Voll schuldfähig
Justiz Im Anastasia-Prozess ist die Beweisaufnahme kurz vor ihrem Ende. Die Gutachter bewerteten den Angeklagten als psychisch gesund. Für die Plädoyers wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen
Die nüchterne, strafrechtlich relevante Nachricht im Ergebnis vorweg: Im Anastasia-Prozess ist der angeklagte Ex-Bundeswehrsoldat voll schuldfähig. Das ist das Ergebnis der Gutachten, die gestern am Landgericht vor der Großen Strafkammer vorgestellt wurden. Sowohl der psychiatrische Gutachter Béla Serly als auch Diplom-Psychologe Günter Lauber hatten bei ihrer Untersuchung keinerlei Auffälligkeiten feststellen können: Normalbefund.
Dennoch hatten sie nach langen Gesprächen mit dem Angeklagten natürlich einiges mehr zu berichten. Sowohl über ihn, dem die Staatsanwaltschaft Ingolstadt einen heimtückischen Mord an seiner hochschwangeren Ex-Geliebten vorwirft, als auch über das Verhältnis zu ihr. Das war insofern besonders aufschlussreich, da der 25-Jährige aus dem Landkreis Eichstätt sich seit seiner von Jörg Gragert verlesenen Verteidiger-Erklärung zu Beginn des Prozesses ausschweigt. Er bestreitet die ihm zur Last gelegte Tat vehement: Er habe Anastasia M. nicht umgebracht. Und selbst wenn er der Vater des ungeborenen Kindes gewesen wäre – was er nicht ist – hätte er Unterhalt bezahlt.
Was die Gutachter über den gelernten Koch zu sagen hatten, scheint nicht so recht zu der grausa- Tat zu passen. Wie berichtet, war Anastasia M. im November 2015 brutal erschlagen worden, bevor sie mit ihrem Kind in die Donau geworfen wurde.
Denn wie Lauber vor der Kammer unter Vorsitz von Landgerichtsvizepräsident Jochen Bösl ausführte, sei beim Angeklagten zum Beispiel kein besonders hohes Aggressionspotenzial auszumachen. Auch hier gelte: Normalbefund. Wie schon seine Freunde und Angehörigen es in der Hauptverhandlung geschildert hatten, gelte für den die ganze Verhandlung über sehr ruhig anmutenden Mann zudem: Er balle eher die Faust in der Tasche und gehe Konflikten aus dem Weg. Umgekehrt steht in den Polizeiakten, dass der Angeklagte vor wenigen Jahren einer jungen Frau, die von ihrem Partner auf offener Straße zusammengetreten worden war, zu Hilfe geeilt war und den Schläger unschädlich gemacht hatte. Seine Freunde hatten ihn als extrem hilfsbereit beschrieben. Es gebe, so Lauber schließlich, keinerlei Hinweise auf Persönlichkeitsstörungen.
Wie Serly ausführte, käme der Mann aus einer intakten Familie, habe eine glückliche Kindheit verlebt, so dessen eigene Schilderungen während seiner Begutachtung. Das Verhältnis zur Familie sei nach wie vor sehr gut. Man stehe zum Sohn. Es gebe keinerlei Hinweise auf Alkoholprobleme oder Drogenkon- sum beim Angeklagten, so Serly. Auch zur Tatzeit, unterstellt, er wäre schuldig, gebe es nichts, was auf eine Einschränkung seiner Wahrnehmungs- oder Steuerungsfähigkeit hindeute. Schließlich gebe es keine Hinweise auf einen Affekt, auch keine Anzeichen für ansteigende chronische Affektspannungen. Selbst als Anastasia ihn unter Druck setzte, weil er sich nicht um sie und das angeblich von ihm stammende Kind kümmerte, habe sich nichts in seinem Leben verändert, so Serly weiter: „Es lief alles wie sonst auch.“
Die Beziehung zu Anastasia sei „rein sexuell“gewesen. Man habe sich im Dezember 2014 auf der Arbeit kennengelernt, privat sonst aber nichts unternommen, sondern sich lediglich in unregelmäßigen Abständen zum Sex nach Feierabend getroffen. Zum letzten Mal Anfang Oktober 2016. An einer Beziehung zu ihr habe er kein Interesse gehabt. Zumal ihm bekannt gewesen sei, dass sie mit verschiedenen Partnern verkehrt habe, so der Angeklagte gegenüber Serly. Der beschrieb dessen Persönlichkeit als „emotional noch etwas unreif“, was aber nachvollziehbar sei in dem Alter. Ein Satz des Angeklagten beschreibe dessen „spielerischen“Zugang besonders gut: „Ich genieße mein Leben und mache, was mir Spaß macht.“
Wie hart ihn dagegen seine Situamen tion und die U-Haft treffen, geht aus einem vor Gericht verlesenen Brief an die Familie vom November 2016 hervor. Er verstehe nicht und werde wohl nie verstehen, warum er eingesperrt worden sei. Zeugen hätten gelogen und er sei derjenige, der das nun „ausbaden“müsse. Zum Glück habe er eine starke Persönlichkeit, die das überstehen könne.
Im Bundeszentralregister gibt es bislang nur einen Eintrag zu ihm. 2012 war er mit einem verbotenen Springmesser erwischt worden. Ansonsten sind allerdings keinerlei Vorstrafen vermerkt.
Das Urteil soll Donnerstag kom mender Woche verkündet werden
Am Donnerstag wird Richter Bösl die Beweisaufnahme schließen, sofern keine weiteren Anträge folgen. Dann werden die Verteidiger Jörg Gragert und Franz Xaver Wittl, Staatsanwalt Jürgen Staudt und der Vertreter der Nebenklage, HansJürgen Hellberg, ihre Schlussvorträge halten.
Allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wie die Kammer gestern mitteilte. Da bei der Befragung eines Zeugen in dem umfassenden Indizienprozess die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden war, sei dies auch für die Plädoyers gesetzlich zwingend vorgeschrieben.
Das Urteil soll dann am Donnerstag der kommenden Woche verkündet werden.