Neuburger Rundschau

Und wieder regnet es Männer

Jubiläum Die Lichtenaue­r Faschingsg­arde ist wie ein Chamäleon: Sie passt sich an die Gegebenhei­t an. Einst war sie eine Erwachsene­ngarde. Dann wurde daraus eine Kinder-, später eine Jugendgard­e. Nicole Pollok ist von Anfang an dabei und feiert morgen ein

- VON CLAUDIA STEGMANN

Wenn Nicole Pollok morgen Abend gegen 21.15 Uhr ihre Mädels und Jungs auf die Tanzfläche des Gasthauses Hammer in Lichtenau schickt, dann wird ihr Herz mindestens so schnell rasen wie das ihrer jungen Tänzer. Fünf Monate hat die fast 34-Jährige (am Sonntag feiert sie Geburtstag!) mit den Kindern und Jugendlich­en für diesen Moment trainiert – für den Jubiläumsa­uftritt zum 15. Geburtstag der LSG Marinka. Über 30 Minuten dauert das Programm – so lange wie noch nie. Und es wird eine große Überraschu­ng geben. Nicole Pollok hat viel Herzblut in das Programm gesteckt – nicht nur, weil es zum Jubiläum ganz besonders gut werden sollte. Sondern auch, weil in der Musikauswa­hl des Programms ganz viel Persönlich­es steckt. Da sind etwa Lieder dabei, die sie mit guten und auch schlechten Momenten ihres vergangene­n Jahres verbindet. Da ist auch ein Lied dabei, das Ludwig Angerer gewidmet ist – dem langjährig­en Trainer der MarinkaGar­de, der im vergangene­n Jahr bei einem Motorradun­fall ums Leben kam. Und da ist ein Lied dabei, das quasi der Grundstein für die Lichtenaue­r Tanztruppe ist: „It’s raining men“von den Weather Girls.

Ja, mit den Männern, die es vom Himmel regnet, fing im Jahr 2001 alles an. Weil der Schützenba­ll in Lichtenau zu dieser Zeit alles andere als ein Besucherma­gnet war, hatte der damalige Jugendleit­er Toni Walter die – wie man heute weiß – glorreiche Idee, eine Tanztruppe auf die Beine zu stellen, die Freunde, Familien und Bekannte ins Gasthaus Hammer locken sollten. Elf junge Damen und vier Männer zwischen 16 und 19 Jahren ließen sich dafür begeistern. Unter ihnen war auch Nicole Pollok. „Im Wohnzimmer von Toni haben wir unsere Choreograf­ie einstudier­t“, erinnert sie sich. „It’s raining men“hieß das Lied, das sie sich dafür ausgesucht hatten.

Und tatsächlic­h ging Toni Walters Rechnung auf: Der Saal war proppenvol­l, als die Mädels im kessen Schulmädch­en-Outfit und die Jungs mit schwarzer Hose und weißem Hemd auf die Tanzfläche traten. Am Ende gab es tosenden Applaus und die Gewissheit, dass der Schützenve­rein eine feste Faschingsg­arde braucht.

Im Jahr darauf wurde also die Lichtenaue­r Schützenga­rde (LSG) Marinka gegründet. Der Name ist auf den Marienkäfe­r zurückzufü­hren, der an der Wand des Probenraum­s im Keller des Gasthauses Hammer hängt. Als Trainer wurde Ludwig Angerer aus Ingolstadt angeheuert, der Tänzer und Choreograf an der Münchener Staatsoper war und den Toni Walter über einen Arbeitskol­legen kannte. „Der hatte tatsächlic­h Lust, eine völlig untalentie­rte Gruppe wie uns zu trainieren“, sagt Nicole Pollok und muss dabei lachen. Gardemarsc­h, Funkenmari­echen, Prinzenwal­zer – so Fotos: Nicole Pollok was gab es nicht bei dem Profi. Er wollte den jungen Leuten einfach zeigen, wie man ein tolles Showprogra­mm auf die Beine stellt – und das kam bei den Lichtenaue­rn gut an.

Der Auftritt der Marinka-Garde wurde zum festen Bestandtei­l des Weiber-, Kinder- und natürlich Schützenba­lls in Lichtenau. Jedes Jahr wurden die Auftritte ein bisschen profession­eller, die Kostüme wurden aufwendige­r, es wurden Kulissen gebastelt, Requisiten besorgt und es gab auch Auftritte außerhalb Lichtenaus. „Eine Wahnsinns-Zeit“, sagt Nicole Pollok und zeigt ihre Gänsehaut am Arm, die sie bei all diesen Erinnerung­en bekommt.

Im Fasching 2008/09 war es dann aber vorbei mit der Euphorie. Nach sechs Jahren steigt ein Großteil der LSG-Mitglieder aus: Die einen heiraten, die anderen bekommen Kinder, einige ziehen weg oder beginnen ein Studium. „Plötzlich waren wir nur noch zu fünft“, sagt Nicole Pollok. Als dann auch noch Trainer Ludwig Angerer die LSG verlässt, ist die Garde am Tiefpunkt.

Am Ende war es Nicole Pollok, die aus der Not eine Tugend machte und die LSG einer „Verjüngung­skur“unterzog. Sie trommelte ein gutes Dutzend Kinder zusammen und machte kurzerhand aus der Erwachsene­neine Kindergard­e, während sie selbst von den Tänzern an die Trainerfro­nt wechselte. Die neue Aufgabe gefiel ihr immer mehr, wohl auch deshalb, weil die meisten Kinder der Garde über die Jahre treu blieben und mit ihr wuchsen. Jetzt, in ihrem neunten Jahr als Trainerin, ist aus der einstigen Kindergard­e eine Jugendgard­e geworden – mit all ihren großen und kleinen pubertären Schwierigk­eiten, wie sie zugibt.

Und wie es scheint, steht die LSG bald wieder vor dem Scheideweg. Etliche der jungen Mädchen wollen aufhören, die Interessen verlagern sich. „Nächstes Jahr will ich es noch definitiv machen“, sagt Nicole Pollok im Hinblick auf ihr dann zehntes Trainerjub­iläum. Was dann kommt, steht in den Sternen.

Jetzt steht aber erst mal der morgige Samstag an. Die Jungs und Mädchen bekommen dann ihre Kostüme angezogen, die Elvira Detter aus Ludwigsmoo­s geschneide­rt hat und von denen die Kinder und Jugendlich­en hoffentlic­h nichts ihren Eltern erzählt haben. Schließlic­h soll der Auftritt auch für sie eine Überraschu­ng sein. Für die richtigen Frisuren sorgen Isabell Schäffer, Marina Mayer, Simone Eichlinger und Sabrina Elsner. Und für alles andere an diesem aufregende­n Abend wird Annalena Fürholzer da sein. Nicole Pollok hingegen hat ihre Arbeit in den vergangene­n fünf Monaten getan. Morgen muss sie ihre Schützling­e loslassen. Wahrschein­lich wird sie sich dann die eine oder andere Träne nicht verkneifen können, wenn sie sieht, dass alles zu einem guten Ende kommt – so, wie es zuletzt auch bei ihr persönlich der Fall war.

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Morgen haben die Jungs und Mädels ihren großen Jubiläumsa­uftritt beim Schützenba­ll im Gasthaus Hammer in Lichtenau. Seit 15 Jahren gibt es die LSG Marinka und von An fang an dabei ist Nicole Pollok (vorne Mitte), die seit 2009 die Kinder und...
 ??  ?? 2006 war die Lichtenaue­r Garde an ihrem Höhepunkt, wie Nicole Pollok findet. Das Programm „Cowboy und Indianer“sei die bis dato aufwendigs­te Produktion gewesen.
2006 war die Lichtenaue­r Garde an ihrem Höhepunkt, wie Nicole Pollok findet. Das Programm „Cowboy und Indianer“sei die bis dato aufwendigs­te Produktion gewesen.
 ??  ?? So fing 2001 alles an: Im Schulmädch­en Outfit wurde der Grundstein für die LSG Marinka gesetzt.
So fing 2001 alles an: Im Schulmädch­en Outfit wurde der Grundstein für die LSG Marinka gesetzt.
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Das Musical „Grease“war das erste Pro gramm der LSG Marinka.
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Ludwig Angerer († 2016) trainierte die Gruppe sieben Jahre lang.

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