Exotik der Beständigkeit
Gesellschaft Er bleibt und bleibt und bleibt: der rote Kaugummiautomat
Es ist das kleinste Schaufenster in unseren Straßen, stets in Rot gefasst. Wenn nicht mal wieder jemand versucht hat, die Plastikscheibe mit dem Feuerzeug aufzuschmelzen, was sie ums Brandloch herum einschwärzt, dann hat der Passant auf Augenhöhe eines Knirpses freie Sicht auf einen bunten Haufen Auslage. Da türmt sich Kleinkram: Kugeln, Ringe, Totenköpfe.
Der Kaugummiautomat ist eine Konstante im öffentlichen Raum, eine Art Kindheitsanker neben dem Jägerzaun, ein Alltagsjuwel in der Vorstadt und in Nebenstraßen. Aufgehängt bevorzugt an den Laufwegen der Schulkinder und dort, wo sonst nichts ist, wo man sein Kleingeld loswerden könnte. Es gibt ihn seit Jahrzehnten, er gehört vor die Tür wie Muscheln an den Strand. Keine Modernisierungswelle hat ihn hinweggefegt wie die Parkuhr oder abgeschliffen wie den Zigarettenautomaten, der heute ein digitaler Verkaufstresor ohne sichtbare Schächte und Mechanik ist, an dem man mit Karte zahlen kann.
Die 500000 bis 800000 Kaugummiautomaten, die es in Deutschland gibt, sind unverändert geblieben – nur die Füllungen und die Münzen (10 Pfennig einst, heute 20 oder 50 Cent) haben sich angepasst. Ansonsten ist alles wie immer und so, als wäre Kohl noch im Amt: roter rechteckiger Kasten, schwarzer Drehgriff, kleiner Ausgabeschacht mit Silberklappe davor. Keine Tasten, kein Touchscreen – nur diesen Griff, der die Wunderorgel nach Einwurf einer Münze Ware ausspucken lässt. Kleinspielzeug – und, wie eh und je, Kaugummikugeln. Was ist die Nachricht? Die Sensation ist, dass es den Kaugummiautomaten immer noch gibt. Er ist Kult auf Fotoseiten im Internet, er verkörpert die Exotik der Beständigkeit. Künstler kapern die Automaten und befüllen sie mit Gedichten. Das Schönste bleibt er selbst.