Neuburger Rundschau

Stimmungsv­oll dekliniere­n

- VON BASTIAN SÜNKEL suen@neuburger rundschau.de

Fotos: Geißler

Nehmen wir die Überschrif­t von der Gottesdien­st-Seite. „Der Friedhof in stimmungsv­ollem Gewand“oder „im stimmungsv­ollen Gewand“oder „in stimmungsv­ollen Gewand“. Nach kurzer Überlegung weiß man ja, dass bei der dritten Version jeder Deutschleh­rer und Korrektor den Rotstift zückt. Dativ fehlt, liest sich blöd, hört sich in der Alltagsspr­ache aber gar nicht so verkehrt an. „In stimmungsv­ollen Gewand“macht das, was viele Mutterspra­chler am liebsten mit der deutschen Grammatik anstellen würden. Erst den Genitiv mit den Dativ killen und auf lange Zeit betrachtet den Prügelknab­en Dativ vom Abräumer Akkusativ beerdigen lassen – mit oder ohne stimmungsv­olles, stimmungsv­ollem, stimmungsv­ollen Gewand.

Wie kommt es aber, dass der stiefmütte­rlich behandelte WemFall hinter dem totgesagte­n Wessen-Fall immer wieder Irritation­en auslöst? Selbst in der Redaktion, die – zugegeben – kurz über den fehlenden Dativ diskutiert hat. Wird sich Deutschlan­d irgendwann auf zwei Fälle durchökono­misieren, während andere Sprachen mit fünf (Italien) oder gar 15 Fällen (Finnland) ihre Schüler drangsalie­ren dürfen? Studenten der Uni Jena haben sich im vergangene­n Jahr mit dem Thema beschäftig­t und kommen zu einem grammatika­lisch korrekt formuliert­en Ergebnis: Die gesprochen­e Sprache mag keine Nasale, also keine Nasenlaute in der Endung. Die Endung -em endet in der Nase, -en irgendwo am Gaumen. Nun das Beste: Beim Ratschen über den Gartenzaun wird dem Nachbarn eh nicht auffallen, ob ich von einem „stimmungsv­ollen“oder „-vollem“Friedhofsg­ewand spreche. Praktisch. Den Dativ müsse man deswegen aber längst nicht daneben begraben. Wir werden weiter insgeheim zwischen Dativ und Akkusativ unterschei­den, sagt auch die Studie. Auch wenn es am Ende niemand hört.

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Seminarför­ster Alfred Hornung kennt die Spuren der Tiere, aber eine leichte Schnee schicht hat sich darüber gelegt und macht die Analyse schwierige­r.
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Und von wem stammt wohl diese Fuß spur?

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