Das Geheimnis der Wohnfläche
Miet- oder Kaufvertrag Jede zweite Wohnung in Deutschland ist kleiner als angegeben
Eigentlich haben sich Union und SPD im Koalitionsvertrag vorgenommen, das Mietrecht zu reformieren und dafür zu sorgen, dass die Miete nur auf die tatsächliche Wohnfläche erhoben werden kann. Aber bisher ist nichts geschehen. Mieter ärgern sich über falsche Angaben zur Wohnraumgröße, auch Käufer von Eigentumswohnungen müssen häufig feststellen, dass die Wohnfläche nicht so groß ist, wie im Kaufvertrag ausgewiesen.
Eigentlich sollte die exakte Wohnfläche zum Beispiel im Mietvertrag festgesetzt sein. Aber die Wohnungsgröße steht längst nicht in jedem Mietvertrag, und die Quadratmeterangabe in einer Anzeige sowie die Aussage des Maklers bei der Wohnungsbesichtigung gelten nicht als rechtlich gültige Vereinbarung. Bevor Mieter einen Mietvertrag unterzeichnen, sollten sie also prüfen, ob im Mietvertrag eine Quadratmeterzahl angegeben ist. Mieter haben sonst auch keine Möglichkeit, wegen einer Abweichung der Größe die Miete zu mindern.
Das war einer Mieterin in München passiert. Sie hatte in der Landeshauptstadt eine Wohnung für 2450 Euro kalt gemietet. Im Mietvertrag wurde keine Wohnfläche ausgewiesen. Die Wohnung war aber im Internet inseriert und dort mit einer Größe von 164 Quadratmeter angeboten worden.
Auch die Maklerin bestätigte diese Wohnfläche. Nach dem Einzug ließ die Mieterin die Wohnung vermessen. Hierbei ergab sich eine Wohnfläche von 126 Quadratmeter. Die Mieterin minderte die Miete und forderte zu viel gezahltes Geld von der Vermieterin zurück. Aber das Amtsgericht München (Az.: 424 C 10773/13) entschied, dass die genaue Wohnungsgröße ausdrücklich im Mietvertrag stehen müsse. Andernfalls haben Mieter keine Möglichkeit, wegen einer Abweichung der Wohnfläche die Miete zu mindern.
Ein bisschen weniger ist erlaubt
Zumindest dann gilt eine vom Bundesgerichtshof in mehreren Grundsatzurteilen bestätigte ZehnProzent-Grenze. Danach haben Mieter einen Rückforderungsanspruch, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als zehn Prozent von der vereinbarten Wohnfläche abweicht. Eine gewisse Unterschreitung der Wohnungsgröße ist also gerichtlich sogar abgesegnet, denn für die Ermittlung der Wohnfläche gelten unterschiedliche Regeln.
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten zur Berechnung der Wohnfläche. Am weitesten verbreitet – und bei öffentlich gefördertem Wohnraum rechtsverbindlich – ist die Berechnung laut Wohnflächenverordnung, gültig seit 1. Januar 2004. Sie gilt verpflichtend für alle Gebäude, die nach Inkrafttreten der Verordnung gebaut wurden. Laut dieser Regelung wird die Grundfläche voll angerechnet, wenn dieRaumhöhe mindestens zwei Meter beträgt. Nur die Hälfte der Quadrat- meter wird angerechnet, wenn die Räume oder Raumteile zwischen einem und zwei Metern hoch sind. Beträgt die Deckenhöhe weniger als einen Meter, wird der Bereich bei der Wohnflächenberechnung nicht einberechnet.
Kompliziert wird die korrekte Anrechnung der Balkon- oder Terrassenfläche: Grundsätzlich gilt für Balkone, Loggien und Dachterrassen, die in Neubauten ab dem 1. Januar 2004 vermietet werden, dass diese Flächen nur zu einem Viertel angerechnet werden. Es sei denn, die Vertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. In älteren Gebäuden können in der Regel bis zu 50 Prozent der Fläche eingerechnet werden. Das gilt in Ausnahmefällen auch für jüngere Immobilien, wenn Balkone, Loggien oder Dachterrassen besondere Merkmale zur Steigerung des Wohnwertes aufweisen.
Laut Wohnflächenverordnung gehören Wintergärten, Schwimmbäder und nach allen Seiten ge- schlossene Räume zur Wohnfläche. Balkone, Loggien, Dachgärten und Terrassen ebenso – vorausgesetzt, sie gehören ausschließlich zur betreffenden Wohnung. Waschküchen und Trockenräume, Keller- und Heizungsräume, Abstell- und Kellerersatzräume, sofern sie außerhalb der Wohnung liegen, gehören nicht zur Wohnfläche. Auch Dachböden und Garagen werden nicht einberechnet.
Beide Angaben sollten im Vertrag stehen
Daneben gibt es die DIN-Norm 283/277 zur Erfassung der gesamten Quadratmeterzahl der Grundfläche einer Wohnung inklusive Balkonen, Dachterrassen, Kellern und Dachböden. Diese Angabe bildet zum Beispiel die Grundlage für die Festlegung von Grunderwerbs- und Grundsteuer. Doch beim Kauf einer Eigentumswohnung sollten Interessenten, so raten Fachanwälte und Experten, darauf bestehen, dass im Kaufvertrag neben der obligatorischen DIN-Norm unbedingt auch die Wohnfläche nach der Wohnflächenverordnung verbindlich genannt wird.
Um sich optimal zu schützen, sollten Mieter und Käufer von einem Gutachter die Wohnfläche exakt ermitteln lassen. Das dauert rund zwei Stunden, kostet 100 bis 300 Euro plus An- und Abfahrt.