Amerikas wichtigster Sonntag
Super Bowl In der Nacht von Sonntag auf Montag findet in den USA eine gigantische Show statt. Das Football-Finale elektrisiert Millionen Menschen. Und natürlich geht es auch um Donald Trump
Das Knirschen der Kufen ist nicht zu überhören. Und dennoch verwirrt es im ersten Moment. Die Temperaturen in Houston liegen seit Tagen beständig über der 20-Grad-Marke, die Sonne scheint und die Menschen tragen T-Shirts sowie Shorts. Kein Wunder: Houston ist nahe am Golf von Mexiko, der Einfluss der subtropischen Klimazone auch im Winter spürbar.
Und dennoch gibt es mitten in der Stadt derzeit eine Eisfläche. Sie ist eingebettet in die Fanmeile des 51. Super Bowls. Texaner und Touristen erfreuen sich gleichermaßen an dem glatten Spaß. So ist das halt, wenn der größte Wanderzirkus der Welt Einzug hält. Super Bowl – das bedeutet Big Business, viele Partys, wenig Schlaf und eine Gastgeberstadt im Ausnahmezustand.
„Viele denken, wir haben hier nur Cowboystiefel, Cowboyhüte, Öl und Gas. Das stimmt natürlich. Aber wir haben noch so viel mehr“, sagt Bürgermeister Sylvester Turner. Houston ist nach New York, Los Angeles und Chicago die Stadt mit den viertmeisten Einwohnern in den USA. Und sie ist derzeit das Epizentrum der Emotionen. In Downtown ist das Football-Finale allgegenwärtig. Überdimensionale Abbildungen von Spielern zieren die Fensterscheiben von Hotels und Restaurants. Auf einem Wolkenkratzer ist über 20 Stockwerke der Meisterpokal, die Vince LombardyTrophy, zu sehen. Die Avenida de la Americas wurde für den Straßenverkehr gesperrt. Hier trifft sich das Fanvolk zum Feiern und um im Football-Dschungel der NFL Experience einmal selbst Quarterback oder Kicker zu sein.
Houston präsentiert sich bunt, vielfältig, freundlich und voller Vorfreude. 10000 freiwillige Helfer lächeln auch spät am Abend noch und weisen den Gästen den Weg in ihre Hotels oder zu den angesagten Restaurants und Bars. Im Discovery Green, einem zwölf Hektar großen Park direkt im Stadtzentrum, gibt es jeden Abend Konzerte, der Eintritt ist frei. Unter anderem heizen ZZ Top ein – für die Altrocker ist es ein Heimspiel, sie hatten sich 1969 in Houston gegründet. Die Stadt ist unter anderem bekannt für das Missionskontroll-Zentrum der Nasa. Und die Raumfahrt spielt auch im Vorfeld des Super Bowls eine Rolle. Mehr noch – der „Future Flight“ist das Highlight auf der Partymeile. Bei diesem „Flug in die Zukunft“werden Gäste einen 20 Meter hohen Turm hinaufgezogen. Sie tragen dabei Spezial-Effekt-Brillen, mit denen ein „neun Monate langer Flug zum Mars“simuliert wird. Im freien Fall rauschen die Passagiere durch das Weltall und landen schließlich mitten auf dem Spielfeld des NRG Stadiums in Houston.
Dort stehen sich am Sonntag die New England Patriots und die Atlanta Falcons gegenüber. Als das Football-Finale 2004 zum bislang letzten Mal in Houston ausgetragen wurde, gewannen die Patriots gegen die Carolina Panthers 32:29. Gegen Atlanta ist die Mannschaft um StarQuarterback Tom Brady leicht favorisiert. Doch was garantiert das schon an Amerikas wichtigstem Sonntag des Jahres? Spannend ist nicht nur die Frage nach dem Super-Bowl-Sieger, sondern auch, ob Lady Gaga in der Halbzeitpause tatsächlich nur singt und tanzt – oder eventuell auf irgendeine Weise gegen US-Präsident Donald Trump aufbegehrt. Schließlich gilt sie als sehr unverblümt und machte unlängst in New York vor dem Trump Tower ihre Abneigung gegen das neue Staatsoberhaupt deutlich. Und so eine Pausen-Show, die sich weltweit mehrere hundert Millionen Menschen anschauen, wäre natürlich die ideale Bühne für ein starkes Statement. Im Übrigen halten Starauftritte die Zuschauer vor den Bildschirmen und verhindern somit Probleme städtischer Wasserwerke, die bei gleichzeitigen hundertmillionenfachen Toilettengängen entstehen. Auf einer Pressekonferenz gab sich die 30-jährige Amerikanerin zahm. „Die einzigen Statements, die ich machen werde, sind die, die ich immer während meiner Shows gemacht habe. Und die handeln von Liebe, Mitgefühl und Güte.“
Wer sie, die Patriots und die Falcons live sehen will, muss tief ins Portemonnaie greifen. Der Durchschnittspreis für eine Eintrittskarte liegt bei rund 4500 Dollar. Allein Parkplatztickets kosten zwischen 100 und 300 Dollar. Dennoch sind mehrere hunderttausend Menschen nach Houston gekommen – auch wenn nur 71000 ins Stadion passen. Rund 1300 Privatflugzeuge mit Edel-Fans landen am Sonntag in Houston, was die drei Flughäfen der Stadt kräftig fordert.
Für viele Fans ist es bereits wie ein Touchdown, einfach nur am Ort des Geschehens zu sein, FootballFlair hautnah zu spüren. Das lokale Super-Bowl-Komitee erwartet, dass in Houston 350 Millionen Dollar umgesetzt werden. Der Reingewinn für die Stadt soll bei elf Millionen Dollar liegen. Super Bowl – das ist schon lange nicht mehr nur ein Football-Finale, sondern der Inbegriff für Gigantismus im Sport und das größte Eintages-Sportereignis der Welt. Ein Event, bei dem den Amerikanern nichts zu teuer scheint. Und für das sogar im warmen Texas eine Eisfläche installiert wird. O
zu sehen ist der Super Bowl am Sonntag auf Sat.1: die Vorberichte ab 22.55 Uhr, das Spiel ab 0.30 Uhr.