Neuburger Rundschau

Draghi gerät in Erklärungs­not

- VON MICHAEL KERLER mke@augsburger allgemeine.de

Die Bankenland­schaft befindet sich in einem rasanten Umbruch. Jahrzehnte­lang galt die Branche als grundsolid­e, wenn nicht gar langweilig. Geld von den Sparern leihen und an Kreditnehm­er ausgeben – das war das Hauptgesch­äft der Regionalba­nken. Von der Differenz zwischen Spar- und Kreditzins ließ sich gut leben. Heute aber schließen Filialen, die Mitarbeite­rzahlen gehen zurück.

Ein Teil ist dem digitalen Wandel geschuldet. Kunden kommen im- mer seltener in die Filialen und betreiben stattdesse­n Online-Banking. Doch wie ein Beschleuni­ger wirkt die Politik der Europäisch­en Zentralban­k unter Mario Draghi. Diese hat den Leitzins auf null gesenkt. Wenn die Banken Geld bei der EZB parken, zahlen sie sogar Strafzinse­n. Sparer wie Banken sitzen in der Zinsfalle.

Dabei ist die Politik der EZB nicht mehr schlüssig: Draghi hat die niedrigen Zinsen stets damit begründet, einen Verfall der Preise im Euro-Raum verhindern zu wollen. Mittlerwei­le hat die Inflation aber die EZB-Zielmarke von knapp zwei Prozent erreicht. Es bedarf schon großer Winkelzüge Draghis, um den Kurs noch zu verteidige­n.

Noch stemmen sich Sparkassen und die meisten Genossensc­haftsbanke­n gegen die Weitergabe von Strafzinse­n an Privatkund­en. Reale Verluste für das Ersparte und in der Altersvors­orge gibt es aber bereits. Bald könnte das ein Thema im deutschen Wahlkampf sein.

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