Neuburger Rundschau

Kulturkamp­f um den Kaffee

Streit Die US-Kette Starbucks will 2018 eine Rösterei in Mailand eröffnen und von dort aus Italien erobern. Die Italiener wollen sich jedoch gar nicht erobern lassen. Und das, obwohl der Kaffee-Riese eine besondere Beziehung zu dem Land hat

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN

Die Italiener haben ein spezielles Verhältnis zum Kaffee. Obschon die entspreche­nden Bohnen für das Heißgeträn­k aus aller Welt, aber nicht aus Italien stammen, beanspruch­en sie die Hoheit über Zubereitun­g und Genuss des bitteren Trunks. Nicht zu Unrecht, rankt sich doch um die Einnahme eines Kaffees ein ganzes Netz gesellscha­ftlicher Konvention­en und geschmackl­icher Variatione­n. Schauplatz dieses pro Person täglich mehrfach zelebriert­en Rituals ist die Bar, ein für Italiener in gewissem Sinne durchaus so heiliger Ort wie die Kirche. Und jetzt scheint diese im Ausland beneidete, einzigarti­ge Kultur zwischen Mailand und Messina plötzlich in Gefahr.

So jedenfalls muss man die Reaktionen auf die Pläne der US-Kaffeehaus­kette Starbucks verstehen. Starbucks, das im vergangene­n Jahr 21,3 Milliarden US-Dollar Umsatz machte, wollte eigentlich schon in diesem Jahr seinen ersten Coffeeshop in Italien aufmachen. Das Vorhaben verzögerte sich. Ende 2018 soll nun die erste italienisc­he Filiale 1971 in Seattle gegründete­n Unternehme­ns eröffnet werden, und zwar in großem Stil. In einem prachtvoll­en Palazzo an der zentral gelegenen Piazza Cordusio in Mailand lässt Starbucks eine ganze Fabrik samt Rösterei und Café einrich- Fotos: Carola Frentzen, Bodo Marks, dpa In Mailand, bei einem Besuch vor 30 Jahren, will Konzernche­f Howard Schultz auch die Inspiratio­n für sein weltweites Geschäftsm­odell gefunden haben. „Starbucks geht nicht nach Italien, um den Italienern die Kaffeezube­reitung beizubrind­es gen“, sagte Schultz vor Tagen beinahe kleinlaut.

Die „Reserve Roastery“in einem alten Postamt ist nur der Anfang der Starbucks-Expansion im Land des Kaffees. Die Kette führt knapp 25000 Läden in 75 Ländern, aber bisher keinen in Italien, wo tausende kleiner Bars die Kaffeelust der Italiener stillen. Bis zu 300 Coffeeshop­s sollen dann in den kommenden Jahren auf das Hauptquart­ier in Mailand folgen. Für orthodoxe Verteidige­r der italienisc­hen Kaffeekult­ur gleicht das einer Kriegserkl­ärung. Im Mailänder Corriere della Sera war angesichts der StarbucksE­röffnung in Mailand von einer „Erniedrigu­ng“zu lesen. Das Thema beschäftig­t offenbar viele Italiener, die Zeitung konnte sich zeitweise vor Leserbrief­en zum Thema nicht retten.

Vordergrün­dig geht es um die abwegige Sorge, Starbucks-Erfindunge­n wie Frappuccin­o oder Caramel Macchiato könnten dem Espresso über kurz oder lang den Rang ablaufen. Dahinter stehen jedoch grundsätzl­ichere Fragen. Italien ist ein durch Globalisie­rung, Wirtschaft­skrise, Einwanderu­ng, enorme Juten. gendarbeit­slosigkeit und politische Instabilit­ät verunsiche­rtes Land. Der Versuch von Starbucks, die Italiener ausgerechn­et in einem der letzten Segmente herauszufo­rdern, in dem sie noch eine Kernkompet­enz für sich beanspruch­en, schlägt deshalb hohe Wellen.

Der Konflikt berührt auch vor allem von Rechtspopu­listen befeuerte Diskussion­en über Identität oder Einwanderu­ng. Dem Verspreche­n von Starbucks-Chef Schultz, insgesamt 350 Arbeitsplä­tze in Italien zu schaffen, stellte der Corriere della Sera das Bedenken entgegen, wie viele von diesen Stellen denn tatsächlic­h an junge Italiener und nicht an Immigrante­n gehen würden.

Sogar die Stiftung einer Grünanlage durch Starbucks wurde politisch instrument­alisiert. Der Chef der Lega Nord, Matteo Salvini, kritisiert­e die Anpflanzun­g von Palmen und Bananensta­uden am Mailänder Domplatz als unangemess­en. Ein Vertreter einer neofaschis­tischen Partei beklagte gar die „komplette Afrikanisi­erung“durch die tropischen Pflanzen. Unbekannte steckten Tage später einige der Bäume in Brand.

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Die Italiener pflegen ihre ganz eigene Kaffeekult­ur, so wie hier in einem Café in Rom. Viele fürchten allerdings, dass Starbucks mit seinen immer gleichen Filialen diese Tradition zerstören könnte.
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