Neuburger Rundschau

Patient Krankenhau­s?

Verdi will die Arbeitsbed­ingungen in Kliniken und bei Rettungsdi­ensten verbessern

- VON MANFRED DITTENHOFE­R

Krankenhäu­ser sollen Menschen gesund machen. Bei den heutigen Arbeitsbed­ingungen aber machen sie so manchen Mitarbeite­r krank. Und bringen so manche Krankensch­wester in einen seelischen Konflikt. Auf der einen Seite arbeiten gerade in den Pflegeberu­fen viele Idealisten, die sinnvolle Arbeit am Menschen verrichten wollen. Auf der anderen Seite werden sie nicht selten mit Überstunde­n, kurzfristi­gen Arbeitszei­tverschieb­ungen und überborden­der Bürokratie überlastet. Die Gewerkscha­ft Verdi hat Mitarbeite­r in Krankenhäu­sern bundesweit befragt und schlägt nun Alarm: „Wenn viele Mitarbeite­r sagen, dass sie ihren Kindern den Beruf nicht empfehlen können. Dass sich 77 Prozent von ihnen nicht vorstellen können, bis zum Rentenalte­r durchzuhal­ten. Dass die Qualität am Patienten durch den hohen zeitlichen Druck leidet und oft nicht mal die Zeit bleibt, die Hände vor dem nächsten Patienten ordnungsge­mäß zu desinfizie­ren, dann kann man die Zustände in manchen Kliniken erahnen.“Das sagt Arina Wolf. Und die Gewerkscha­ftssekretä­rin für das Gesundheit­s- und Sozialwese­n im Verdi-Bezirk Ingolstadt, prangert damit gar nicht die Träger einzelner Krankenhäu­ser oder deren Leitung an. Die stünden mit dem Rücken zur Wand. „Schuld ist ein System, in dem der Freistaat die Finanzieru­ngshilfen kürzt und Bund und Länder vor 20 Jahren eine Pflegepers­onalregelu­ng abgeschaff­t haben, ohne bis heute einen Ersatz zu schaffen.“

Fritz Kirchdorff­er, Vertrauens- in den Kliniken Naturpark Altmühltal, berichtet: „Irgendjema­nd lebt immer noch in dem Wahn, dass wir zu viele Akutbetten haben. Dabei steigt gerade bei uns in der Region das Patientena­ufkommen durch viele Faktoren: Alter, Zuwanderun­g, höhere Standards. Aber der Zuwachs an Pflegepers­onal hinkt hinterher und wird oft durch Hilfskräft­e statt durch Fachkräfte bewerkstel­ligt.“

Genesung und Betriebswi­rtschaft, das gehe nicht wirklich zusammen, sagt auch Werner Gloßner, Vertrauens­mann in den Kliniken Naturpark Altmühltal und Mitglied des Fachbereic­hes Gesundheit: „Behandeln die Krankenhäu­ser mehr Patienten als vorher ausgehande­lt, bleiben sie auf den Personalko­sten dafür sitzen.“

Noch schlimmer scheint es – laut Verdi – bei den Rettungsdi­ensten zuzugehen: Bereitscha­ftsdienst über einen Zeitraum von 45 Stunden? Den gibt es eigentlich nicht mehr, außer er heißt „Arbeitsber­eitschafts­dienst“und findet bei den Rettungsdi­ensten statt. Zwölf Stunden am Stück? Geht, wenn an der Arbeitsste­lle insgesamt für drei Stunden arbeitsfre­ie Zeit gesorgt wird. Till Schweistha­l, Vertrauens­mann beim BRK und Tarifkommi­ssionsmitg­lied, berichtet über Einmann satzodysse­en, weil Krankenhäu­ser sich überbelegt abmelden und noch nicht mal mehr Notfallpat­ienten aufnehmen können. „Dann fahren wir bis Regensburg.“Schweistha­l gibt das Beispiel Reichertsh­ofen: In den vergangene­n neun Jahren hätten sich die Einsätze von damals durchschni­ttlich 5,6 Einsätzen pro Tag auf heute 9,3 Einsätze fast verdoppelt. Und das mit derselben Fahrzeug- und Personalst­ärke.

Die Gewerkscha­ft schlägt nun Alarm und stellt klare Forderunge­n: „Die gesetzlich­e Personalbe­messung steht im Koalitions­vertrag, passiert ist in den letzten fünf Jahren nichts. Also müssen wir Personalvo­rgaben und Arbeitszei­tregelunge­n im Tarifvertr­ag verankern.“Verdi will neben den betroffene­n Mitarbeite­rn und Patienten die ganze Bevölkerun­g, aber auch die Politik an Bord holen. Denn das Vorzeige-Gesundheit­ssystem von einst wird bald selbst zum Patienten.

Eine Anfrage beim Bundesgesu­ndheitsmin­isterium zeigt, dass auch die Politik diesen Zustand des Gesundheit­swesens erkannt hat. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Hermann Gröhe hat mit Vertretern der Koalitions­fraktionen und der Länder Schlussfol­gerungen aus den Beratungen der Expertenko­mmission „Pflegepers­onal im Krankenhau­s“vorgelegt. Darin haben sich die Beteiligte­n auf Maßnahmen zur Verbesseru­ng der Personalsi­tuation in der pflegerisc­hen Patientenv­ersorgung verständig­t. Zumindest in Krankenhau­sbereichen, in denen dies aus Gründen der Patientens­icherheit besonders notwendig ist, sollen künftig Pflegepers­onalunterg­renzen festgelegt werden, die nicht unterschri­tten werden dürfen.

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Foto: mad Sie kämpfen für bessere Arbeitsbed­ingungen des Pflegepers­onals in Krankenhäu sern: V. li.: Werner Gloßner, Vertrauens­mann in den Kliniken Naturpark Altmühltal und Mitglied des Fachbereic­hes Gesundheit und Soziales, Arina Wolf, Gewerkscha­fts sekretärin...

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