Mehr Verstand als Herz
Besuch Angela Merkel will mit Donald Trump eine gemeinsame Basis aufbauen. Eine Freundschaft dürfte daraus eher nicht werden. Nur einmal wird gelacht – auf Kosten der Kanzlerin
Die ersten Bilder aus dem Weißen Haus sprechen Bände. Donald Trump räkelt sich breitbeinig und zurückgelehnt im Sessel, während seine Hände ungeduldig ineinanderschlagen. Angela Merkel wendet sich ihm mit überschlagenen Beinen und gefalteten Händen zu. Während des Blitzlicht-Gewitters der Kameras geht die Kanzlerin kurz auf Reporterfragen nach der Stimmung ein. „Sehr gut, danke, ein sehr freundlicher Empfang“, murmelt sie. „Eine gute Gelegenheit, sich zu unterhalten.“
Gesprächsbedarf zwischen dem Präsidenten und der Kanzlerin bestand reichlich. Hatte Trump seinen Gast aus Deutschland in der jüngeren Vergangenheit doch nicht gerade mit großem Respekt behandelt. Doch Merkel war nicht gekommen, um vergangene Äußerungen auf die Waagschale zu legen. Das Ziel ihrer vielleicht schwierigsten Mission als Kanzlerin bestand darin, „nach vorne zu schauen“. Die Liste der Gesprächsthemen dürfte lang gewesen Mehr als eine Dreiviertelstunde lassen Trump und Merkel die Reporter warten. Bei ihrer mit Spannung erwarteten Pressekonferenz versucht das ungleiche Paar dann vor allem Gemeinsamkeiten herauszustellen. Der US-Präsident bekennt sich ausdrücklich zur Nato, die Kanzlerin verspricht, größere Verteidigungslasten zu schultern und in Afghanistan engagiert zu bleiben. Und beide betonen die historische Verbundenheit zwischen beiden Ländern und die Chancen des Handels.
Für den Lacher des Tages sorgt Trump auf eine Frage zur Affäre um den angeblichen Lauschangriff auf seinen Wolkenkratzer in New York. „Zum Thema Abhören durch die Obama-Regierung“, setzte Trump an und schaute Richtung Merkel: „Da haben wir vielleicht eine Sache gemeinsam.“Merkel runzelt die Stirn. Dass sich der Präsident so offen über die Ausspähung ihres Handys durch US-Spione lustig macht, scheint sie zu irritieren.
Doch Merkel fängt sich schnell, spricht offen die Differenzen mit ih- rem Gastgeber an – indem sie betont positiv über die Rolle der Europäischen Union redet, sich dafür ausspricht, „Flüchtlingen eine Perspektive zu eröffnen“, und erklärt, wie Handelsabkommen mehr Arbeitsplätze schaffen. Sie lädt Trump ein, die Verhandlungen zwischen der EU und den USA über ein Freihandelsabkommen wieder aufzunehmen. Trump versucht, seinen America-first-Kurs zu rechtfertigen: „Die USA sind in den vergangenen Jahren unfair behandelt worden“, nimmt der Präsident der Supermacht die Opferrolle ein und stellt unmissverständlich klar: „Das wird nun beendet.“
Die Schnittmengen der beiden Politiker fallen denkbar klein aus. Hier die nüchterne, sachorientierte Merkel, die Understatement zur Staatskunst erhoben hat. Da der schrille, an Fakten nicht interessierte Trump, der keinen Superlativ auslässt. Mit dem Fehlen einer gemeinsamen Chemie ließe sich leben, gäbe es inhaltliche Übereinstimmungen. Denn so wichtig das persönliche Verhältnis zwischen Staatssein. und Regierungschefs auch sein mag, geht es in den Beziehungen zwischen Ländern nicht um die Länge und Feste eines Händedrucks, die Körperhaltung oder semantische Feinheiten. Auf dem Spiel stehen, wie Merkel wiederholt betonte, nationale Interessen. Ganz oben auf ihrer Gesprächsliste standen deshalb die wirtschaftliche Zusammenarbeit, Sicherheit und die Verteidigung der westlichen Demokratie.
Trump wollte sich bei Merkel über ihre Erfahrungen im Umgang mit Wladimir Putin informieren. Die im Russischen versierte Merkel dürfte ihm dazu hinter verschlossenen Türen ein paar Takte gesagt haben. Ob der Präsident ihren Rat annimmt, steht auf einem anderen Blatt. Für Merkel ging es mit ihrem Kennenlernbesuch im Weißen Haus vor allem darum, eine Basis zu schaffen und den unberechenbaren US-Präsidenten an die westliche Gemeinschaft zu binden. Den Ton hat sie auf jeden Fall verbessert – zumindest vorübergehend. Eine Herzensfreundschaft zeichnet sich nicht ab.