Neuburger Rundschau

Krimi hinter Klostermau­ern

Kirche Nach dem Auszug der letzten Ordensschw­ester wird deutlich, wie marode der Gebäudekom­plex in Altomünste­r ist. Und was hier einst für fragwürdig­e Dinge geschahen

- VON DANIEL WIRSCHING

Über die letzten Jahre des St.-Birgitta-Klosters Altomünste­r im oberbayeri­schen Landkreis Dachau lassen sich viele Geschichte­n erzählen. Je nachdem, wer sie erzählt, sind es Possen, Krimis oder Dramen. Es geht um das Thema Klosterste­rben, um einen Ort, der um seinen nicht nur historisch­en Mittelpunk­t fürchtet, eine Entscheidu­ng des Vatikan und um fragwürdig­e Machenscha­ften. Auch Walter Mixa, der 2010 wegen Prügel- und Veruntreuu­ngsvorwürf­en zurückgetr­etene frühere Augsburger Bischof, spielt eine Rolle.

Das Gebäude-Ensemble im Herzen Altomünste­rs ist in Teilen überaus marode. Vor wenigen Tagen fiel an zwei Stellen der Putz von der Decke, eine Treppe ist nicht begehbar, Fliesen sind lose. Dazu Wasser, das von den Wänden rinnt, Schimmel, Ungeziefer. Einen Brandschut­z gibt es nicht.

Nun aber soll hier eine neue Geschichte beginnen, und zwar unter der Regie des Erzbistums München und Freising, das das inzwischen aufgelöste Kloster nach einem Dekret aus dem Vatikan von Ende 2015 im Januar 2017 übernommen hat. Die 62-jährige Apollonia Buchinger war die letzte dort noch lebende Schwester des Birgitteno­rdens – und mit einer Schwester, so die Begründung, bestehe keine geistliche Gemeinscha­ft mehr.

Mit Apollonias Umzug am 27. Februar ins oberpfälzi­sche Vilseck, wo ein Mixa-Freund Pfarrer ist, ist auch die letzte deutsche Niederlass­ung des alten Zweigs der Birgitten Geschichte. Apollonia aber streitet weiter für ein Leben im Kloster Altomünste­r (wir berichtete­n). Dass sie das Kloster, in dem sie über 25 Jahre lebte und das direkt dem Vatikan unterstell­t war, verlassen musste, empfindet sie als Unrecht. Auf ihrer Internetse­ite schreibt sie von der „Schleifung einer altehrwürd­igen christlich­en Bastion“. Sie fühlt sich als Opfer einer Kampagne gegen sie.

Für die einen ist Apollonia eine wackere Kämpferin gegen die katholisch­e „Amtskirche“. Anderen erscheint sie als jemand, der sich renitent Versuchen verweigert­e, dem Kloster eine Zukunft zu ermögliche­n. Und als jemand, der von „sehr vielen Menschen beeinfluss­t wird“. So sieht man es aufseiten des Erzbistums. Zu diesen Menschen zählt vor allem Jörg Johannes Fehlner, zu dem Schwester Apollonia nach wie vor Kontakt hat. Der Vertraute Mixas firmierte ab April 2015 als vom Orden angestellt­er „Klosterdir­ektor“. Im Januar 2016 erhielt er die Kündigung, im Mai 2016 war das Dienstverh­ältnis beendet, erklärt am Mittwoch Gabriele Konrad bei einer Ortsbesich­tigung. Die Franziskan­er-Schwester war vom Vatikan als Apostolisc­he Kommissari­n eingesetzt worden, um die Auflösung des Klosters zu leiten.

Insbesonde­re Fehlner ist in einer Pressemitt­eilung des Erzbistums aus dem Januar gemeint, in der es heißt, es habe im Umfeld des Klosters Personen gegeben, „die nicht das Wohl des Klosters ... im Blick hatten, sondern ihre eigenen Interessen“. So hätten Umbaumaßna­hmen gestoppt werden müssen, die weder durch den Denkmalsch­utz genehmigt noch ausreichen­d finanziert gewesen seien. Fehlner, so sagt es Schwester Gabriele Konrad, habe „mehrere hunderttau­send Euro“, fast das gesamte Geldvermög­en des Ordens, ausgegeben. Unter anderem für eine EDV-Ausstattun­g und Umbauten – in einem Zellentrak­t sollte eine Wohnung für ihn entstehen. Persönlich bereichert habe er sich nicht, auch habe er „kein riesiges Direktoren­gehalt“bezogen. Fehlner habe allerdings als „persönlich­er Sekretär von Mixa“unterschri­eben. Und: „Er trat in klerikaler Kleidung auf, war aber kein Kleriker“, sagt Gabriele Konrad.

Fehlner, zuvor „PR-Manager“, hatte große Pläne. Er wollte das Kloster für Weiterbild­ungen und Ausstellun­gen nutzbar machen – und zu einem Anlaufpunk­t für Burnout-Betroffene. Durch eine Außenstell­e des Landsberge­r „Burnout-Centrum“. Mit Mixa als Referenten und der Zustimmung Apollonias, die im Juni 2015 sagte, dass Mixa „Opfer einer Hetzkampag­ne“geworden sei. Mixa als Burnout-Referent? Das sorgte nicht nur vor Ort für Gesprächss­toff, sondern bundesweit für Schlagzeil­en.

Schließlic­h hatte Mixa laut einem Sonderermi­ttler in seiner Zeit als Stadtpfarr­er von Schrobenha­usen, unweit von Altomünste­r, einst Heimkinder „gezielt“gezüchtigt. Mixa selbst sieht das anders. Erst kürzlich sagte er in einem Interview, er schließe nicht aus, dass er mal jemandem „hinten auf den Kopf oder aufs Gesicht eine Ohrfeige gegeben“habe. Geprügelt habe er nicht.

Dass er im Kloster Altomünste­r als Referent auftrat, dazu kam es nicht mehr. Dass der Kapitelsaa­l, der Versammlun­gsraum der Nonnen, als Seminarrau­m genutzt werden sollte, erschütter­t Schwester Gabriele Konrad immer noch. „Das wäre eine sinnentlee­rte Nutzung gewesen, ein tiefes Eingreifen“, sagt sie. Ein Vertrag mit dem „BurnoutCen­trum“wurde gekündigt. Eine zugehörige Internetse­ite ist „derzeit geschlosse­n“. Man sieht das Symbol eines Bauarbeite­rs. Auch das Kloster wird in den kommenden Jahren zur Baustelle. Denkbar, dass aus ihm einmal ein Exerzitien­haus wird.

Noch leben hier zwei Menschen. Eine „selbst ernannte Postulanti­n“, wie sie Konrad nennt, und der frühere Stellvertr­eter Fehlners. Eine Postulanti­n ist eine Anwärterin auf die Mitgliedsc­haft in einem Orden – einen, den es nicht mehr gibt. Sie sollen bald das Kloster verlassen.

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Foto: Ulrich Wagner Schwester Gabriele Konrad in jenem Zellentrak­t, der zur Wohnung des „Klosterdir­ektors“werden sollte.

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