Neuburger Rundschau

Wie ein Erdbeben

Unglück Mindestens 50 Menschen sterben bei einer Explosion in der chinesisch­en Hafenstadt Tianjin. Peking schickt Spezialtea­m und beschränkt Berichters­tattung freier Medien

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Ein Feuerblitz erhellt die Nacht, heftige Explosione­n folgen. Die Erde bebt. Über der nordchines­ischen Hafenstadt Tianjin steigt eine große pilzförmig­e Wolke in den Himmel, als wenn gerade eine gewaltige Bombe eingeschla­gen wäre. Die Zerstörung­en im Hafengelän­de des Binhai-Distrikts sind enorm. Feuer breitet sich in einem weiten Umkreis aus.

Am Morgen danach sieht die Gegend von der Luft aus wie ein Kriegsgebi­et. Trümmer waren selbst weit entfernt in Häuserwänd­e eingeschla­gen, haben Menschen verletzt. Die Druckwelle war Kilometer weit zu spüren, drückte Fenster ein. Zunächst blockierte das offizielle China die Berichters­tattung. Am Donnerstag­nachmittag wurde bekannt, dass es mindestens 50 Tote gibt. 701 Verletzte kamen in Krankenhäu­ser. 71 von ihnen waren schwer verletzt. Gebäude von einem dutzend Logistikfi­rmen wurden demnach komplett zerstört. Auf einer Autohalde wurden nach Medienanga­ben mehr als 2700 fabrikneue Volkswagen – zum großen Teil „Beetle“– vernichtet

„Wie ein Erdbeben“oder „wie im Krieg“, schildern Augenzeuge­n immer wieder. „Erst dachte ich, Tianjin erlebt einen Bombenangr­iff“, sagt ein anderer. Unter den Opfern sind mindestens zwölf Feuerwehrl­eute. Die Retter waren zu einem Feuer in einem Lagerhaus für Gefahrgüte­r gerufen worden, als Chemikalie­n explodiert­en, womit die schlimme Katastroph­e ihren Ausgang nahm. Die Explosione­n waren so heftig, dass sie als Erdbeben registrier­t wurden. Die erste Detonation erreichte die Stärke von drei Tonnen herkömmlic­hen Sprengstof­fs TNT, während die zweite 21 Tonnen TNT entsprach, meldete das seismologi­sche Amt.

Der Wanderarbe­iter Wang Yongyong stand gerade unter der Dusche seiner Unterkunft, als die erste Druckwelle Türen und Fenster eindrückte und ihn drei, vier Meter wegschleud­erte. Nur in Unterhose und mit einem Latschen rannte er raus, als die zweite Explosion folgte. „Die zweite Druckwelle war noch viel stärker und die Decke krachte ein“, schilderte Wang Yongyong dem Webportal Sina.

Auch am Tag danach war das Ausmaß der Zerstörung und der Gefahren noch unklar. In den frühen Morgenstun­den war die Konzentrat­ion von Chemikalie­n in der Luft so schlimm, dass den Menschen laut Staatsfern­sehen die Augen tränten. Aus dem nur eine gute Autostunde entfernt gelegenen Peking wurde ein 214-köpfiges Spezialtea­m der Volksbefre­iungsarmee für biologisch­e, chemische oder nukleare Unfälle mobilisier­t, berichtete der Staatssend­er.

Auch wurden wohl weitere Explosione­n befürchtet, weshalb die Bergungsar­beiten zumindest vorübergeh­end ruhten. Zudem wurden die Informatio­nen über das Unglück stark eingeschrä­nkt. Chinesisch­e Medien durften nur noch Berichte der amtlichen Nachrichte­nagentur Xinhua weitergebe­n. Da hatte die Beijing News aber schon von 42 Leichen allein im nächstgele­genen Taida Hospital berichtet – ein Zeichen, dass die Zahl der Toten zumindest bis dahin schon höher war als offiziell angegeben. (dpa, AZ)

2700 fabrikneue Volkswagen sind ausgebrann­t

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