Der Online-Handel wächst und wächst
Handel Die Deutschen bestellen immer öfter im Internet. Das beschert Anbietern wie Zalando zweistellige Wachstumsraten. Was am meisten per Mausklick geordert wird
Augsburg Oft gelten die Energiekosten als Preistreiber. Derzeit kann davon keine Rede sein. Denn der Anstieg der Verbraucherpreise hat sich weiter abgeschwächt – und das führt das Statistische Bundesamt vor allem auf weiterhin gesunkene Energiepreise zurück. Gestern hat die Behörde die aktuellen Zahlen vorgelegt. Demnach lag die Inflationsrate in Deutschland im Juli bei 0,2 Prozent. Die Verbraucherpreise waren im vergangenen Monat also nur um 0,2 Prozent höher als im Juli 2014. Um denselben Wert stieg der Verbraucherpreisindex im Juli 2015 auch im Vergleich zum Vormonat.
Den Preisrückgang bei Energie von Juli 2014 auf Juli 2015 beziffert das Amt auf 6,2 Prozent. Nahrungsmittel dagegen wurden im Vergleich zum Vorjahresmonat etwas teurer (0,4 Prozent). Dabei kommt es allerdings auf die Art der Lebensmittel an. Während Obst, Gemüse, Fisch und Süßwaren teurer wurden, fielen die Preise unter anderem bei Fleisch und Molkereiprodukten.
Laut des Bayerischen Landesamtes für Statistik hätte sich der Verbraucherpreisindex im Vergleich zum Juli 2014 um 1,0 Prozent erhöht, wenn Kraftstoffe und Heizöl nicht miteingerechnet worden wären. Insgesamt haben die Statistiker für Bayern eine Inflationsrate errechnet, die knapp über dem Bundesdurchschnitt liegt: 0,3 Prozent. Vor einem Monat lag die Rate laut Landesamt bei 0,5 Prozent.
Die bayerischen Konsumenten haben ebenfalls den Preisrückgang bei Mineralölprodukten zu spüren bekommen: Binnen Jahresfrist wurden im Freistaat Heizöl um 22,4 und Kraftstoffe um 7,2 Prozent günstiger. Auch ein leichter Preisrückgang bei Strom (–1,8 Prozent) dürfte die Verbraucher erfreuen. Das Preisniveau für Gas blieb nahezu unverändert (–0,3 Prozent).
Das Preisniveau für Nahrungsmittel ist im bayerischen Durchschnitt in den zurückliegenden zwölf Monaten stärker gestiegen als im Bundesdurchschnitt, nämlich um 0,9 Prozent. Obst (+9,9 Prozent) und Gemüse (+4,9 Prozent) haben sich spürbar verteuert. Auffällig ist die Preisentwicklung bei Steinobst wie Kirschen und Pfirsichen (+37,4 Prozent) sowie bei Kartoffeln (+15,8 Prozent). Ein Sprecher der Behörde weist allerdings darauf hin, dass solche Schwankungen durchaus üblich sind. Kurios: Erzeugnisse, die aus Kartoffeln hergestellt werden, wurden im Schnitt um 6,1 Prozent günstiger. Den Preisanstieg bei Kaffee, Tee und Kakao (bundesweit 4,5 Prozent) haben die bayerischen Verbraucher nicht so stark zu spüren bekommen. Der Kaffeepreis stieg im Freistaat seit Juli 2014 um 2,1 Prozent, der für Tee um 1,6. Deutlich gefallen sind dagegen auch in Bayern die Preise für Butter (–10,7 Prozent), Vollmilch (–12,5 Prozent) und Sahne (–13,7 Prozent).
Als „weiterhin entspannt“bezeichnen die bayerischen Statistiker die Preisentwicklung bei den Wohnungsmieten ohne Nebenkosten. Gegenüber Juli 2014 erhöhten sie sich um 1,6 Prozent. Deutlich niedriger als ein Jahr zuvor waren im vergangenen Monat weiterhin die Preise vieler technischer Geräte. So konnten die Verbraucher laut bayerischem Statistikamt unter anderem tragbare Computer (–7,4 Prozent) und Fernsehgeräte (–12,7) deutlich günstiger einkaufen. Im Vergleich zum Vormonat seien zuletzt die Preise für Bekleidungsartikel spürbar gesunken (–5,4 Prozent). Grund dafür sei der Beginn der Sommerschlussverkäufe. Per Mausklick einkaufen, das machen längst nicht mehr nur junge Leute. Der Anteil älterer Kunden über 65 hat laut einer Studie deutlich zugenommen. Selbst Möbel und Lebensmittel werden immer öfter übers Internet geordert. Berlin/Köln Es läuft zurzeit gut für den Online-Modehändler Zalando. Der Versandhändler schraubte am Donnerstag zum zweiten Mal in diesem Jahr seine Umsatzprognose in die Höhe und rechnet nun für 2015 mit einer Umsatzsteigerung von rund 30 Prozent auf mindestens 2,8 Milliarden Euro. Doch nicht nur Zalando floriert, der Online-Handel insgesamt wächst und wächst.
Woanders fehlen die Umsätze. Experten befürchten deshalb in den nächsten Jahren ein Ladensterben in Deutschland. Nach einer am Donnerstag veröffentlichten Studie des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh) wurden in der Bundesrepublik im Online-Handel allein im zweiten Quartal dieses Jahres 10,8 Milliarden Euro umgesetzt, 14 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Vor allem in der Unterhaltungselektronik, aber auch bei Textilien bauten die Versandhänd- ler demnach ihren Marktanteil aus. Und auch bei Möbeln und Lebensmitteln gewinnt der E-Commerce allmählich an Boden. Nur bei Büchern und E-Books scheint derzeit eine Wachstumsgrenze erreicht.
Deutlich zugelegt habe der Anteil der älteren Nutzer ab 65 Jahren. Während im vergangenen Jahr noch 88 Prozent der Internet-Nutzer im
Butterpreise sanken in Bayern um fast elf Prozent Rund 45000 Ladengeschäfte sind gefährdet
Alter ab 65 Jahren online einkauften, waren es in diesem Jahr 97 Prozent. Insgesamt stieg der Anteil der Online-Shopper unter allen Internet-Nutzern von 94 auf 98 Prozent.
„Nach der leichten Wachstumsdelle im Vorjahr läuft das Jahr 2015 für unsere Branche sehr erfreulich“, urteilte bevh-Hauptgeschäftsführer Christoph Wenk-Fischer. Für die gewachsenen Handelsstrukturen in vielen Städten und Gemeinden könnte der Boom des Online-Handels allerdings in den nächsten Jahren drastische Auswirkungen haben. Allein in den nächsten fünf Jahren sind nach einer in dieser Woche vom Institut für Handelsforschung in Köln veröffentlichten Analyse rund 45 000 Ladengeschäfte gefährdet. Mehr als jedem zehnten Ladengeschäft drohe also die Schließung.
Nach den Schätzungen des IFH könnte der Online-Anteil am Einzelhandelsumsatz bis 2020 auf bis zu 15,3 Prozent steigen. Bei Produkten die nicht zum täglichen Bedarf gerechnet werden, also etwa bei Textilien, Unterhaltungselektronik oder Möbeln, könnte er sogar 25 Prozent erreichen. Während die Entwicklung in den großen Ballungszentren noch relativ moderat verlaufen werde, müssten vor allem ländliche Regionen speziell im Osten Deutschlands mit einem massiven Umbruch rechnen, glauben die Forscher. „Die größten Einschnitte wird es voraussichtlich in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen geben“, heißt es dazu in der Studie. Die Handelsforscher gehen dabei von einer Art Teufelskreis aus. Der erwartete Bevölkerungsrückgang in vielen Regionen führe zu Versorgungslücken, die wiederum dem Onlinehandel zugutekommen. „Auch die großen Stadtzentren werden gewinnen“, vermutet IFH-Forscherin Susanne Eichholz. Denn die Experten rechnen mit einer Zunahme regelrechter Shopping-Trips ganzer Familien aus ländlichen Regionen in die großen Einkaufsstädte.
Ganz wird der stationäre Handel nicht verschwinden, sind die Forscher überzeugt. Auch jüngere Kunden suchten weiterhin neben dem selbstverständlichen OnlineShopping auch das Erlebnis des Einkaufens im traditionellen Ladengeschäft, meint Susanne Eichholz. Uta Knapp und Erich Reimann, dpa