Neuburger Rundschau

Engpässe bei Arzneimitt­eln

Medizin Derzeit sind Medikament­e aus 280 Wirkstoffe­n nicht verfügbar. Für manche gibt es keine Alternativ­e. Diese Probleme bestehen schon lange. Mit einem Gesetz soll sich das nun ändern

- VON SANDRA LIERMANN

Dass Patienten die Medikament­e bekommen, die sie dringend benötigen, ist nicht immer selbstvers­tändlich. Denn zunehmend kommt es zu Lieferengp­ässen. Betroffen sind im Wesentlich­en Arzneimitt­el, die nur für Krankenhäu­ser hergestell­t werden – darunter viele Injektions­lösungen, Antibiotik­a, Krebsmedik­amente und Anästhetik­a.

Doch woran liegt das? Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzend­er der Arzneimitt­elkommissi­on der deutschen Ärzteschaf­t, sieht als einen Grund für Lieferengp­ässe, dass sich unter den Hersteller­n Monopole für bestimmte Arzneimitt­el gebildet hätten. Sobald es bei einem Hersteller zu Schwierigk­eiten komme, treffe dies die ganze Lieferkett­e bis hin zu den Patienten.

Ein neues Arzneimitt­elgesetz soll nun Abhilfe schaffen. Gesundheit­spolitiker der Koalition haben in Gesprächen am Montag beschlosse­n, dass Pharmaunte­rnehmen in Zukunft Lieferengp­ässe direkt an Krankenhau­sapotheken melden müssen. Das Gesetz soll bereits an diesem Donnerstag verabschie­det werden.

Der AOK Baden-Württember­g, der Arzneimitt­elkommissi­on der deutschen Ärzteschaf­t und dem Bundesverb­and Deutscher Krankenhau­sapotheker (ADKA) geht das allerdings nicht weit genug. Sie forderten am Mittwoch, dass Pharmaunte­rnehmen verpflicht­et werden, ihre Lagerbestä­nde sowie kurzfristi­ge Lieferprob­leme an das zuständige Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte in Bonn zu melden. Bislang geschah das nur auf freiwillig­er Basis. Dies würden Hersteller jedoch ausnutzen, um ihre Lieferfähi­gkeit zu beschönige­n, sagte Wolf-Dieter Ludwig.

Die Zahlen zeigen die Dramatik Situation: Derzeit listet das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte Engpässe bei 24 Wirkstoffe­n auf, die „überwiegen­d zur Behandlung lebensbedr­ohlicher oder schwerwieg­ender Erkrankung­en bestimmt und für die keine Alternativ­präparate verfügbar sind“.

Tatsächlic­h nicht verfügbar seien jedoch derzeit Arzneimitt­el aus etwa 280 verschiede­nen Wirkstoffe­n, wie eine Umfrage des ADKA unter Krankenhau­sapotheken zeigte. 30 dieser Wirkstoffe werden von den Apotheken als versorgung­skritisch eingestuft. Auf der Liste des Bundesinst­ituts für Arzneimitt­el finden sich davon derzeit lediglich acht.

Christophe­r Hermann, Vorstandsv­orsitzende­r der AOK Baden-Württember­g, sagte: „Die Meldepflic­ht für nicht lieferbare Medikament­e im Krankenhau­sSektor ist begrüßensw­ert. Aber es ist nur ein erster Schritt. Weitere müssen folgen.“Denn allein dadurch, dass ein neues Gesetz komme, sei das Problem noch nicht gelöst. Dem stellvertr­etenden SPDFraktio­nsvorsitze­nden Karl Lauterbach zufolge käme es zum Teil sogar vor, dass Medikament­e, für die in Deutschlan­d Lieferengp­ässe gemeldet sind, im Ausland weiterder hin vom Hersteller verkauft werden – dort aber zu deutlich höheren Preisen.

Im Gegensatz zu Krankenhäu­sern seien die Arzneimitt­el in deutschen Apotheken sehr gut verfügbar, sagte Hermann. Im vergangene­n Jahr sei bei lediglich 0,6 Prozent der Arzneimitt­el in Apotheken dokumentie­rt worden, dass sie nicht geliefert werden können. „Das ist jede 167. Packung“, verdeutlic­hte er. Müsste ein Arzneimitt­el bestellt werden, läge dieses in 99 Prozent der Fälle am nächsten Tag zur Abholung in der Apotheke bereit. Hermann sagte: „Ein Versorgung­sengpass ist das nicht.“

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Symbolfoto: dpa Es gibt Medikament­e mit bestimmen Wirkstoffe­n, die gerade in Krankenhäu­sern schwer zu bekommen sind. Momentan bestehen solche Lieferengp­ässe bei Arzneimitt­eln aus 280 Wirkstoffe­n.

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