Die Bischöfe machen einen kleinen Schritt in die richtige Richtung
Leitartikel Wiederverheiratete Geschiedene dürfen im Einzelfall zu Kommunion und Beichte. Warum das keine Revolution ist. Aber eine Öffnung, die hoffen lässt
Mehr als neun Monate haben die deutschen Bischöfe gebraucht, um sich hinter den Papst zu stellen. Der hat ihnen im April in seinem Schreiben „Amoris laetitia“den Weg gewiesen. In interpretationsbedürftigen Andeutungen zwar, aber immerhin. Was folgte, war ein erbittertes innerkirchliches Ringen um den Umgang mit geschiedenen und wiederverheirateten Katholiken. Kardinäle griffen Franziskus öffentlich scharf an, konservative Bischöfe haderten mit dem Stellvertreter Christi auf Erden.
Die katholische Kirche kreiste wieder einmal um sich – und hinterließ wieder einmal ein fatales Bild in der Öffentlichkeit. Sie wirkte zerstritten und unbarmherzig. War Franziskus nicht angetreten, das zu ändern? Verwendet er nicht fast täglich das Wort „Barmherzigkeit“? Betont er nicht, wie wichtig die Seelsorge sei, gerade mit Blick auf die Zukunft der krisengeschüttelten Institution Kirche? So dachten ungezählte Gläubige mit zunehmender Enttäuschung. Sie setzten, und viele tun es noch, große Hoffnungen in ihn. Wer, wenn nicht er, könne die Kirche reformieren?
Nun also ist in Deutschland etwas von Franziskus’ Reformgeist angekommen. Auch die deutschen Bischöfe öffnen sich Wiederverheirateten. Ein bisschen zumindest.
Wiederverheiratete werden nicht mehr grundsätzlich vom Sakramenten-Empfang ausgeschlossen, sie dürfen im Einzelfall und nach einem „Prozess der Entscheidungsfindung“, den ein Seelsorger begleiten soll, Kommunion und Beichte empfangen.
Es ist ein überfälliger Reformschritt, ein Schritt in die richtige Richtung. Keine Revolution, eher ein Revolutiönchen. Denn das muss man schon anerkennen: Vor wenigen Jahren wäre er undenkbar gewesen. Dass sich etwas bewegt, ist gut. Es zeugt von der inzwischen offensichtlich auch unter hohen kirchlichen Amts- und Würdenträgern vorhandenen Einsicht, dass die Kirche nicht ausgrenzen darf. Dass sie die Nöte der Menschen ernst nehmen und sie begleiten muss, anstatt über sie zu urteilen.
Das Problem ist: Selbst dieser zaghafte Versuch einer Reform, verliert sich noch im Ungefähren und bleibt damit bis auf Weiteres ein fragiles Gebilde. Das hat seinen Grund in dem vieles offenlassenden Schreiben Franziskus’, das die deutschen Bischöfe in ihrer Stellungnahme ebenso vage aufgreifen.
Dass konkrete Aussagen zum Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen in ihr fehlen, ist enttäuschend. Vieles, heißt es, werde „in den konkreten pastoralen Situationen entwickelt werden müssen“. Das schafft nicht gerade Zutrauen in die Reformfähigkeit der katholischen Kirche, die sich ohnehin schwertut, mit einer Stimme zu sprechen. Es lässt aber hoffen.
Sowohl im Papst-Schreiben als auch in der Stellungnahme der deutschen Bischöfe geht es ja um weitaus mehr als um Wiederverheiratete. Es geht um die „Stärkung der Familie“, um die intensivere Begleitung von Eheleuten und solchen, die es werden wollen. Letztlich geht es um eine bessere Beziehung zwischen Kirche und Kirchenmitgliedern.
Der Umgang der Kirche mit Wiederverheirateten jedoch ist zum Gradmesser ihrer Reformfähigkeit geworden. Weil es hier um Grundsätzliches geht: Wie lässt sich die Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe mit einer den Menschen zugewandt(er)en Kirche in Einklang bringen? Das eine gegen das andere auszuspielen, führt nicht weiter.
Die Kirche öffnet sich Wiederverheirateten – was daraus wird, entscheidet sich jetzt in der Praxis. Es liegt nun an den Ortskirchen, den Bischöfen, den Pfarrern. Franziskus will ihnen mehr Entscheidungsspielräume einräumen. Sie haben sie nun in diesem Falle.
Was daraus wird, entscheidet sich jetzt in der Praxis