Mehr Geld für die Rüstung, weil Trump es so will
Leitartikel Die USA setzen die Nato-Verbündeten in Europa unter Druck. Diese zeigen viel Verständnis. Doch die Rechtslage ist dünn. Und Geld ist nicht alles
Wladimir Putin hat Anfang 2014 die Nato gehörig in Schrecken versetzt. Russlands Präsident ließ die ukrainische Halbinsel Krim annektieren und unterstützte Separatisten, die Teile der Ostukraine abspalteten. Unter diesem Eindruck beschloss der Nato-Gipfel im September 2014 in Wales, die Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses durch eine „schnelle Speerspitze“zu steigern.
Warum dieser Gipfel jetzt plötzlich wieder zitiert wird, hat aber einen anderen Grund. Von der Öffentlichkeit nicht beachtet, enthielt die 37 Seiten dicke Gipfel-Erklärung von Wales eine Passage, in der die Partner an das Ziel erinnert werden, mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts, also ihrer Wirtschaftsleistung, für Verteidigung auszugeben. Wer dies bisher nicht erreicht hat, solle „darauf abzielen, sich innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von zwei Prozent zuzubewegen“. Nur eine Handvoll der 28 Nato-Mitglieder erfüllt derzeit das Ziel.
Die neue US-Regierung hat aus der vagen Formulierung des Wales-Gipfels jetzt ein Dogma gemacht – und setzt die Partner unter Druck. Verteidigungsminister James Mattis verlangt ultimativ, dass bis Jahresende verbindlich dargelegt wird, wie die Rüstungsausgaben steigen sollen. Präsident Donald Trump hatte im Wahlkampf gedroht, „wer seine Rechnungen nicht bezahlt“, könne nicht auf den Beistand der USA hoffen.
Dafür, dass die rechtliche Handhabe dünn ist und die Beistandsverpflichtung nach Artikel 5 des Nato-Vertrags unabhängig von finanziellen Leistungen gilt, reagieren viele europäische Regierungsvertreter erstaunlich entgegenkommend gegenüber Trump und Mattis. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zeigen viel Verständnis für eine faire Lastenteilung, vermieden aber konkrete Festlegungen. Das ist diplomatisch geschickt. Denn auch Merkel und von der Leyen wissen: Bis 2024 ist das Zwei-Prozent-Ziel für Deutschland kaum erreichbar – sofern nicht unerwarteterweise die Wirtschaft einbricht und dies für eine statistische Scheinlösung sorgt.
Selbst jährliche Anhebungen des Wehretats um acht Prozent, wie im vergangenen Jahr, würden wohl nur zur Annäherung, aber nicht zur Erfüllung des Zwei-ProzentZiels führen. Aber solche ambitionierten Steigerungen muss man politisch erst einmal durchhalten. Schon heute ist der Wehretat mit knapp 40 Milliarden Euro der zweitgrößte Posten im Bundeshaushalt – wer mehr investieren will, muss an anderer Stelle kürzen. Das schafft Probleme. Und sollte nach der Wahl im Herbst eine andere Koalition gebildet werden, wäre es mit hohen Steigerungsraten ohnehin vorbei.
Trump geht es darum, seiner Wählerschaft zu demonstrieren, dass er die Europäer für ihre Sicherheit selbst zahlen lässt. Von der Sache her ist es aber unsinnig, die Verteidigungsfähigkeit alleine an den Wehrausgaben festzumachen. Das zeigt das Beispiel Griechenland. Athen erfüllt das Ziel, aber die Rüstung richtet sich gegen den Nachbarn, das Nato-Mitglied Türkei – und die Ausgaben sind auch deshalb relativ hoch, weil das Land in einer Wirtschaftskrise steckt.
Wichtiger für die Nato ist, dass die zur Verteidigung nötigen Fähigkeiten vorhanden sind. Sinnvoll ist auch, Ausrüstungsmängel zu beseitigen, wie sie es bei der Bundeswehr zweifellos gibt, und neue Aufgaben wie die Cyberabwehr anzupacken. Nichtmilitärische Investitionen in Sicherheit sollten ebenfalls berücksichtigt werden. Rüstungsausgaben hingegen, die nur nationalem Prestige dienen oder die nicht effektiv sind, nutzen dem Bündnis nicht, selbst wenn sie positiv in die Statistik einfließen.
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