Besatzer als Be Freier
Auch im Westen gab es viel Gewalt gegen Frauen
Zyniker gaben gegen Ende des Zweiten Weltkriegs an mitleidende Volksgenossen die Parole aus: Genießt den Krieg, der Frieden wird fürchterlich. So kam es denn auch. Jedenfalls kurzzeitig. Und für nicht wenige Frauen. Für sie hielt nämlich das unmittelbar auf den „Zusammenbruch“folgende Besatzungsregime noch eine Überdosis Horror bereit. Diese Übergangszeit vom Anfang des Endes des braunen Schreckensregimes bis zum Beginn einer neuen Ära ist das Thema des Buches „Als die Soldaten kamen/ Die Vergewaltigung deutscher Frauen am Ende des Zweiten Weltkriegs“.
Einem im Westen der vier Besatzungszonen weitverbreiteten Vorurteil zufolge verschenkten die Amerikaner an Deutsche Kaugummi, Bonbons und Schokolade und an „Frolleins“auch Nylons, und im Osten vergewaltigten die Russen. Doch dass die Wirklichkeit so simpel nicht war – hier die guten BeFreier mit lässiger Raffinesse, dort asiatische Horden –, versucht die Autorin Miriam Gebhardt beispielsweise mit Statistiken des bayerischen Innenministeriums und der Kirche nachzuweisen.
Ihre bedrückende Kernaussage: „Nach meiner konservativen Schätzung sind mindestens 860 000 Frauen zwischen 1944 und 1955 von alliierten Soldaten vergewaltigt worden“, so Gebhardt. Relativ am zivilisiertesten scheinen sich die Briten verhalten zu haben. Jedenfalls konnte die Verfasserin für deren Zone „nur wenige“einschlägige Quellen beibringen.
Vielleicht lag dies ja auch daran, dass die 300 000 über den Kanal entsandten „Tommies“allesamt ein kleines Büchlein mit dem Titel „Leitfaden für britische Soldaten in Deutschland 1944“in die Hand gedrückt bekommen hatten. Es bereitete auf die Begegnung mit „einem merkwürdigen Volk in einem merkwürdigen, feindlichen Land“vor. Und gewarnt wurde darin beileibe nicht nur vor horizontaler Kollaboration. Generalpräventiv lautete die Parole vielmehr: „Seien Sie auf der Hut.“Willi Naumann