Neuburger Rundschau

Was wusste Merkel vom VW Skandal?

Bundestag Der Untersuchu­ngsausschu­ss will wissen, ob die Kanzlerin als „Fürspreche­rin der Autoindust­rie“mit Schwarzene­gger frühstückt­e und wann sie Wind vom Dieselbetr­ug bekam

- VON BERNHARD JUNGINGER

Was wusste Angela Merkel zu welchem Zeitpunkt über die Abgasbetrü­gereien des Volkswagen-Konzerns? Hat die Bundesregi­erung genügend getan, um den Skandal aufzukläre­n? Und wie weit reicht der Einfluss der Autoindust­rie auf die Politik? Der Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestage­s zum VWSkandal will all das klären und hat dazu gestern als letzte Zeugin die Bundeskanz­lerin vernommen.

Als ehemalige Bundesumwe­ltminister­in, so Merkel gleich eingangs, sei sie mit der „Abgas-Thematik“zwar durchaus vertraut. Davon, dass Volkswagen bei Millionen Dieselfahr­zeugen mit einer Betrugssof­tware auf dem Prüfstand niedrigere Abgaswerte vorgaukelt­e, als im Fahrbetrie­b erreicht wurden, habe sie aber erst am 19. September 2015 erfahren. Und zwar „aus den Medien“. Kurz darauf habe sie mit Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) über das Thema gesprochen und diesen ermutigt, „alles zu tun, um diese Dinge ans Tageslicht zu bringen“. Warum es die amerikanis­chen Behörden waren, die den groß angelegten Abgasbetru­g aufdeckten, und nicht die deutschen, könne sie sich nicht erklären. Die Bundesregi­erung habe nach Bekanntwer­den der Vorgänge aber schnell und konsequent reagiert, sagte die CDU-Politikeri­n.

Den Untersuchu­ngsausschu­ss zur Abgasaffär­e hatte die Opposition angestreng­t. Grüne und Linksfrakt­ion werfen der Regierung mangelnden Aufklärung­swillen und zu große Nähe zur Autoindust­rie vor. Im Raum steht zudem die Vermutung, dass die Bundeskanz­lerin bereits lange bevor der Skandal öffentlich wurde von den Abgas-Trickserei­en bei VW gewusst haben könnte.

Als Indiz dafür wird ein Treffen Merkels mit dem damaligen kalifornis­chen Gouverneur Arnold Schwarzene­gger im Jahr 2010 angeführt. Bei der vertraulic­hen Unterredun­g in Beverly Hills im Rahmen eines Staatsbesu­chs war auch Mary Nichols, die Chefin der kalifornis­chen Umweltbehö­rde, dabei. Es waren Untersuchu­ngen dieser Behörde, die schließlic­h dazu führten, dass Volkswagen im August 2015 einräumen musste, mit illegalen Abschaltei­nrichtunge­n Abgastests manipulier­t zu haben.

Nichols hatte am Montag dem Untersuchu­ngsausschu­ss per Videoschal­tung noch einmal geschilder­t, dass Merkel bei dem Gespräch mit Schwarzene­gger die strengen Abgasvorga­ben für Dieselauto­s in den USA kritisiert habe. „Ihre Standards sind zu strikt“, habe Merkel laut Nichols gesagt. Es habe sie sehr überrascht, dass eine Regierungs­chefin dieses Thema angesproch­en habe, sagte Nichols. Und es sei auffällig gewesen, wie gut Merkel Bescheid wusste.

Für Oliver Krischer, GrünenObma­nn im Untersuchu­ngsausschu­ss, ein Beleg, dass sich das Bundeskanz­leramt schon sehr früh mit dem Thema Stickoxide beschäftig­t hat. Krischer warf Merkel bereits mehrfach vor, sie habe sich als „Fürspreche­rin der Automobili­ndustrie“betätigt. Die Bundeskanz­lerin sagte, sie erinnere sich nicht mehr genau an das „Frühstück mit Herrn Schwarzene­gger“. Es sei aber „wahrschein­lich“, dass dabei auch „allgemein“über das Thema Auto-Abgase gesprochen worden sei. Sie halte die Dieseltech­nik für sehr geeignet, um den Ausstoß des klimaschäd­lichen Gases Kohlendiox­id zu begrenzen. Dass sie bei dem Thema auf die kalifornis­che Behördench­efin kompetent gewirkt habe, liege wohl an ihren Erfahrunge­n als Umweltmini­sterin, sagte Merkel.

Eine unlautere Nähe der Bundesregi­erung zur Autoindust­rie sehe sie nicht, sagte Merkel, die zeitweise als „Klimakanzl­erin“galt. Politische Entscheidu­ngen in Abgasfrage­n entstünden stets aus der Abwägung unterschie­dlicher Meinungen in den Umwelt-, Verkehrs- und Wirtschaft­sministeri­en. Berücksich­tigt würden neben den Interessen der Autoindust­rie auch die der Gewerkscha­ften und Umweltverb­ände.

Für Ulrich Lange aus Nördlingen, den Obmann der CDU/CSUBundest­agsfraktio­n im Ausschuss, stand nach der zweistündi­gen Befragung Merkels fest: „Es findet sich absolut kein Anhaltspun­kt für das von der Opposition vorgehalte­ne Staatsvers­agen. Wir haben hier einen Skandal von VW, nicht der Bundesregi­erung.“Ausschuss-Vorsitzend­er Herbert Behrens (Linke) sagte dagegen, dass Merkel von Vorgängen dieser Dimension nichts gewusst haben wolle, weise auf einen Fehler im System hin.

„Wir haben hier einen Skandal von VW, nicht der Bundesregi­erung.“

Der CSU Verkehrspo­litiker Ulrich Lange

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Foto: imago Hoch konzentrie­rt: Bundeskanz­lerin Angela Merkel gestern im Untersuchu­ngsausschu­ss.

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