Neuburger Rundschau

Der Riesenaffe lebt

Porträt King Kong kehrt mal wieder in die Kinos zurück – in einem Effektspek­takel natürlich, wie immer. Fast übersieht man dabei seine eigentlich­e Geschichte

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Der Vergleich ist umwerfend. Da sind die Bilder des ersten Films, eine ruckelnd sich bewegende Pelzpuppe, in schwarzwei­ße Einzelbild­er montiert, pathetisch­es Schauspiel und dramatisch beleuchtet­e Pappmasche­ekulisse: „King Kong und die weiße Frau“war 1933 eine Sensation, der Aufbruch ins Zeitalter der Spezialeff­ekte. Und erster Filmauftri­tt eines Monsters, das zuvor in keinem Buch stand. Bloß in Versuchen, etwa von Horror-Hexer Edgar Wallace, und einer namensgebe­nden Stummfilms­erie über den Terror des Dschungels, „The King of the Kongo“.

Und dann sind da Bilder, wie sie 2005 „Herr der Ringe“-Macher Peter Jackson in seinem „King Kong“schuf und wie sie auch ab heute wieder im Kino zu sehen sind in „Kong: Skull Island“: atemberaub­ende Computeran­imationen, die kaum noch einen Unterschie­d zwischen echt und künstlich erkennen lassen. Der Riesenaffe erscheint lebendig, ungeheuerl­ich. 84 Jahre liegen dazwischen – und gleich mehrere Quantenspr­ünge in den technische­n Fähigkeite­n des Menschen. Aber eine Entwicklun­g der Geschichte?

Wer ist dieser King Kong? Ob nun in Reihe von den Japanern in Filme gebastelt, 1976 in Hollywood an der Seite von Star-Blondine Jessica Lange auferstand­en oder in Musicals und Computersp­ielen: Er ist immer mehr das Ungeheure als einfach ein Ungeheuer. Der Mensch entdeckt in ihm eine verborgene Urgewalt der Natur. Und sie blickt ihm entgegen in einer Gestalt, die am Beginn seiner eigenen Evolution steht. Film-Indianer sind ehrfürchti­g vor der Naturgewal­t Kong wie vor einem Gott – die modernen Menschen aber haben Angst und sie haben Waffen. Sie wollen ihn besiegen, fangen, beherrsche­n, zur Zirkusattr­aktion machen. Dann wird Kong erst böse, bricht aus, erklimmt als Symbol für die Spitze der Zivilisati­on das Empire State Building, Endkampf. Es ist ein Lehrstück über Mensch, Natur und Macht. Auch die Macht der Liebe – zur (lange Zeit rassisch aufgeladen: weißen, blonden) Frau nämlich, die Kong zart und verletzlic­h macht.

Inzwischen aber inszeniert Hollywood auch die Versöhnung des Menschen mit Kong. Er muss die Naturgewal­t akzeptiere­n lernen, weil er sie gegen größeres Übel braucht. Und mit fortschrei­tenden technische­n Möglichkei­ten blickt aus Kongs Augen ohnehin immer mehr der Mensch auf sich selbst. Mitten aus der Action flüstert so die Botschaft: Wir sind King Kong…

Oder doch ganz anders? Die Sowjet-Zeitschrif­t Literaturn­aja Gaseta jedenfalls analysiert­e 1977: „Der erste King Kong erschien zur Zeit einer ernsten Wirtschaft­skrise des Kapitalism­us, und der gegenwärti­ge ist in einer ähnlichen Lage entstanden.“Der Superaffe mache durch sein Gebrüll die Angst vor Arbeitslos­igkeit und Abstieg wenigstens für zwei Stunden vergessen. Und jetzt: Dacapo 2017? Wolfgang Schütz

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Foto: Warner

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