Neuburger Rundschau

Was passiert, wenn diese Frau gewinnt?

Frankreich Im ersten Wahlgang am 23. April hat die Rechtsextr­eme Marine Le Pen gute Karten

- VON BIRGIT HOLZER

Er selbst tritt bei der französisc­hen Präsidente­nwahl nicht mehr an – doch wer ihm in den Élysée-Palast nachfolgt, kann François Hollande nicht gleichgült­ig sein. Zumindest lässt er keinen Zweifel daran, wen er nicht an der Spitze des Staates sehen will: Marine Le Pen. „Falls die Kandidatin des Front National gewinnen sollte, würde sie einen Ausstiegsp­rozess aus dem Euro und sogar der EU einleiten“, sagt der Präsident. „Meine letzte Pflicht ist es, alles zu tun, damit Frankreich nicht eine solch schwere Verantwort­ung zu tragen hat.“

Hollande befürchtet, dass Meinungsfo­rscher Le Pens wahres Stimmen-Potenzial unterschät­zen. Umfragen zufolge könnte sie ohnehin mit 26 Prozent als Siegerin des ersten Wahlgangs in die Stichwahl einziehen, würde dort aber wohl scheitern. Der Soziallibe­rale Emmanuel Macron hat die besten Chancen. Doch nur 45 Prozent seiner Sympathisa­nten sind sich ihrer Wahl sicher – gegenüber 79 Prozent von Le Pens Anhängern. Heute käme es wohl nicht mehr zu Straßenpro­testen und einer „republikan­ischen Front“wie 2002, als ihr Vater und Vorgänger Jean-Marie Le Pen überrasche­nd die zweite Runde hinter Jacques Chirac erreichte: Sogar überzeugte Linkswähle­r stimmten daraufhin für den Konservati­ven Chirac, um den Rechtsextr­emen Le Pen zu verhindern.

Doch längst schockiert die Stärke des Front National nicht mehr. Man hat sich daran gewöhnt. Und das ist Marine Le Pens Verdienst. Seit sie 2011 den Parteivors­itz von ihrem Vater übernommen hat, macht die 48-Jährige den Rechtspopu­lismus salonfähig, indem sie zumindest offen ausgesproc­hene rassistisc­he Töne nicht mehr duldet und sich als moderne, wenn auch autoritäre Chefin präsentier­t. Sie profitiert vom Verdruss der Franzosen über die Parteien des „Systems“und die Elite, während sie selbst eine direkte, einfache Sprache spricht. In ihrem Wahlprogra­mm beschwört Le Pen ein „freies Frankreich“, das seine nationale Souveränit­ät wieder erlange, und will das Volk über einen EUAustritt abstimmen lassen. Die Forderung nach der Wiedereinf­ührung einer nationalen Währung erwähnt sie erst spät in ihrem Programm: Le Pen weiß, dass eine große Mehrheit der Franzosen dagegen ist. Darüber hinaus fordert sie, dass Frankreich den SchengenRa­um sowie das Militärkom­mando der Nato verlässt und „seine Rolle als Stabilität­sund Ausgleichs­macht“zurückerhä­lt. Neben der Förderung von Volksabsti­mmungen, die zur Bedingung für Verfassung­sänderunge­n werden sollen, und einem „intelligen­ten Protektion­ismus“zur konsequent­en Bevorzugun­g der heimischen Wirtschaft stützt sich Le Pen auf das Prinzip der „nationalen Priorität“. Es sieht vor, die Vergabe von Sozialwohn­ungen, Arbeitsplä­tzen oder auch Kindergeld-Zahlungen auf Franzosen zu beschränke­n. Die legale Einwanderu­ng wird auf 10000 Personen begrenzt, Familienna­chzug verboten und von Ausländern „republikan­ische Assimilier­ung“verlangt.

Für die Umsetzung ihrer Ideen würde Marine Le Pen aber nicht einmal die Wahl zur Präsidenti­n reichen – der Front National müsste auch die Parlaments­wahlen im Juni gewinnen, um die Regierung zu stellen. Andernfall­s müsste sie mit der Mehrheitsp­artei in der Nationalve­rsammlung zusammenar­beiten. Doch Le Pen ist derart zerstritte­n mit allen anderen Gruppen, dass das zum Chaos führen würde – Frankreich wäre im Inneren blockiert und europäisch isoliert.

 ?? Archivfoto: dpa ??
Archivfoto: dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany