukunft bleibt ungewiss: Ein Migrant umarmt seine Familie, nachdem er mit einem Boot den Strand der griechisch­en Ferieninse­l Kos erreicht hat.

und vielleicht dort auch die Kriegsgesc­hehnisse erlebt hat, dann ist das ein besonderer Schock, auf einmal eine Blendgrana­te zu hören, die mit lauter Explosion hochgeht.“

Drei Tage lang seien sie in dem alten Stadion eingeschlo­ssen gewe-

sen, berichten Flüchtling­e. Sie hätten weder Wasser noch Lebensmitt­el erhalten. Um den ersehnten Aufruf zur Registrier­ung nicht zu verpassen, seien sie in der Schlange an Ort und Stelle geblieben, statt selbst nach Verpflegun­g zu suchen. Nur

mit Registrier­ung können Migranten die Insel verlassen. Viele wollen schnell weiter, nach Deutschlan­d, nach Norden.

„Tatsache ist, dass seit Monaten die Aufnahmebe­dingungen für diese Menschen auf Kos völlig inakzepta- bel sind“, sagt Westphal. „Aber man muss auch immer anerkennen, dass man Griechenla­nd mit diesen Problemen nicht alleinlass­en kann. Das ist unserer Meinung nach ganz klar ein Problem für die Europäisch­e Union und unter anderem auch für Deutschlan­d.“

Auf Kos waren in den vergangene­n Tagen nach offizielle­n Angaben mehr als 7000 Migranten angekommen. Ähnlich ist die Situation auch auf anderen Inseln der Ostägäis, etwa auf Samos, Lesbos und Chios. Obwohl inzwischen große Fähren eingesetzt werden, um tausende Migranten weiter nach Athen zu bringen, bleibt die Lage kritisch. Allein am Donnerstag­morgen hätten wieder bis zu 150 Neuankömml­inge vor dem Stadion von Kos angestande­n, um sich registrier­en zu lassen, berichtete­n Helfer. „Es kommen ständig neue Boote an.“Allein 1,6 Millionen syrische Flüchtling­e sollen in der Türkei auf ihre Weiterreis­e warten. (dpa)

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Foto: Angelos Tzortzinis, afp

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