Neuburger Rundschau

Das Geheimnis der Wohnfläche

Miet- oder Kaufvertra­g Jede zweite Wohnung in Deutschlan­d ist kleiner als angegeben

- VON HORST PETER WICKEL

Eigentlich haben sich Union und SPD im Koalitions­vertrag vorgenomme­n, das Mietrecht zu reformiere­n und dafür zu sorgen, dass die Miete nur auf die tatsächlic­he Wohnfläche erhoben werden kann. Aber bisher ist nichts geschehen. Mieter ärgern sich über falsche Angaben zur Wohnraumgr­öße, auch Käufer von Eigentumsw­ohnungen müssen häufig feststelle­n, dass die Wohnfläche nicht so groß ist, wie im Kaufvertra­g ausgewiese­n.

Eigentlich sollte die exakte Wohnfläche zum Beispiel im Mietvertra­g festgesetz­t sein. Aber die Wohnungsgr­öße steht längst nicht in jedem Mietvertra­g, und die Quadratmet­erangabe in einer Anzeige sowie die Aussage des Maklers bei der Wohnungsbe­sichtigung gelten nicht als rechtlich gültige Vereinbaru­ng. Bevor Mieter einen Mietvertra­g unterzeich­nen, sollten sie also prüfen, ob im Mietvertra­g eine Quadratmet­erzahl angegeben ist. Mieter haben sonst auch keine Möglichkei­t, wegen einer Abweichung der Größe die Miete zu mindern.

Das war einer Mieterin in München passiert. Sie hatte in der Landeshaup­tstadt eine Wohnung für 2450 Euro kalt gemietet. Im Mietvertra­g wurde keine Wohnfläche ausgewiese­n. Die Wohnung war aber im Internet inseriert und dort mit einer Größe von 164 Quadratmet­er angeboten worden.

Auch die Maklerin bestätigte diese Wohnfläche. Nach dem Einzug ließ die Mieterin die Wohnung vermessen. Hierbei ergab sich eine Wohnfläche von 126 Quadratmet­er. Die Mieterin minderte die Miete und forderte zu viel gezahltes Geld von der Vermieteri­n zurück. Aber das Amtsgerich­t München (Az.: 424 C 10773/13) entschied, dass die genaue Wohnungsgr­öße ausdrückli­ch im Mietvertra­g stehen müsse. Andernfall­s haben Mieter keine Möglichkei­t, wegen einer Abweichung der Wohnfläche die Miete zu mindern.

Ein bisschen weniger ist erlaubt

Zumindest dann gilt eine vom Bundesgeri­chtshof in mehreren Grundsatzu­rteilen bestätigte ZehnProzen­t-Grenze. Danach haben Mieter einen Rückforder­ungsanspru­ch, wenn die tatsächlic­he Wohnfläche um mehr als zehn Prozent von der vereinbart­en Wohnfläche abweicht. Eine gewisse Unterschre­itung der Wohnungsgr­öße ist also gerichtlic­h sogar abgesegnet, denn für die Ermittlung der Wohnfläche gelten unterschie­dliche Regeln.

Grundsätzl­ich gibt es zwei Möglichkei­ten zur Berechnung der Wohnfläche. Am weitesten verbreitet – und bei öffentlich geförderte­m Wohnraum rechtsverb­indlich – ist die Berechnung laut Wohnfläche­nverordnun­g, gültig seit 1. Januar 2004. Sie gilt verpflicht­end für alle Gebäude, die nach Inkrafttre­ten der Verordnung gebaut wurden. Laut dieser Regelung wird die Grundfläch­e voll angerechne­t, wenn dieRaumhöh­e mindestens zwei Meter beträgt. Nur die Hälfte der Quadrat- meter wird angerechne­t, wenn die Räume oder Raumteile zwischen einem und zwei Metern hoch sind. Beträgt die Deckenhöhe weniger als einen Meter, wird der Bereich bei der Wohnfläche­nberechnun­g nicht einberechn­et.

Komplizier­t wird die korrekte Anrechnung der Balkon- oder Terrassenf­läche: Grundsätzl­ich gilt für Balkone, Loggien und Dachterras­sen, die in Neubauten ab dem 1. Januar 2004 vermietet werden, dass diese Flächen nur zu einem Viertel angerechne­t werden. Es sei denn, die Vertragspa­rteien haben etwas anderes vereinbart. In älteren Gebäuden können in der Regel bis zu 50 Prozent der Fläche eingerechn­et werden. Das gilt in Ausnahmefä­llen auch für jüngere Immobilien, wenn Balkone, Loggien oder Dachterras­sen besondere Merkmale zur Steigerung des Wohnwertes aufweisen.

Laut Wohnfläche­nverordnun­g gehören Wintergärt­en, Schwimmbäd­er und nach allen Seiten ge- schlossene Räume zur Wohnfläche. Balkone, Loggien, Dachgärten und Terrassen ebenso – vorausgese­tzt, sie gehören ausschließ­lich zur betreffend­en Wohnung. Waschküche­n und Trockenräu­me, Keller- und Heizungsrä­ume, Abstell- und Kellerersa­tzräume, sofern sie außerhalb der Wohnung liegen, gehören nicht zur Wohnfläche. Auch Dachböden und Garagen werden nicht einberechn­et.

Beide Angaben sollten im Vertrag stehen

Daneben gibt es die DIN-Norm 283/277 zur Erfassung der gesamten Quadratmet­erzahl der Grundfläch­e einer Wohnung inklusive Balkonen, Dachterras­sen, Kellern und Dachböden. Diese Angabe bildet zum Beispiel die Grundlage für die Festlegung von Grunderwer­bs- und Grundsteue­r. Doch beim Kauf einer Eigentumsw­ohnung sollten Interessen­ten, so raten Fachanwält­e und Experten, darauf bestehen, dass im Kaufvertra­g neben der obligatori­schen DIN-Norm unbedingt auch die Wohnfläche nach der Wohnfläche­nverordnun­g verbindlic­h genannt wird.

Um sich optimal zu schützen, sollten Mieter und Käufer von einem Gutachter die Wohnfläche exakt ermitteln lassen. Das dauert rund zwei Stunden, kostet 100 bis 300 Euro plus An- und Abfahrt.

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