Die Frage der Woche Abseits abschaffen?
Fußball hat viel mit Tradition zu tun. Und natürlich damit, dass die Bayern am Ende Meister werden. Weil, war ja gefühlt schon immer so, und auf irgendwas muss ja schließlich Verlass sein in dieser Welt, zu der sich selbst so etwas mittlerweile belanglos Langweiliges wie die Bundesliga für manch einen aufbläst. Der konservativen Couch-Kartoffel mit Sky-Abo jedenfalls ist Veränderung ein Graus, dabei wird gerade von denen, die beim Bier am meisten auf das Bestehende beharren und sich womöglich auf quasi ontologische Gesetzmäßigkeiten berufen wie „Der Ball ist rund und das Spiel dauert 90 Minuten“, gerne übersehen, dass er es eben nicht immer war, also rund, der Ball.
Ebenso verhält es sich mit der AbseitsRegel, die es zwar genauso lange gibt wie die deutsche Sozialdemokratie, nämlich seit 1863, sich seitdem aber mindestens genauso oft gewandelt hat. Wie überhaupt der Wandel bekanntlich bei allem, das wirklich Tradition hat, die eigentliche Konstante ist, was Irrtümer fehlgeleiteter Funktionäre wie den, lediglich Rückpässe zuzulassen, natürlich nicht ausschließt. Aber immerhin kann man – so zumindest im Fußball geschehen, weil die Regel den Spielfluss doch ein wenig hinderte – Fehler ja wieder korrigieren. Und apropos: Wer jetzt heiser „Abseits!“brüllt und „Schiri, du Sau!“, nur weil überraschenderweise der frisch eingewechselte Stürmer auf gleicher Höhe mit der Verteidigerin der kleinen Schritte ist – seit 1990, der bislang letzten Regeländerung der FIFA, ist gleiche Höhe erlaubt.
Warum also nicht wieder mal was Neues probieren statt heimtückisch auf die Abseitsfalle und kleinkariertes Tiki-Taka zu setzen? Und keine Angst: Sofern sie nicht auch noch gleich die Nachspielzeit abschaffen, wird Bayern weiter Meister.
Ja, Sie sehen richtig, eine Frau verteidigt hier das Abseits. Böse (vermutlich Männer-)Zungen sagen jetzt vielleicht: Da hat sie es endlich verstanden und muss sich nun aufspielen. Aber so etwas überhört frau einfach (wie übrigens auch die Mär über das Nicht-Verstehen der Abseitsregel bei doppeltem X-Chromosom). Sich damit auseinanderzusetzen ist nämlich genauso Zeitverschwendung wie auf weibliche Endungen an Substantiven zu bestehen.
Lassen wir also das Geschlechtergedöns und widmen uns lieber dem fachlichen Aspekt der Abseitsregel. Marco Van Basten meint ja, dadurch würde Fußball attraktiver, weil mehr Tore fallen. Wenn man auf Masse statt Klasse steht, mag der holländische Ex-Star-Stürmer und heutige Technische Direktor der Fifa Recht haben. Dann gibt’s mehr Bumm-Bumm. Klar ist aber auch: Ohne das Abseits würde dem Fußball definitiv etwas fehlen. Zum Beispiel die Diskussionen am Montag, über den „Sch****- Schiri“, der nicht gesehen hat, dass der Spieler XY (natürlich der Gegner) „gaaanz klar“im Abseits stand oder der ein Abseits (natürlich der eigenen Mannschaft) sah, das „gaaaar keines war“. Was wäre Fußball ohne diese Emotionen? Laaaangweilig.
Und wie Lothar Matthäus in einem Experiment herausgefunden hat, wäre Fußball ohne das Abseits auch taktisch ärmer. Im Mittelfeld würde sich nicht mehr viel abspielen. Vorbei die Zeiten großer Regisseure wie Netzer oder Thiago. Vorbei die Abseitsfallen und anderen strategischen Raffinessen. Kein Tiki-Taka mehr. Dann hieße es wohl frei nach Gary Lineker: „Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen immer die, die die besten langen Bälle spielen.“Faaaaaaad.