Stimmungsvoll deklinieren
Fotos: Geißler
Nehmen wir die Überschrift von der Gottesdienst-Seite. „Der Friedhof in stimmungsvollem Gewand“oder „im stimmungsvollen Gewand“oder „in stimmungsvollen Gewand“. Nach kurzer Überlegung weiß man ja, dass bei der dritten Version jeder Deutschlehrer und Korrektor den Rotstift zückt. Dativ fehlt, liest sich blöd, hört sich in der Alltagssprache aber gar nicht so verkehrt an. „In stimmungsvollen Gewand“macht das, was viele Muttersprachler am liebsten mit der deutschen Grammatik anstellen würden. Erst den Genitiv mit den Dativ killen und auf lange Zeit betrachtet den Prügelknaben Dativ vom Abräumer Akkusativ beerdigen lassen – mit oder ohne stimmungsvolles, stimmungsvollem, stimmungsvollen Gewand.
Wie kommt es aber, dass der stiefmütterlich behandelte WemFall hinter dem totgesagten Wessen-Fall immer wieder Irritationen auslöst? Selbst in der Redaktion, die – zugegeben – kurz über den fehlenden Dativ diskutiert hat. Wird sich Deutschland irgendwann auf zwei Fälle durchökonomisieren, während andere Sprachen mit fünf (Italien) oder gar 15 Fällen (Finnland) ihre Schüler drangsalieren dürfen? Studenten der Uni Jena haben sich im vergangenen Jahr mit dem Thema beschäftigt und kommen zu einem grammatikalisch korrekt formulierten Ergebnis: Die gesprochene Sprache mag keine Nasale, also keine Nasenlaute in der Endung. Die Endung -em endet in der Nase, -en irgendwo am Gaumen. Nun das Beste: Beim Ratschen über den Gartenzaun wird dem Nachbarn eh nicht auffallen, ob ich von einem „stimmungsvollen“oder „-vollem“Friedhofsgewand spreche. Praktisch. Den Dativ müsse man deswegen aber längst nicht daneben begraben. Wir werden weiter insgeheim zwischen Dativ und Akkusativ unterscheiden, sagt auch die Studie. Auch wenn es am Ende niemand hört.