Demut tut dieser Bank gut
John Cryan wird gestern manchen Anleger enttäuscht haben, als er über die Strategie der Deutschen Bank sprach. Investoren brauchen Fantasie. Sie wollen spekulieren, wo das große Wachstum herkommt. Das blieb Cryan schuldig. Prompt gab der Aktienkurs nach.
Die Bank wird sich zwar immer wieder neu orientieren und auf Regulierung und Marktverschiebungen eingehen – ähnlich wie ein Kind, das in eine neue Schulklasse kommt. Der Deutsche-Bank-Chef stellte aber keine neue, große Strategie vor. Der große Wurf, er blieb aus. Das aber könnte in der jetzigen Situation genau das Richtige sein.
Denn die Bank schüttelt erst langsam die Lasten ihrer wilden Vergangenheit ab. Das Institut war zu gierig und überschritt teils gesetzliche Grenzen. Heute büßt es dafür mit Milliarden Euro. Würden sich ähnliche Sünden in Zukunft wiederholen, wären die Strafen nur noch schwer verkraftbar. Cryan ruft deshalb seine Bank zur Ordnung. Die Demut tut der Bank gut. Schließlich muss sie zuallererst Vertrauen zurückgewinnen. Dazu kommen noch andere Herausfor- derungen: der digitale Wandel und der Umbau des Instituts, der bitter ausfällt, da Filialen geschlossen werden und zahlreiche Mitarbeiter gehen müssen. Gleichzeitig muss die Deutsche Bank die Hoheit über ihre angestammten Geschäftsfelder behalten. Dies zusammen sind für 2017 Aufgaben genug – ganz ohne neue Visionen.
Cryans vorsichtige Strategie wird am Ende daran gemessen, ob die Bank bald schwarze Zahlen schreibt. Das wäre nach den aktuellen Milliardenverlusten ein großer Fortschritt.