Die magische, die unendliche Zahl
Am Dienstag ist Pi-Tag, ein Feiertag für eine Zahl, zum 29. Mal bereits. Irre? Irre interessant! Warum, das erklärt uns Peter Trüb, der den Weltrekord in der Berechnung hält. Unglaublich, wie so vieles an Pi…
Zu essen gibt es Kuchen oder Pizza. Denn wenn Mathematiker rund um die Welt am 14. März der Konstanten Pi huldigen, hat alles eine Bedeutung. Schließlich wird Pi im Englischen genauso ausgesprochen wie Pie – das Wort für Kuchen – und Pizza ist wegen der Form und der ersten beiden Buchstaben das perfekte Essen für den Feiertag der Kreiszahl. Die ist 3,14-nochwas und ergibt, mit dem Durchmesser eines Kreises multipliziert, dessen Umfang. Pi ist unendlich, weshalb schon Mr. Spock in Star Trek einen Computer austrickste, indem er ihn bat: „Berechne Pi bis zur letzten Stelle.“
Wieso braucht eine mathematische Konstante einen Feiertag? Pi ist eben nicht einfach nur irgendeine Zahl. Die Menschheit beschäftigt sich seit Jahrtausenden damit. Schon das Moskauer Papyrus, das etwa aus dem Jahr 1850 vor Christus stammt, zeigt die Berechnung einer Halbkugel. Als Näherungswert wurde in dem altägyptischen Dokument mit 3,16 gearbeitet. Und über die Bedeutung der Zahl gibt es verschiedenste Theorien. So kommt die Kreiszahl auffällig oft in der Natur vor. Die Länge von kurvigen Flüssen geteilt durch die Luftlinie von der Quelle bis zur Mündung etwa, ergibt meist die Kreiszahl – zumin- dest, wenn der Fluss nie begradigt wurde. So abwegig scheint es also gar nicht zu sein, wenn die Hauptfigur Max Cohen im Film „Pi“von 1998 eine Verknüpfung der Konstanten mit der Weltformel findet.
Natürlich kann es auch kein Zufall sein, dass ausgerechnet der 14. März der unendlichen Zahl gewidmet ist. In amerikanischer Schreibweise ist das 3/14 – also Pi, auf die ersten beiden Nachkommastellen gerundet. Außerdem ist der 14. März Albert Einsteins Geburtstag. Wer es besonders ernst meint mit der Huldigung der Kreiszahl, der feiert genau ab 1 Uhr 59 und 26 Sekunden. Früh aufstehen ist nicht unbedingt nötig – dank der 2-mal12-Stunden-Zählung in den USA ist auch 13.59 Uhr angemessen.
Den Pi-Tag begehen Mathematiker 2017 schon zum 29. Mal. 1988 feierte Larry Shaw, Mitarbeiter des Naturwissenschaftsmuseums Exploratorium in San Francisco, als Erster diesen Tag. Seitdem ist das dort eine Tradition. Auch in diesem Jahr zahlen Besucher am 14. März daher keinen Eintritt. Seit 2009 ist der Tag zudem offiziell der „Nation Pi-Day“in den USA, das entschied das Repräsentantenhaus. Die Kammer des Kongresses unterstütze, dass dieser Tag weltweit begangen wird, und ermutige Schulen, Aktio- nen rund um die Konstante abzuhalten, heißt es in der Resolution.
Da die Zahl unendlich ist, wird auch der Rekord für die meisten berechneten Dezimalstellen regelmäßig gebrochen. Aktueller Rekordhalter ist der Schweizer Peter Trüb, der es 2016 schaffte, die Zahl weiter als bis zur 22,4-Billionsten Nachkommastelle zu bestimmen. Die Kreiskonstante fasziniert Trüb seit seiner Zeit im Gymnasium und begleitete ihn während des Physikstudiums. „Die Zahl Pi ist einfach allgegenwärtig“, sagt er. Wenn es um Schwingungen geht, die Geometrie oder die Statistik – immer wieder ist Pi Teil der Formel.
Auf die Idee, selbst einen Rekord aufzustellen, kam er, als er sich über die bisherigen Versuche informierte. „Ich habe gelesen, wodurch die Berechnung limitiert ist“, erzählt Trüb. Das ist vor allem der Speicherplatz. Der Physiker arbeitet bei der Firma Dectris, die Röntgendetektoren herstellt. Dabei entstehen extrem viele Daten, die schnell gespeichert werden müssen. Sein Vorgesetzter unterstützte ihn bei dem Rekordversuch, die Firma stellte die Hardware. „Wir hatten fast alles da“, sagt Trüb. Wichtig war vor allem ein sehr schneller Rechner. Den Festplattenspeicher mit 24 mal sechs Terabyte Kapazität baute er selbst zusammen. 105 Tage brauchte der Computer für die Berechnung. Einmal pro Woche sicherte Trüb die bisherigen Ergebnisse – eine gute Entscheidung, die sich auszahlte, als der Speicherplatz voll war und das Programm abstürzte. Mit zusätzlichem Speicher schaffte es Trüb, sein Ziel zu erreichen. Das lag bei genau 22 459 157 718 361 Dezimalstellen. Dass er genau diese Zahl erreichen wollte, hat natürlich ebenfalls eine Bedeutung. Das ist eine Billion mal Pi hoch e. e ist die Euler’sche Konstante und wie Pi unendlich. Mathematisch ist nicht nachgewiesen, ob Pi hoch e denn nun eine irrationale Zahl ergibt oder nicht, also ein weiteres Mysterium.
Zum Vergleich: Die gesamte deutschsprachige Wikipedia hat etwa 9,5 Milliarden Zeichen. Trübs Ergebnis hat fast 2300 Mal mehr Stellen. Mystiker werden begeistert sein: Die letzten drei berechneten Ziffern ergeben Trübs Geburtstag.
Einen Nutzen haben die neuen Dezimalstellen nicht, es geht nur um den Weltrekord. Denn selbst um den Umfang von Planeten möglichst genau zu berechnen, reichen deutlich weniger Nachkommastellen aus. Nutzt man bei der Berechnung des Erdumfangs etwa nur elf Dezimalstellen, ist das Ergebnis trotzdem nur um weniger als einen Millimeter verfälscht. Selbst bei einem Kreis, der als Radius den Abstand zwischen Sonne und Erde hat, würden 15 Dezimalstellen für diese Genauigkeit ausreichen.
Trotzdem versuchen Mathematiker schon lange, immer neue Stellen zu finden. 1949 lag der Rekord noch bei, nach heutigen Maßstäben mageren 1120 Stellen. Die neuesten Rekorde sind nur durch Computerprogramme möglich. Schließlich würde es schon ewig dauern, die Stellen aufzusagen. Dafür gibt es einen Wettkampf, den sogenannten Pi-Sport. Es geht darum, wie viele Stellen die Kontrahenten auswendig können. Den Rekord hält der Inder Suresh Kumar Sharma, der 70030 Stellen der Zahl aufsagen konnte. Dafür brauchte er 17 Stunden und 14 Minuten. Würde Sharma die von Trüb berechneten Dezimalstellen in der gleichen Geschwindigkeit rezitieren, bräuchte er etwa 630 500 Jahre, ohne Pause, versteht sich.
Für Rekordhalter Trüb ist der PiTag eher eine Spielerei, „aber eine gute Gelegenheit, um Schülern und der Allgemeinbevölkerung Physik und Mathe etwas näherzubringen“. Noch hat er nichts geplant für den 14. März. „Vielleicht organisiere ich einen Kuchen“, sagt er. Dann könne er mit den Kollegen den gelungenen Rekordversuch noch einmal entsprechend feiern.
Wer am Dienstag keine Zeit hat, Pi die Ehre zu erweisen, hat bereits in ein paar Monaten die nächste Gelegenheit dazu: Der 22. Juli ist aus Mathematikersicht so etwas wie der kleine Bruder des 14. März. Es ist der Pi-Näherungstag – denn 7/22 hat Archimedes als Näherungswert für Pi bestimmt.